Das Berliner Abgeordnetenhaus steht am Donnerstag vor einer wahren Marathon-Sitzung, in der zahlreiche wichtige Beschlüsse gefasst werden sollen. Neben der Verabschiedung des Doppelhaushalts 2024/2025 ist eine Verfassungsänderung zur Senkung des Wahlalters auf 16 geplant. Zudem stehen bei der letzten Plenarsitzung des Jahres diverse Gesetze und der RBB-Staatsvertrag zur Abstimmung.
Da es in den Fraktionen zuletzt viele Krankmeldungen gab, schaltet das Abgeordnetenhaus am Donnerstag in einen Sondermodus, wie der RBB berichtete. Für gewöhnlich stimmen die Fraktionen über neue Gesetze oder Gesetzesänderungen direkt nach der jeweiligen zweiten Lesung im Laufe des Tages ab. Am Donnerstag sollen jedoch alle Abstimmungen gebündelt am Ende der Plenarsitzung gegen 20 Uhr durchgeführt werden. So haben erkrankte Abgeordnete die Möglichkeit, für die Abstimmungen ins Abgeordnetenhaus zu kommen.
Schuldenbremse: Berliner Haushalt wird nicht über neue Kredite finanziert
Der Doppelhaushalt hat ein Volumen von 39,3 Milliarden Euro für 2024 und von 40,5 Milliarden Euro für 2025. So hohe Ausgaben gab es noch nie. Ein großer Posten sind Zuweisungen an die Bezirke (jeweils rund 11 Milliarden Euro), besonders viel Geld fließt auch für Personal und Investitionen.
Da die Schuldenbremse gilt, wird der Etat nicht über neue Kredite finanziert. Vielmehr werden bestimmte Rücklagen aufgebraucht – die in Zukunft dann nicht mehr zur Verfügung stehen. Vor diesem Hintergrund ist es erklärtes Ziel der schwarz-roten Koalition, das in den vergangenen Jahren wegen Corona und anderer Krisen stark gewachsene Haushaltsvolumen ab 2026 wieder deutlich zu reduzieren.
Berliner Haushalt: Milliarden Euro müssen eingespart werden
Ein erster Schritt dahin soll die sogenannte pauschale Minderausgabe sein: Im laufenden Etat müssen 2024 und 2025 Ausgaben von jeweils etwa 1,9 Milliarden Euro eingespart werden. Wie genau das passieren soll, ist offen. Dieses Vorgehen ist bei Haushalten üblich, die für beide Jahre veranschlagte Höhe der pauschal verlangten Einsparungen ist allerdings ungewöhnlich hoch.
Hinzu kommt, dass sich alle Beteiligten bis zur Aufstellung des nächsten Haushalts überlegen müssen, wie sie dort dann weitere drei oder gar vier Milliarden Euro einsparen können. Denn das ist der sogenannte Konsolidierungsbedarf, von dem CDU und SPD ausgehen.
Sozialverbände und Bezirke glauben, dass die Einsparungen schon durch die pauschale Minderausgabe in den kommenden zwei Jahren größtenteils auf Kosten des Sozialbereichs gehen. Die Bezirke kritisieren in dem Zusammenhang, dass das Land ihnen nicht mehr wie bisher auch Stellen finanzieren will, die unbesetzt sind. Die Koalition wies die Kritik zurück. Es gebe keinen sozialen Kahlschlag, im Gegenteil: Der Bereich Soziales und Zusammenhalt bilde einen Schwerpunkt des Etats.
Verfassungsänderung: Wahlalter ab 16 Jahren für Berliner Abgeordnetenhaus
Zur Senkung des Wahlalters für das Abgeordnetenhaus von 18 auf 16 wird die Verfassung geändert. Nötig ist dazu bei der Abstimmung eine Zwei-Drittel-Mehrheit. Hinter dem Vorhaben stehen mit CDU, SPD, Grünen und Linken vier der fünf Fraktionen. Ziel ist, jüngeren Leuten mehr politische Mitbestimmung zu ermöglichen.
