Russische Invasion

Russland: USA bringen Menschheit neuem Weltkrieg näher

Die USA haben sich entschieden, der Ukraine Streumunition zu liefern. Der russische Botschafter in den USA, Anatoli Antonow, reagiert mit scharfen Worten. 

Überreste von Streumunition liegen an einer Räumungsstelle. 
Überreste von Streumunition liegen an einer Räumungsstelle. Sam Mednick/AP

Washington/Moskau-Russland hat die von den USA angekündigte Lieferung von Streumunition an die Ukraine als weitere Eskalation im Krieg bezeichnet. „Washington erhöht seinen Einsatz in dem Konflikt weiter“, sagte der russische Botschafter in den USA, Anatoli Antonow, nach Angaben des Außenministeriums in Moskau.

Auch ohne die Streumunition seien die USA tief verstrickt in den Konflikt und brächten „die Menschheit näher an einem neuen Weltkrieg“. Russland hatte die Ukraine Ende Februar 2022 überfallen, die USA unterstützen das angegriffene Land in seinem Verteidigungskampf.

Am Freitag hatten die USA angekündigt, die Ukraine mit Streumunition zu versorgen, die auch von Russland im Angriffskrieg eingesetzt wird. Die über dem Boden explodierenden Bomben verteilen Geschosse über größere Flächen. Weil oft viele davon nicht sofort explodieren, gelten sie wie Minen als Gefahr für Zivilisten auch in der Zeit nach einem Ende der Kampfhandlungen. Deutschland und 110 andere Staaten haben sie deswegen mit einem internationalen Abkommen geächtet, dem die USA, die Ukraine und Russland aber nicht beigetreten sind.

Die USA seien so besessen von der Idee, Russland eine Niederlage zuzufügen, dass sie die Schwere ihrer Handlungen nicht berücksichtigten, sagte Antonow. Die Lieferung von Streumunition sei eine „Geste der Verzweiflung“, mit der die USA und ihre Verbündeten ihre Impotenz an den Tag legten. Sie wollten nicht ihre eigenen Misserfolge einräumen bei der ukrainischen Gegenoffensive gegen die russischen Stellungen. „Deshalb begehen sie neuen Irrsinn.“

Anatoli Antonow, russischer Botschafter in den USA.
Anatoli Antonow, russischer Botschafter in den USA.Patrick Semansky/AP

Antonow: Washington missachtet Meinung seiner Verbündeten

Der Einsatz von Streumunition wird nach Darstellung Antonows die Zahl der Kriegsopfer erhöhen und den „Todeskampf des Kiewer Regimes“ nur verlängern. Washington missachte auch die Meinung seiner Verbündeten, die den Einsatz von „wahllos“ tötender Streumunition ablehnten.

Zugleich betonte Antonow, dass die Aufrüstung der Ukraine mit westlichen Waffen keinen Einfluss habe auf das „Erreichen der Ziele der militärischen Spezialoperation“. So nennt Moskau den Krieg offiziell. Zwar setzt Russland nach Angaben von Menschenrechtsorganisationen selbst Streumunition ein. Trotzdem warf der russische Diplomat Washington vor, die Warnungen etwa von Experten und Menschenrechtlern vor einem solchen „inhumanen Schritt“ zu ignorieren. Es werde die Schuld der USA sein, dass nicht explodierte Sprengkörper Zivilisten viele Jahre gefährdeten.

Nato hat keine einheitliche Meinung zu Streumunition

Nato-Generalsekretär Jens Stoltenberg sagte in Brüssel, die Militärallianz habe keine einheitliche Haltung zum Thema Streumunition. „Streumunition wird im Ukraine-Krieg bereits auf beiden Seiten eingesetzt“, betonte Stoltenberg. Es gebe jedoch einen deutlichen Unterschied: Russland nutze sie in seinem „brutalen Angriffskrieg“ zur Invasion, während die Ukraine zur Selbstverteidigung darauf zurückgreife.

Die Streumunition sei als „Brücke“ gedacht, um den derzeitigen Mangel an Artilleriemunition zur Verteidigung gegen russische Angriffe und zur Fortsetzung der ukrainischen Gegenoffensive auszugleichen, hatte dazu der Nationale Sicherheitsberater von US-Präsident Joe Biden, Jake Sullivan, gesagt. Die Ukraine habe schriftlich versichert, dass die Streumunition „sehr vorsichtig“ eingesetzt werde, um „jedes Risiko für Zivilisten zu minimieren“.

UN-Generalsekretär António Guterres kritisierte die Entscheidung der USA, der Ukraine Streumunition zu liefern. Guterres wolle nicht, „dass weiterhin Streumunition auf dem Schlachtfeld eingesetzt wird“, erklärte ein Sprecher Guterres am Freitag kurz nach Bekanntgabe der Entscheidung durch die US-Regierung. 

Die Bundesregierung wollte die Entscheidung der US-Regierung zur Streumunition am Freitag nicht kritisieren. „Wir sind uns sicher, dass sich unsere US-Freunde die Entscheidung über eine Lieferung entsprechender Munition nicht leicht gemacht haben“, sagte Regierungssprecher Steffen Hebestreit vor der offiziellen Verkündung aus Washington. Zugleich wies er darauf hin, dass Deutschland dem Oslo-Übereinkommen beigetreten ist. Insofern sei „die Haltung der Bundesregierung, was diese Waffen betrifft, ausreichend dokumentiert“.

Grünen-Politiker Hofreiter gegen Streumunition für Ukraine

Europapolitiker Anton Hofreiter (Grüne) geht die Entscheidung der USA zu weit. „Die Lieferung von Streumunition lehne ich ab. Sie ist zurecht geächtet“, sagte Hofreiter der Deutschen Presse-Agentur. Der Vorsitzende des Europaausschusses im Bundestag forderte stattdessen die Lieferung deutscher Marschflugkörper an die Ukraine und eine Unterstützung der von Dänemark und den Niederlanden geführten Kampfjet-Allianz mit Logistik und Ausbildung.

Den Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) forderte Hofreiter auf, beim bevorstehenden Nato-Gipfel klare Ansagen dazu zu machen. „Es ist wichtig, dass Scholz beim Nato-Gipfel ein Zeichen mit Blick auf die Waffenlieferungen setzt - insbesondere aufgrund der schwierigen Lage an der Front“, sagte er. „Nachdem wir so lange gezögert und somit ermöglicht haben, dass die russische Armee die Front so schwer befestigt, sollten wir daraus lernen und schneller werden.“