Geopolitik

Schlagabtausch mit Selenskyj: Britischer Ex-Premier Johnson springt Trump zur Seite

Selenskyj nennt Trump ein Opfer russischer Desinformation. Der US-Präsident bezeichnet Selenskyj daraufhin als Diktator, der keine Wahlen abhalten will. Nun mischt auch Boris Johnson mit.

Boris Johnson
Boris JohnsonFrank Augstein/AP/dpa

Der frühere britische Premierminister Boris Johnson ruft dazu auf, die höchst umstrittenen Aussagen von US-Präsident Donald Trump zur Ukraine nicht zu wörtlich zu nehmen. Trumps Äußerungen seien seiner Meinung nach nicht dazu gedacht, historisch korrekt zu sein, sondern um die Europäer aufzurütteln und zum Handeln zu bewegen, schrieb der aus britischen Politik zurückgetretene 60-Jährige auf der Plattform X.

Johnson schrieb am Mittwoch auf X: „Wann hören wir Europäer endlich auf, uns über Donald Trump aufzuregen und beginnen, ihm zu helfen, diesen Krieg zu beenden? Natürlich hat die Ukraine den Krieg nicht begonnen. Man könnte genauso gut sagen, dass Amerika Japan in Pearl Harbor angegriffen hat“.

Trump bezeichnet Selenskyj als „Diktator“

In einer Pressekonferenz am Dienstag hatte US-Präsident Donald Trump die ukrainische Führung faktisch für die russische Invasion in der Ukraine verantwortlich gemacht. „Ihr hättet nie damit anfangen sollen“, sagte Trump und wiederholte mehrere Aussagen des Kreml über den Konflikt. Er warf Kiew vor, „einen Krieg zugelassen zu haben, den es nie hätte geben dürfen“, so der US-Präsident. Der ukrainische Präsident Wolodymyr Selenskyj bezeichnete daraufhin Trump als Opfer russischer Desinformation.

Am Mittwoch legte Trump nach und bezeichnete ihn auf seiner Onlineplattform Truth Social als „Diktator“, der sich weigere, Wahlen abzuhalten. Er fügte hinzu: „Selenskyj sollte sich besser beeilen, oder er wird kein Land mehr haben“.

Johnson nahm in seinem Post auch dazu Stellung: „Natürlich sollte ein Land, das einer gewaltsamen Invasion ausgesetzt ist, keine Wahlen abhalten. Von 1935 bis 1945 gab es in Großbritannien keine Parlamentswahlen“, so der frühere britische Premierminister. Selenskyjs Amtszeit war im Mai 2024 offiziell zu Ende gegangen, wegen des Kriegsrechts dürfen in der Ukraine derzeit aber keine Wahlen abgehalten werden.

Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) kritisierte es als „schlicht falsch und gefährlich“, dass Trump den ukrainischen Staatschef als „Diktator“ schmähte. Bundesaußenministerin Annalena Baerbock (Grüne) bezeichnete Trumps Äußerungen als „vollkommen absurd“. Sie warnte die US-Regierung davor, sich im Alleingang auf eine Regelung mit Russland zum Ende des Ukraine-Kriegs einzulassen.

Liegen Selenskyjs Umfragewerte tatsächlich bei vier Prozent?

Trump hatte zudem behauptet, Selenskyj habe in der ukrainischen Bevölkerung eine Zustimmungsrate von nur vier Prozent. Eine am Mittwoch veröffentlichte Umfrage des Kiewer Internationalen Institut für Soziologie attestierte Selenskyj allerdings 57 Prozent Zustimmung. Johnson bewertete auch diese Behauptungen: „Natürlich liegen Selenskyjs Umfragewerte nicht bei 4 %. Sie sind tatsächlich ungefähr gleich hoch wie die von Trump“.

Johnson war beim Kriegsausbruch 2022 noch Regierungschef, dann aber von dem Posten zurückgetreten. Im Folgejahr legte er auch sein Mandat im Unterhaus nieder, nachdem ein Untersuchungsausschuss zu dem Schluss gekommen war, dass er das Parlament hinsichtlich illegaler Partys im Regierungssitz während der Corona-Lockdowns in die Irre geführt hatte. Trump hatte für Johnson während seiner ersten Amtszeit mal die Bezeichnung „Britain Trump“ übernommen. (mit dpa)