In einem offenen Brief haben mehr als 260 Psychiaterinnen und Psychiater scharfe Worte an den slowakischen Premierminister Robert Fico gerichtet. Nach Ansicht der Unterzeichner ist die Rhetorik des Politikers seit des im Mai auf ihn verübten Attentats zunehmend aggressiver geworden. „Die Bedrohung der Demokratie in der Slowakei und des internationalen Status unseres Staates veranlasst uns, Ihr politisches Verhalten und Ihren öffentlichen Auftritt zu kommentieren“, heißt es in dem Schreiben. Fico reagierte kurz darauf auf die Kritik.
Fico war am 15. Mai von einem Regierungsgegner mit mehreren Schüssen verletzt worden, als er nach einer Regierungssitzung in der Kleinstadt Handlova zu wartenden Anhängern ins Freie trat. Danach schwebte er mehrere Tage in Lebensgefahr. In einer Videobotschaft an die slowakische Bevölkerung hatte Fico im Juni die Opposition für das Attentat mitverantwortlich gemacht. Er selbst habee monatelang davor gewarnt, dass aufgrund des von der Opposition und ihr nahestehenden Medien geschürten Hasses ein Attentat auf einen Regierungspolitiker drohe.
„Ihr politisches Verhalten ist durch ein zunehmendes Maß an machtautoritärem Stil, Manipulation von Fakten, Lügen, Diffamierungen und Angriffen auf politische Gegner, Journalisten und Bürger, die mit Ihrer Politik nicht einverstanden sind, gekennzeichnet“, schreiben die Psychiater nun an Fico gewandt. Dabei schrecke er auch nicht vor Angriffen auf die Familien von Vertretern der Opposition zurück. Sie warfen dem Premierminister weiter vor, die zentralen Probleme des Staates wie die rückständige Infrastruktur, ein mangelhaftes Bildungssystem und Probleme im Gesundheitswesen zu ignorieren und die Festigung seiner eigenen Macht zu priorisieren.
Psychiater kritisieren Ukraine-Kurs: „Sie sind sich nicht sicher, wer der brutale Angreifer ist“
Auch an Ficos Kurs in der Ukraine-Politik stören sich die Psychiater, wie in dem Brief zu lesen ist. „Im Krieg Russlands mit der Ukraine sind Sie sich nicht sicher, wer der brutale Angreifer und wer das Opfer ist, das sich wehrt“, heißt es in dem Brief. Die Psychiater sagten, Fico schmälere die Rolle des demokratisch gewählten ukrainischen Präsidenten Wolodymyr Selenskyj und unterstütze offen den russischen Präsidenten Wladimir Putin, der für den Tod Zehntausender Menschen verantwortlich sei. Mit einer Reise nach Moskau für ein Treffen mit Kremlchef Putin hatte Fico auch heftige Kritik der EU und der Ukraine auf sich gezogen.
Mitte Januar hatten daraufhin auch Tausende Menschen in 15 Städten der Slowakei gegen die Ukraine-Politik des Ministerpräsidenten protestiert. Sie warfen Fico einen „Verrat“ an westlichen Bündnispartnern und dem von Russland angegriffenen Nachbarland Ukraine vor.

„Wir hoffen, dass Sie zur Selbstreflexion fähig sind und Ihr Verhalten ändern, andernfalls sollten Sie über einen Austritt aus der Spitzenpolitik nachdenken“, heißt es in dem Brief abschließend. Die Psychiater gaben zudem an, sich in ihrem Brief ausschließlich auf Verhaltensweisen des linkspopulistischen Regierungschefs zu beziehen, die sie in öffentlich zugänglichen Quellen beobachtet hätten.
Offener Brief an Fico: So reagiert der slowakische Premierminister
In einer ersten Reaktion auf den Brief schreibt Fico in einem Beitrag auf Facebook, die Initiatoren hätten „ihren Beruf grob für politische Zwecke missbraucht“ und den Respekt gegenüber einem Großteil der Bevölkerung verloren zu haben. Zudem warf er ihnen vor, „sich mit der Seite der slowakischen politischen Szene verbündet zu haben, die demokratische Grundlagen, also die Ergebnisse freier Parlamentswahlen, ablehnt“. Fico werde die zuständigen Berufsverbände „über das Verhalten der Autoren informieren“.


