Ukrainekrieg

Russlands Waffenlager aus Sowjetzeiten nahezu leer – Nordkorea füllt die Lücke

Russlands Vorräte sowjetischer Waffen sind nahezu aufgebraucht. Laut einer neuen Analyse hängt Moskau nun von nordkoreanischer Munition und chinesischen Komponenten ab.

Moskau: Russische T-80-Panzer fahren auf dem Roten Platz anlässlich der Feierlichkeiten zum 80. Jahrestag des Sieges der Sowjetunion über Nazi-Deutschland im Zweiten Weltkrieg.
Moskau: Russische T-80-Panzer fahren auf dem Roten Platz anlässlich der Feierlichkeiten zum 80. Jahrestag des Sieges der Sowjetunion über Nazi-Deutschland im Zweiten Weltkrieg.Ilya Pitalev/AP/dpa

Eine neue Analyse des Kyiv School of Economics (KSE) zeigt, dass Russland seine sowjetischen Waffenbestände im Ukrainekrieg nahezu aufgebracht hat. Die Logistikdaten belegen einen Rückgang der Transporte aus Militärdepots entlang der Frontlinie – von einem Höchstwert von 242.000 Tonnen im Jahr 2022 auf rund 119.000 Tonnen im Jahr 2025.

Analyst Pavlo Shkurenko vom KSE-Institut sieht im Rückgang der Transporte ein klares Zeichen für aufgebrauchte Reserven: „Derzeit wird weniger Material zur Instandsetzung geschickt, als die Reparaturstationen eigentlich verarbeiten könnten“, sagte er der Financial Times. Die hochwertigeren und leichter instandsetzbaren Geräte seien demnach bereits zu Beginn des Krieges mobilisiert worden. Inzwischen greift Russland auf veraltete Panzer wie die T‑72 und T‑80 zurück – sowie sogar auf T‑54-Panzer, die noch aus den späten 1940er-Jahren stammen.

Der Rückgriff auf die alten Modelle deutet laut Shkurenko auf den fortschreitenden Ressourcenmangel hin. Viele dieser Fahrzeuge galten bereits als veraltet oder ausgemustert – und werden nun dennoch reaktiviert. Das zeigt: Die nutzbaren Reserven aus sowjetischer Zeit sind weitgehend aufgebraucht, übrig bleibt nur noch schwer modernisierbares Altmaterial.

Militäranalyst Franz‑Stefan Gady warnt gegenüber der Financial Times allerdings vor voreiligen Schlussfolgerungen: Der Rückgang der Materiallieferungen bedeute nicht zwingend einen Verlust der Kampfkraft. Russland habe seine Taktik angepasst und investiere massiv in den Aufbau neuer Vorräte.

Berichte: Nordkorea liefert 40 bis 70 Prozent der russischen Munition

Um die eigenen Vorräte zu ersetzen, hat Russland seine Abhängigkeit von externen Unterstützern wie Nordkorea deutlich ausgeweitet. Laut KSE stammten 2024 rund 52 Prozent der in Russland eingegangenen explosiven Materialien aus dem ostasiatischen Land – insgesamt 250.000 Tonnen. Das deckt sich mit der Einschätzung des ukrainischen Militärgeheimdienstchefs Kyrylo Budanov, der Nordkoreas Beitrag laut Financial Times auf etwa 40 Prozent der russischen Munition beziffert.

Quellen von The Guardian und Business Insider gehen sogar von bis zu 70 Prozent aus – also bis zu knapp sechs Millionen Artilleriegeschossen. Auch ballistische Raketen vom Typ Hwasong‑11 und schweres Artilleriegeschütz wie der M‑1978/Koksan werden erwähnt.

China und Iran als Lieferanten – Russland unter Druck

Während Nordkorea vor allem Munition liefert, liefert China eher wichtige Komponenten und Maschinen – und damit indirekt lebenswichtige Unterstützung für die russische Rüstungsproduktion. Der Warentransfer aus chinesischen Grenzregionen in Richtung russischer Rüstungswerke hat sich seit 2021 nahezu verdoppelt Financial Times.

Über den Hafen von Nakhodka – mit 250.000 Tonnen Lieferungen im Jahr 2024 – sei ein großer Teil der nordkoreanischen Lieferungen abgewickelt worden. Zudem könnten rund 13.000 Tonnen Explosivmaterial aus dem Iran stammen, wie Logistikspuren nahe dem Kaspischen Meer zeigen.

Folgen für den Kriegsverlauf

Die Ergebnisse der KSE-Analyse zeigen: Russland kann sich nicht mehr auf seine sowjetischen Waffenreserven verlassen. Stattdessen ist die Abhängigkeit von Nordkorea – und zunehmend auch von China und dem Iran – deutlich gewachsen. Das steht im Widerspruch zu dem Bild strategischer Unabhängigkeit, das Moskau nach außen hin vermittelt.

Militäranalyst Gady meint, Nordkorea ermögliche Russland höhere Schussraten an der Front – während hochwertigere Munition aus russischer Produktion für mögliche künftige Konflikte mit Nato-Staaten zurückgehalten werde.