Olympische Spiele

Gender-Eklat: Box-Verband IBA behauptet, Khelif und Lin „sind männlich“

Um die Boxerinnen Imane Khelif und Lin Yu-Ting ist bei Olympia eine hitzige Geschlechterdebatte entbrannt. Nun beruft der Box-Verband kurzerhand eine Pressekonferenz in Paris ein.

IBA-Präsident <a href="https://www.berliner-zeitung.de/sport-leidenschaft/ex-rocker-als-saubermann-der-russe-umar-kremlew-raeumt-im-boxen-auf-li.194294">Umar Kremlew</a> attackiert Thomas Bach und das Internationale Olympische Komitee.
IBA-Präsident Umar Kremlew attackiert Thomas Bach und das Internationale Olympische Komitee.Russian Look/imago

Die Geschlechterdebatte bei den Olympischen Spielen in Paris geht in die nächste Runde. Der Box-Verband IBA und Präsident Umar Kremlew attackierten am Montag das IOC wegen des Gender-Eklats um die Boxerinnen Imane Khelif aus Algerien und Lin Yu-Ting aus Taiwan. In einer 20-minütigen Rede auf Russisch kritisierte der kremlnahe Verbandsboss mehrere Male die Olympia-Organisatoren und namentlich IOC-Präsident Thomas Bach.

„Es ist traurig, das zu sehen. Wir zerstören den Sport auf diese Art und Weise“, sagte Kremlew, der bei der denkwürdigen Pressekonferenz in Paris per Video aus Russland zugeschaltet wurde. „Wir haben wissenschaftliche Tests, die zeigen, dass sie männlich sind“, behauptete Kremlew. Diese Tests hätten „sehr hohe Testosteronwerte gezeigt“, man könne aber nicht sagen, „ob es Transgenderfälle sind oder nicht.“

Es gibt angeblich zwei Blutuntersuchungen mit einem männlichen Karyotyp

Ioannis Filippatos, früherer Vorsitzender des medizinischen Komitees der IBA, erklärte: „Das Problem ist, dass wir zwei Blutuntersuchungen mit einem männlichen Karyotyp haben. Dies ist die Antwort des Labors.“ Die Ergebnisse der Untersuchungen könne der Verband nicht offenlegen, ergänzte IBA-Generalsekretär Chris Roberts.

Khelif und Lin waren bei der WM im Vorjahr nach Tests von den Wettkämpfen ausgeschlossen worden, weil sie laut IBA „die erforderlichen Teilnahmekriterien nicht erfüllten und im Vergleich zu anderen weiblichen Teilnehmern Wettbewerbsvorteile“ gehabt hätten.

„Ich möchte alle Boxerinnen und Boxer verteidigen und beschützen“, sagte Kremlew, der vor rund 100 Journalisten und mehr als einem Dutzend Kamerateams laut und impulsiv sprach. Bach warf er einen persönlichen Gegenangriff vor. „Ich bin nur hier, um das Chaos zu beseitigen“, behauptete Kremlew.

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„Inhalt und Organisation der IBA-Pressekonferenz sagen alles, was Sie über diese Organisation und ihre Glaubwürdigkeit wissen müssen“, teilte ein IOC-Sprecher mit. Die IBA hatte am Montagvormittag kurzfristig Medienvertreter in den Salon des Miroirs im Herzen von Paris eingeladen. Rund 100 Journalisten und etwa zwei Dutzend Kamerateams kamen. Die Veranstaltung begann rund eineinhalb Stunden verspätet und wurde geprägt von technischen Störungen sowie Zwischenrufen aus dem Plenum.

IOC-Chef Thomas Bach: „Es gab nie Zweifel, dass sie Frauen sind“

Nachdem Khelif ihren ersten Olympia-Kampf gegen die Italienerin Angela Carini nach nur 46 Sekunden durch technischen K.o. gewonnen hatte, war eine heftige Kontroverse um das Startrecht ausgebrochen. „Sie wurde als Frau geboren, ist als Frau aufgewachsen, hat einen Pass als Frau und hat als Frau Wettbewerbe bestritten“, rechtfertigte IOC-Chef Bach wiederholt die Teilnahmeerlaubnis, die aus denselben Gründen auch für Lin gelte: „Es gab nie Zweifel, dass sie Frauen sind.“

Die IBA, die das Pressegespräch im 300 Quadratmeter großen Salon des Mirroirs kurzfristig einberufen und überhastet aufgebaut hatte, skizzierte am Montag noch einmal das Vorgehen rund um die Tests bei Khelif und Lin. „Das IOC hat all diese Informationen zu den Tests von uns bekommen. Die interessante Situation hier ist: Das IOC hat nichts damit gemacht“, sagte Generalsekretär Chris Roberts am einzigen Ruhetag der Boxwettkämpfe bei Olympia. Man sei „nicht in der Position, die Testergebnisse zu veröffentlichen“, fügte er an.

IOC kontert: „Diese Menschen sind nur in ihrem eigenen Kopf glaubwürdig“

IOC-Sprecher Mark Adams hatte vor Tagen über die Funktionäre des Verbands gesagt: „Diese Menschen sind nur in ihrem eigenen Kopf glaubwürdig.“ Über den Brief sagte Adams, dass sich das Internationale Olympische Komitee nicht mit den wissenschaftlichen Standards der Analyse beschäftigt habe, weil es sich um keine legitime Quelle handelte.

Das IOC erkennt die IBA nicht an und organisiert das Boxturnier bei Olympia erneut selbst. Das im Pass angegebene Geschlecht sei für viele Sportarten maßgeblich für die Zulassung zu den Wettbewerben, betonte Adams. Im Boxen sei das Regelwerk schon bei Olympia 2016 in Rio und 2021 in Tokio so wie in Paris angewendet worden. 2028 will das IOC Boxen nur mit einem seriösen Partner veranstalten. Derzeit ist die Sportart nicht im Programm für Los Angeles.

Bei der Veranstaltung, die wegen organisatorischer Probleme fast eine Stunde später begann, kam es immer wieder zu Pannen und tumultartigen Szenen.