Das ist nun doch ziemlich absurd: Nur einen Tag nachdem der Regierungsflieger nach Kanada abhob, an dessen Bord sowohl der deutsche Kanzler als auch der Vizekanzler und eine Entourage aus Journalisten und weiteren Regierungsmitgliedern stundenlang ohne Maske auf engem Raum zusammensaßen, stellen der Gesundheits- und der Justizminister am Mittwochmittag dem Volk die neuen Corona-Maßnahmen vor, die zuvorderst lauten: Maske tragen!
Was Karl Lauterbach (SPD) und Marco Buschmann (FDP) mit dem neuen Infektionsschutzgesetz wollen, würde nun weniger unfreiwillig komisch wirken, wenn nicht tags zuvor noch der freiwillige Verzicht auf die Maske im Flugzeug durch Robert Habeck (Grüne) und Olaf Scholz (SPD) verteidigt worden wäre mit der Begründung: Sie hätten ja alle einen aktuellen PCR-Test gemacht, weshalb die Maske obsolet sei. Das stimmt nach geltendem Recht für alle anderen Deutschen eben nicht. Kein anderer kann sich aktuell vom Masketragen in einem deutschen Flugzeug freitesten.
Und die fadenscheinige Begründung, es handele sich um einen Flieger der Luftwaffe, und die habe nun mal andere Regeln, konnte nicht mal der Justizminister auf der Pressekonferenz zum neuen Infektionsschutzgesetz plausibel machen, obwohl er sich auf diese Frage vorbereitet haben dürfte. Denn weder die Bundesregierung noch die Hauptstadtjournalisten gehören zum Luftwaffenpersonal. Buschmann gab den Kollegen deshalb „politisch“ den guten Ratschlag mit auf den Weg: Gleiche Regeln für alle!
Umso mehr könnte man nach diesem peinlichen Regierungsmaschinen-Fauxpas meinen, es bräuchte neue Regeln für die Corona-Maßnahmen in Deutschland, an die sich dann auch wieder alle halten können oder eben niemand, diese hatten Lauterbach und Buschmann auch wie angekündigt im Gepäck für Oktober. Wobei der Gesundheitsminister an diesem Tag eher eingefriedet wirkte und der Justizminister eher stolz, so als ob letzterer sich durchgesetzt hätte.
Und siehe da: Das Maßnahmenpaket ist gar nicht mal so schlecht, auf den ersten Blick. Man kann damit leben. In aller Kürze: Maskenpflicht in Flügen und Zügen bundesweit, Masken- und Testpflicht in Kliniken und Altenheimen und: Maskenpflicht bei öffentlichen Veranstaltungen in Innenräumen, die aber auch durch Tests ausgehebelt werden kann. Das ist ein deutlicher Fortschritt gegenüber den vergangenen beiden Wintern, als unsinnige 2G- und 3G-Regeln galten, ständig eine Impfpflicht diskutiert wurde und immer wieder Lockdowns und Schulschließungen verhängt wurden. All das soll es nicht mehr geben, lautet das Versprechen.
Für die Deutschen bedeutet das ein Aufatmen – trotz Maske. Endlich ist der deutsche Sonderweg inmitten Europas vom Tisch. Wir müssen nicht länger Sorge tragen, aufgrund Lauterbachs Übervorsichtigkeit bei jeder Inzidenzerhöhung und bei jeder Überlastung der Kliniken, von denen viele aufgrund des Personalmangels eh stets am Limit arbeiten, wieder in Geiselhaft genommen zu werden.
Justizminister Buschmann: Es geht darum, schwere Verläufe zu verhindern
Oder, wie es Buschmann einer ungläubigen Journalistin auf der Pressekonferenz erläuterte: Es kann jetzt nicht mehr darum gehen, jede einzelne Infektion zu verhindern. Es geht darum, schwere Verläufe und Todesfälle einzudämmen und die Infrastruktur zu schützen. Es geht aber auch darum, eine gewisse Normalität wiederaufzubauen, um mit dem Virus leben zu können. Um nicht immer wieder Gastronomen, Veranstaltern und Geschäften die wirtschaftlichen Grundlagen zu entziehen oder bis ins Privateste hinein zu regieren mit den Fragen, wie viele Besucher Oma zu Weihnachten empfängt oder mit welchen Freunden man sich nach welcher medizinischen Behandlung noch einzeln treffen darf.
Denn inzwischen hat es auch fast schon der Letzte verstanden, das ist ein Riesenfortschritt gegenüber dem Frühjahr: Die Corona-Impfung schützt nicht vor der Ansteckung oder Weitergabe des Virus. Deshalb werden die Maßnahmen nun erstmals seit Einführung der Impfung nicht mehr auf der Impfung fußen. Sondern auf Masken und – je nach Bedarf und Situation – auf Tests. Es steht nun nicht mehr das stumpfe „Impfen, Impfen, Impfen!“ im Vordergrund inklusive Ausgrenzung der Ungeimpften.




