Die US-Luftangriffe auf mutmaßliche Drogenschmuggler vor der Küste Lateinamerikas treffen nach Einschätzung von Experten vor allem den Kokainhandel nach Europa, nicht jedoch den Fentanyl-Schmuggel in die Vereinigten Staaten. Das berichtet NBC News unter Berufung auf aktuelle und ehemalige US-Sicherheitsbeamte sowie Fachleute aus dem Bereich der Drogenbekämpfung.
Nach übereinstimmender Einschätzung von Experten transportieren Schmugglerboote aus Venezuela überwiegend Kokain für den europäischen Markt. Fentanyl hingegen gelange nahezu ausschließlich auf dem Landweg über die Grenze zwischen Mexiko und den USA in die Vereinigten Staaten.
„Fentanyl kommt aus Mexiko“
„Fentanyl kommt nicht aus Venezuela. Fentanyl kommt aus Mexiko“, sagte Christopher Hernandez-Roy vom Thinktank Center for Strategic and International Studies gegenüber NBC News. Aus Venezuela komme fast ausschließlich Kokain - und das sei heute „zum Großteil für Europa bestimmt“.
Ein US-Beamter mit Einblick in die Anti-Drogen-Einsätze erklärte laut NBC News, etwa 90 Prozent der von venezolanischen Routen transportierten Drogen seien Kokain und „fast alles davon gehe nach Europa“.

Zweifel an Trumps Fentanyl-Argument
US-Präsident Donald Trump und Verteidigungsminister Pete Hegseth rechtfertigen die Angriffe mit dem Ziel, Drogenlieferungen in die USA zu stoppen und Leben zu schützen. Trump sagte, jedes versenkte Schmugglerboot rette „25.000 Leben“, weil es verhindere, dass Fentanyl und andere Drogen amerikanische Städte erreichten. Doch nach Einschätzung mehrerer Sicherheits- und Drogenexperten ist diese Argumentation zumindest teilweise irreführend. Die meisten Boote in der Karibik transportieren demnach Kokain für Europa – nicht Fentanyl für die USA.
William Baumgartner, ehemaliger Vizeadmiral der US-Küstenwache, sagte laut NBC News: „Diese Boote transportieren kein Fentanyl. Sie transportieren Kokain.“ Die Angriffe dürften deshalb kaum Wirkung auf die Fentanyl-Krise in den Vereinigten Staaten haben.
Bei 21 Luftangriffen der USA sterben mehr als 80 Menschen
Seit dem 2. September hat das US-Militär nach Angaben des Pentagon 21 Luftangriffe auf mutmaßliche Schmugglerboote geflogen. Dabei seien mehr als 80 Menschen getötet worden. Rund die Hälfte der Angriffe fand im Karibikraum statt.
Die Einsätze stoßen im In- und Ausland auf Kritik. Abgeordnete beider Parteien zweifeln die rechtliche Grundlage an. Nato-Partner hätten sich teils distanziert. Großbritannien habe laut einem früheren Bericht von NBC News aus rechtlichen Bedenken bestimmte Geheimdienstinformationen zurückgehalten.
Kokainmarkt in Europa besonders lukrativ
Nach Angaben der Experten ist der europäische Kokainmarkt in den vergangenen Jahren stark gewachsen. Die Gewinne seien dort deutlich höher als in den USA, bei geringerer Strafverfolgungsdichte in Teilen der Lieferkette. Ein Kilogramm Kokain koste in den USA rund 28.000 US-Dollar, in Europa im Schnitt etwa 40.000 US-Dollar, in einigen Ländern sogar bis zu 80.000 US-Dollar.
Drogen aus Venezuela werden demnach häufig per Schnellboot in karibische Gewässer transportiert und dort auf größere Frachter umgeladen, die über Westafrika oder europäische Überseegebiete in Richtung Europa fahren.
Vanda Felbab-Brown vom Brookings Institute sagte laut NBC News, die Angriffe dürften die Kartelle kaum abschrecken. Stattdessen würden diese ihre Routen und Methoden anpassen. „Das sind symbolische Aktionen“, sagte auch Rahul Gupta, früherer Drogenbeauftragter im Weißen Haus. Symbolik allein werde weder die Kartelle zerschlagen noch die Drogenkrise lösen.



