Die Separatistenführung in der umkämpften Region Luhansk in der Ostukraine hat ein umstrittenes Referendum für den Beitritt zu Russland angesetzt. Die Abstimmung werde vom 23. bis 27. September abgehalten, sagte der Chef des Separatistenparlaments, Denis Miroschnitschenko, am Dienstag der Nachrichtenagentur Interfax zufolge. Das Referendum gilt als Reaktion auf die aktuelle ukrainische Gegenoffensive im Osten des Landes.
Auch die selbst ernannte „Volksrepublik“ Donezk in der Ostukraine setzte ein Referendum zum Beitritt zu Russland an, ebenso wie Cherson. Zudem kündigte die prorussische Verwaltung der Region Saporischschja eine Abstimmung zur Annexion an. Die zeitgleichen Scheinreferenden gelten als Reaktion auf die aktuelle ukrainische Gegenoffensive im Osten des Landes. Die „Volksrepubliken“ sind nicht von der internationalen Staatengemeinschaft anerkannt.
Auf ähnliche Weise annektierte Russland 2014 die ukrainische Halbinsel Krim. International wurde die Abstimmung nicht anerkannt. Auch diesmal ist eine Anerkennung nicht in Sicht.
Separatisten wollen schnelle Abstimmung
Zuvor hatte der ehemalige russische Präsident Dmitri Medwedew Beitrittsreferenden in den von Moskau besetzten Gebieten in der Ukraine gefordert, um diese unwiderruflich an Russland anzugliedern. „Nach ihrer Durchführung und der Aufnahme der neuen Territorien in den Bestand Russlands nimmt die geopolitische Transformation in der Welt unumkehrbaren Charakter an“, schrieb er am Dienstag auf seinem Telegram-Kanal.
Russland könne nach dem Beitritt der Gebiete „alle Mittel des Selbstschutzes“ anwenden. Russische Kommentatoren wiesen darauf hin, dass das Atomwaffen einschließe. Die russische Politologin Tatjana Stanowaja meinte, dass Putin sich nach dem Scheitern seiner ursprünglichen Pläne, die Gebiete rasch einzunehmen, zu den Beitrittsreferenden entschieden habe. Nach Aufnahme der Gebiete habe er die Möglichkeit, die Territorien unter Androhung des Einsatzes von Atomwaffen zu verteidigen.
Die Separatisten in Donezk und Luhansk hatten angesichts des jüngsten ukrainischen Vormarsches gefordert, solche „Abstimmungen“ schnell anzusetzen. Russland hat seinen Einmarsch in der Ukraine am 24. Februar unter anderem mit der „Befreiung“ der Gebiete Donezk und Luhansk begründet. Zunächst konnte das russische Militär große Teile der Ost- und Südukraine erobern.
Russisches Militär leidet an Personalmangel
Zuletzt allerdings musste der Kreml eine empfindliche Niederlage hinnehmen, die russischen Truppen zogen sich nach ukrainischen Angriffen fast völlig aus dem Gebiet Charkiw zurück. Die Staatspropaganda warnte vor einer möglichen verheerenden Niederlage in dem Krieg.
Der Kreml könnte nun darauf setzen, mit den Referenden innenpolitisch die Bevölkerung zu mobilisieren – eventuell sogar durch Ausrufung des Verteidigungsfalls. Derzeit leidet das russische Militär in der Ukraine an Personalmangel. Die eingesetzten Soldaten auf Vertragsbasis haben nicht genügend Ressourcen für den Krieg, der in Moskau immer noch „militärische Spezialoperation“ genannt wird.
Scholz: „Scheinreferenden“ in Ostukraine werden nicht akzeptiert
Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) erklärte die geplanten Abstimmungen in den ostukrainischen Regionen Donezk und Luhansk über einen Beitritt zu Russland für völkerrechtswidrig. Es sei „ganz, ganz klar, dass diese Scheinreferenden nicht akzeptiert werden können, dass sie nicht gedeckt sind vom Völkerrecht und von den Verständigungen, die die Weltgemeinschaft gefunden hat“, sagte er am Dienstag am Rande der UN-Generalversammlung in New York.
Scholz sprach von dem „Versuch einer imperialistischen Aggression“, die durch die Abstimmungen „verbrämt werden“ solle. „Russland muss seine Truppen zurückziehen“, forderte der Bundeskanzler. „Die Ukraine hat jedes Recht, die Integrität und Souveränität des eigenen Landes und die eigene Demokratie zu verteidigen. Dabei unterstützen wir die Ukraine.“
Auch Nato-Generalsekretär Jens Stoltenberg sprach den angekündigten Abstimmungen in den besetzten Gebieten im Osten und Süden der Ukraine die Legitimität ab. Zugleich seien die Referenden eine „weitere Eskalation von Putins Krieg“ gegen die Ukraine, schrieb der Norweger am Dienstag auf Twitter.
Sham referendums have no legitimacy & do not change the nature of #Russia’s war of aggression against #Ukraine. This is a further escalation in Putin’s war. The international community must condemn this blatant violation of international law & step up support for Ukraine. pic.twitter.com/NdcN3tO6Sy
— Jens Stoltenberg (@jensstoltenberg) September 20, 2022
„Scheinreferenden haben keine Legitimität und ändern nichts an der Natur von Russlands Angriffskrieg gegen die Ukraine“, hieß es. Zugleich forderte Stoltenberg die internationale Gemeinschaft dazu auf, „diesen eklatanten Verstoß gegen das Völkerrecht“ zu verurteilen und die Unterstützung für die Ukraine zu verstärken. Stoltenberg hielt sich anlässlich der 77. Generaldebatte der UN-Vollversammlung in New York auf.
Weißes Haus: USA wird Scheinreferenden niemals anerkennen





