Bei einem Raketenangriff auf einen Wohnblock in der westukrainischen Stadt Lwiw sind mindestens sechs Menschen getötet worden. Am späten Donnerstagabend meldeten die Behörden, dass noch eine Frau aus den Trümmern eines zerstörten Gebäudes gezogen worden sei. Rund 40 Menschen seien verletzt worden. Die Such- und Rettungsaktion gehe weiter. Es gebe Informationen, dass noch Menschen unter den Trümmern eingeschlossen seien. Mehr als 60 Menschen wurden den Angaben zufolge aus den zerstörten Häusern evakuiert. Sieben Personen seien aus den Trümmern gerettet worden. Insgesamt war von Schäden an 35 Gebäuden die Rede. In der Stadt wurde für zwei Tage eine Trauer ausgerufen.
Eine russische Rakete habe ein Wohngebäude im Zentrum von Lwiw „direkt getroffen“, sagte der Gouverneur Maksym Kosyzki in einem auf Telegram veröffentlichten Video. In einem weiteren von Kosyzki veröffentlichten Video ist zu sehen, dass Teile der obersten Etage eines mehrstöckigen Gebäudes zerstört wurden. Unklar war zunächst, wie viele Raketen auf Lwiw abgefeuert wurden.
Der Angriff habe ein Wohnhaus getroffen und den dritten und vierten Stock komplett zerstört, teilte Innenminister Ihor Klymenko im Messengerdienst Telegram mit. Rettungskräfte bemühten sich darum, Menschen aus den Trümmern zu befreien. Mehr als 50 Wohnungen seien zerstört worden, erklärte der Bürgermeister von Lwiw, Andrij Sadowyj, auf Telegram. Beschädigt wurden demnach auch ein Wohnheim der Polytechnischen Universität, eine Schule und ein Bürogebäude.
Im südukrainischen Gebiet Cherson wurden den Angaben zufolge durch russischen Beschuss mindestens zwei Menschen tödlich verletzt.
Selenskyj kündigt „spürbare Antwort auf den Feind“ an
Der ukrainische Präsident Wolodymyr Selenskyj kündigte an, dass es „definitiv eine Antwort auf den Feind“ geben werde. „Eine spürbare“, schrieb er bei Telegram. In Videos sind stark beschädigte und teilweise fast ganz zerstörte Wohnhäuser eines ganzen Straßenzugs zu sehen. Selenskyj schrieb dazu: „Folgen des nächtlichen Angriffs durch russische Terroristen.“
Der Bürgermeister Sadowyj sprach von dem schwersten Angriff auf die zivile Infrastruktur von Lwiw seit Beginn des russischen Angriffskrieges gegen die Ukraine vor mehr als 16 Monaten. Mehr als 50 Häuser seien zerstört worden.
Ukraine: Angriff auf Lwiw mit Marschflugkörpern des Typs „Kalibr“
Russland habe Lwiw mit Marschflugkörpern des Typs „Kalibr“ angegriffen, die vom Schwarzen Meer aus abgeschossen worden seien, hieß es bei der ukrainischen Luftwaffe. Sieben von zehn russischen Raketen habe die Flugabwehr zerstören können.
In Lwiw halten sich auch viele Flüchtlinge aus den umkämpften Gebieten im Osten der Ukraine auf. Bis Juni war es in der Stadt im Westen des Landes längere Zeit relativ ruhig geblieben. Dann aber wurde sie wieder Ziel von Luftangriffen. Die Ukraine hatte Anfang Juni eine Gegenoffensive begonnen.
Lwiw liegt Hunderte Kilometer von der Front entfernt im Westen der Ukraine, die Stadt und ihre Umgebung waren seit dem Beginn der russischen Invasion am 24. Februar 2022 dennoch wiederholt Ziel von Angriffen. In der Nacht zum 20. Juni war laut Kosyzki „wichtige Infrastruktur“ in der Stadt von Drohnen getroffen worden.

Die Ukraine hat ihre Luftabwehrsysteme mithilfe von Waffenlieferungen aus dem Westen gestärkt; die Zahl russischer Raketen und Drohnen, welche die Luftverteidigung durchbrechen, hat seitdem abgenommen. Der Sprecher der Luftwaffe, Jurij Ignat, warnte zuletzt jedoch, die gelieferten Systeme reichten nicht aus, um das ganze Land ausreichend zu schützen.
Selenskyj beklagt zu langsame Waffenlieferungen
Selenskyj sagte in einem CNN-Interview, zu langsame Waffenlieferungen des Westens hätten auch den Beginn der ukrainischen Gegenoffensive verzögert und es Russland ermöglicht, seine Verteidigung in den besetzten Gebieten zu festigen, unter anderem mit Minen.
Die Gegenoffensive komme „aufgrund bestimmter Schwierigkeiten auf dem Schlachtfeld“ nicht schneller voran, sagte der ukrainische Präsident dem amerikanischen Sender. „Dort ist alles stark vermint.“ Aus diesem Grund hätte er sich einen deutlich früheren Beginn der Offensive gewünscht. Er habe die USA und Europa daher immer wieder dazu gedrängt, die dafür notwendigen Waffen und Materialien zu liefern. „Warum? Ganz einfach, weil es langsamer vorangeht, wenn wir später anfangen, und wir Verluste erleiden werden, weil alles stark vermint ist“, sagte Selenskyj.