Nach Angaben des Vereins „Mehr Demokratie“ ist Berlin das siebte Bundesland, in dem diese Altersgruppe auf Landesebene wählen darf. Zum ersten Mal wird das voraussichtlich 2026 bei der Wahl zum Abgeordnetenhaus der Fall sein. Mit 16- und 17-jährigen deutschen Staatsbürgerinnen und -bürgern würde sich die Zahl der Wahlberechtigten für das Landesparlament und damit auch für Volksentscheide laut Senat von zuletzt rund 2,44 Millionen um rund 50.000 erhöhen – also um etwa zwei Prozent.
Bislang können 16- und 17-Jährige bereits bei den Wahlen zu den Berliner Bezirksverordnetenversammlungen, also den Kommunalparlamenten, abstimmen. Nach einer Gesetzesänderung auf Bundesebene gilt das auch für Europawahlen, erstmals 2024.
Gesetz für Sicherheit und Ordnung: Das soll im Polizeigesetzes geändert werden
Wie über die Absenkung des Wahlalters wurde in Berlin auch lange über eine Reform des Gesetzes für Sicherheit und Ordnung (ASOG) diskutiert, das auch Polizeigesetz genannt wird. Nun ist es soweit. Im Kern geht es um die Änderung von drei Punkten.
Zur Zeit beträgt die Höchstdauer für den Unterbindungsgewahrsam, also das vorsorgliche Einsperren von Menschen, von denen schwere Straftaten erwartet werden, zwei Tage. Künftig soll diese Präventivhaft auf Beschluss eines Richters bis zu fünf Tage möglich sein, im Fall mutmaßlicher Terroristen bis zu sieben Tage.
Geändert werden auch Regelungen zu sogenannten Bodycams an Uniformen und Kameras in Polizeiautos (Dashcams). Polizisten und Feuerwehrleute sollen das Geschehen bei Einsätzen mit diesen Geräten verstärkt filmen. Auch in Wohnungen soll gefilmt werden können, wenn es um die Abwehr von Gefahren für beteiligte Menschen geht. Dritte Neuerung: Elektroschockpistolen (Taser), die bisher nur von einigen Polizistinnen und Polizisten getestet wurden, sollen in größerem Maß von der Polizei genutzt werden können.
Bauordnung: Wohnungsbau in Berlin soll vereinfacht werden
Mit der novellierten Bauordnung verbinden CDU und SPD vor allem das Ziel, den Bau dringend benötigter Wohnungen zu vereinfachen. Sie umfasst etwa weniger strenge Regeln für Gebäuden in Holzbauweise, für Dachausbauten oder die Aufstockung bestehender Gebäude.
Allerdings kommen auch neue Vorgaben hinzu: So wird zur Pflicht, Dächer mit einer maximalen Neigung von zehn Grad, deren Fläche insgesamt größer als 100 Quadratmeter ist, zu begrünen. Dabei sollen aber Ausnahmen möglich sein. Umweltverbände bemängeln, Belange des Natur-, Klima- und Artenschutzes seien zu wenig berücksichtigt.
RBB-Vertrag: Das soll sich nach Patricia Schlesinger ändern
Mit dem RBB-Staatsvertrag der Länder Berlin und Brandenburg sollen die Aufsichtsgremien gestärkt und für Entscheidungsträger Sorgfaltspflichten und Haftungsregeln eingeführt werden – als Konsequenz aus der Krise des öffentlich-rechtlichen ARD-Senders. Das Gehalt von Intendantin oder Intendant wird gedeckelt, Alleingänge der Intendanz sollen verhindert werden. Ziel ist auch eine Stärkung der regionalen Ausrichtung unter anderem mit 60 Minuten regionaler Berichterstattung und einem neuen Büro in Brandenburg/Havel.
RBB-Intendantin Ulrike Demmer befürchtet mit dem Vertrag in Teilen einen Eingriff in die Unabhängigkeit des Senders, vor allem mit Blick auf die Regelungen zur Regionalberichterstattung. Neben dem Berliner Abgeordnetenhaus will am Donnerstag auch der Brandenburger Landtag über den Vertrag entscheiden.



