Die Staatsanwaltschaft hat gegen acht Männer im Alter zwischen 31 und 63 Jahren und eine 43-Jährige Anklage zum Landgericht Berlin erhoben. Sie stehen im Verdacht über 1500 Menschen nach Deutschland geschleust zu haben. Ihnen werden in wechselseitiger Beteiligung insgesamt 306 Taten vorgeworfen, darunter gewerbs- und bandenmäßige Begehung von Urkundenfälschungen, Straftaten nach dem Aufenthaltsgesetz, dem Schwarzarbeitsbekämpfungsgesetz und der Abgabenordnung.
Die Angeschuldigten sollen sich laut Mitteilung der Berliner Staatsanwaltschaft im Jahr 2018 unter Führung eines 50-Jährigen zusammengeschlossen haben, um aus dem Baltikum stammende Frauen und Männer als Leiharbeitnehmer nach Deutschland einzuschleusen. Erst am 8. Dezember 2021 wurde dies durch eine groß angelegte Razzia und die Inhaftierung der Angeschuldigten unterbunden.
Schleuser brachten Menschen in ein Abhängigkeitsverhältnis
Zur Tatbegehung sollen sie im In- und Ausland ein konspiratives Geflecht aus verschiedenen Verleih- und Verwaltungsunternehmen aufgebaut haben. Als Leiharbeitnehmers wollen systematisch visumspflichtige Drittstaatenangehörige aus Regionen angeworben worden sein, die ein geringes Pro-Kopf-Einkommen und mangelhafte Bildungsmöglichkeiten bei hoher Arbeitslosigkeit aufweisen.
Diese wurden angeworben und mit gefälschten ID-Karten aus der europäischen Union ausgestattet oder mussten nachweisen, dass sie über solche verfügten. Als angebliche EU-Bürger wurden sie dann von Briefkastenfirmen in den baltischen Staaten eingestellt. Über diese Scheinarbeitsverhältnisse sollen die Angeschuldigten dann an Entsendeformulare für die jeweiligen Leiharbeitnehmer gelangt sein.
Leiharbeiter aus dem Baltikum erhielten keinen Mindestlohn
Über den ausländischen Versicherungsträger erfolgte dann wohl ein freiwilliger Eintrag in die Datenbank der Deutschen Rentenversicherung: Die Leiharbeitnehmer bekamen so einen Arbeitnehmerstatus, konnten einen angeblich bestehenden Sozialversicherungsschutz im ausländischen Verleihunternehmen nachweisen – und schienen von Steuer- und Sozialabgaben in Deutschland befreit zu sein.
Die Leiharbeitnehmer sollen, so der Anklagevorwurf, von den Angeschuldigten aus Angst vor aufenthalts- und auch strafrechtlichen Konsequenzen in ein enges Abhängigkeitsverhältnis gebracht worden sein: Der Alltag der Leiharbeitnehmer wurde durch die Angeschuldigten durchorganisiert.
Sie wurden in eigens von den Angeschuldigten angemieteten Unterkünften untergebracht und überwacht. Der „Pendelverkehr“ zur Arbeitsstelle wurde durch die Angeschuldigten organisiert. Der Lohn aber soll deutlich unter dem Mindestlohn gelegen haben. Auch gab es wohl ein eher willkürliches System, mit dem monatliche Abzüge für Miete und als Strafen für abweichendes Verhalten festgesetzt wurden.
Schleuser zahlten wohl keine Steuern in Berlin: Hoher Millionenschaden
Laut Anklagevorwurf sollen zwischen sechs und 225 Leiharbeitnehmer:innen auf diese Weise pro Monat beschäftigt worden sein, über den gesamten Tatzeitraum mindestens 1.534 Personen. Da die Angeschuldigten für den Zeitraum keine Sozialversicherungsbeiträge abgeführt haben, soll so ein Schaden von 7.860.735,46 Euro entstanden sein. Auch Lohn- und Umsatzsteuer soll nicht abgeführt worden sein, die Schadenssumme hier beläuft sich auf 7.934.584,61 Euro.




