EU-Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen erwägt ernsthaft Sanktionen gegen die Pipeline Nord Stream 2, sollte Russland einer 30-tägigen Waffenruhe in der Ukraine nicht zustimmen. Das bestätigte Kommissionssprecherin Paula Pinho am Montag gegenüber Journalisten.
Auf die Frage, welche Optionen Europa habe, sollte der Kreml die Forderung nach einer Waffenruhe ablehnen, erklärte Pinho, eine Möglichkeit sei von Ursula von der Leyen bereits am Samstag angedeutet worden. Während einer Videokonferenz mit den Staats- und Regierungschefs Deutschlands, Frankreichs, Polens und Großbritanniens im Rahmen ihres Ukraine-Besuchs habe die Kommissionspräsidentin „die Möglichkeit von Sanktionen gegen das Nord-Stream-2-Konsortium angesprochen“, so die Sprecherin.
Zuvor hatte das Wall Street Journal berichtet, dass von der Leyen bereits mit Bundeskanzler Friedrich Merz (CDU) darüber gesprochen habe. Laut der US-Tageszeitung soll die EU-Kommissionspräsidentin bei einem Treffen mit Merz am vergangenen Freitag in Brüssel über mögliche EU-Sanktionen gegen Nord Stream 2 gesprochen haben. Wie das WSJ unter Berufung auf EU-Funktionäre berichtet, würde ein solcher Schritt unabhängig von einem neuen EU-Sanktionspaket erfolgen. Er könnte greifen, falls Russland die vorgeschlagene Waffenruhe ablehnt oder verletzt.
Schritt unabhängig von Gaslieferungsverbot
In der vergangenen Woche hatte die EU-Kommission ihre Pläne für ein vollständiges Verbot von Gaslieferungen aus Russland in den kommenden Jahren erläutert. Dafür will die Kommission nach eigenen Angaben vom Dienstag zwei Stufen vorschlagen: Zum Ende des laufenden Jahres will die Behörde kurzfristige Gaskäufe am sogenannten Spotmarkt verbieten, außerdem sollen Unternehmen keine neuen Verträge mehr schließen. Spätestens Ende 2027 soll gar kein Gas mehr aus Russland in die EU fließen.
„Während EU-Beamte erklärten, sie würden das Verbot der Gaslieferungen unabhängig von einem Friedensabkommen aufrechterhalten, gab es in den letzten Monaten Spekulationen, dass der Block das Verbot lockern könnte, wenn Russland ein faires Friedensabkommen für die Ukraine akzeptiert“, berichtet das Wall Street Journal weiter.

Deutschland stoppte das Ostsee-Pipelineprojekt Nord Stream 2 zwei Tage vor dem russischen Einmarsch in die Ukraine – nachdem Präsident Wladimir Putin die Separatistengebiete Donezk und Luhansk offiziell anerkannt hatte. Der damalige Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) setzte daraufhin die Zertifizierung und damit das Genehmigungsverfahren aus. Kurz darauf kündigte der damalige US-Präsident Joe Biden an: „Ich habe meine Regierung angewiesen, Sanktionen gegen die Nord Stream 2 AG und ihre leitenden Angestellten zu verhängen.“ Bereits zuvor hatte er gewarnt: „Wenn Russland einmarschiert, dann wird es Nord Stream 2 nicht mehr geben. Wir werden dem ein Ende setzen.“
Trump über Nord-Stream-Sabotage: „Viele wissen, wer sie in die Luft gejagt hat“
Bei einem Anschlag im September 2022 waren die beiden Pipelines Nord Stream 1 und 2 beschädigt worden. Zu den Tätern und den Drahtziehern kursierten lange verschiedene Spekulationen. Einer Recherche des Investigativjournalisten Seymour Hersh zufolge wurde der Anschlag von der Regierung der USA mit Unterstützung Norwegens veranlasst. Darüber hatte er auch im Februar 2023 mit der Berliner Zeitung gesprochen. Führende deutsche Journalisten vermuten den ukrainischen Geheimdienst hinter den Anschlägen. Mitte August 2024 hatte die ukrainische Führung einen Bericht des Wall Street Journal über eine Billigung der Sabotage durch die höchste Regierungsebene in Kiew allerdings als „Unsinn“ zurückgewiesen.

