Ukrainekrieg

Ukraine evakuiert Dörfer bei Sumy: Sorge vor neuer russischer Offensive

Seit Monaten reißen die Kämpfe zwischen ukrainischen und russischen Truppen in den Grenzregionen Sumy und Kursk nicht ab. Kommt es zu einer neuen Großoffensive?

Ukrainische Rettungskräfte leistet einer älteren Frau Hilfe, die nach einem russischen Angriff in der Region Sumy aus den Trümmern eines Hauses gerettet wurde.
Ukrainische Rettungskräfte leistet einer älteren Frau Hilfe, die nach einem russischen Angriff in der Region Sumy aus den Trümmern eines Hauses gerettet wurde.State Emergency Service of Ukraine

Trotz möglicher neuer Waffenruhe-Gespräche mit Russland bereitet sich die Ukraine auf eine russische Großoffensive in ihrer Grenzregion Sumy vor. Als Reaktion auf „die ständige Gefahr für das Leben der Zivilbevölkerung aufgrund der Bombardierung der Grenzgemeinden“ seien elf weitere Dörfer in Sumy evakuiert worden, erklärte die Regionalverwaltung am Samstag. Unterdessen wurden bei russischen Luftangriffen im Süden der Ukraine nach ukrainischen Angaben mindestens acht Menschen getötet.

Der Reporter der Berliner Zeitung Lukas Moser berichtet aus Sumy, die Lage habe sich weiter verschärft. Zwar seien keine größeren Geländegewinne der russischen Streitkräfte sichtbar, jedoch gehe ihr Vormarsch kontinuierlich voran. Erst kürzlich sei eine weitere Siedlung in der Region Sumy unter russische Kontrolle geraten, heißt es von russischen Militärs vor Ort. Als Reaktion habe Kiew zusätzliche Evakuierungen angeordnet, so Moser weiter.

Mit den neuen Evakuierungsmaßnahmen in Sumy erhöht sich nach ukrainischen Angaben die Zahl der in der Region geräumten Ortschaften auf bereits 213. Der ukrainische Präsident Wolodymyr Selenskyj hatte am Mittwoch erklärt, dass Russland mehr als 50.000 Soldaten in die Region verlegt habe. Selenskyj warnte vor einer großen Offensive.

Sumy: Befürchtete Großoffensive nach Rückeroberung von Kursk

Russland greift die Grenzregion Sumy wieder verstärkt an, seitdem die ukrainische Armee in den vergangenen Monaten nach Moskauer Angaben aus der benachbarten russischen Region Kursk vertrieben worden war. Die Ukraine hatte im vergangenen Jahr in Kursk eine Überraschungsoffensive begonnen, die russischen Streitkräfte eroberten daraufhin jedoch nach und nach das Territorium zurück.

Ein Sprecher des ukrainischen Grenzschutzes sagte am Donnerstag, Russland sei bereit, einen „Angriff auf Sumy zu versuchen“. Das russische Verteidigungsministerium verkündete am Samstag die Einnahme des Dorfes Wodolagy in der Region Sumy. Außerdem sei die Ortschaft Nowopil in der östlichen Region Donezk eingenommen worden, teilte das Ministerium mit.

Retter bergen die Leichen von Fahrgästen, nachdem eine russische Drohne einen Passagierbus in der Region Sumy getroffen hat.
Retter bergen die Leichen von Fahrgästen, nachdem eine russische Drohne einen Passagierbus in der Region Sumy getroffen hat.Ukrainian Emergency Service

Mögliche Großoffensive zur Schaffung einer Pufferzone?

Laut dem Kommandanten der ukrainischen Landstreitkräfte, Oleksandr Sirski, konzentrierten sich die russischen Angriffe auf mehrere Ortschaften in der Region Donezk und „Teile der Region Sumy“. Auch in der weiter südlich gelegenen Region Saporischschja verstärkten die russischen Streitkräfte ihre Angriffe.

Im Laufe der Woche hatten russische Truppen eigenen Angaben zufolge bereits mehrere Ortschaften in Sumy eingenommen. Es wird vermutet, dass sie versuchen, eine Pufferzone zu schaffen, um ukrainische Übergriffe auf russisches Staatsgebiet - wie im vergangenen Sommer in Kursk geschehen - zu verhindern.

Die diplomatischen Bemühungen, den Krieg zu beenden, waren in den vergangenen Wochen zwar verstärkt worden. Das erste direkte Treffen zwischen Vertretern Russlands und der Ukraine seit drei Jahren Mitte Mai in Istanbul erbrachte jedoch keine Fortschritte in Richtung einer Waffenruhe. Es wurde lediglich ein großer Gefangenenaustausch vereinbart, der bereits stattgefunden hat.

Friedensverhandlungen: Kommt es am Montag zu Gesprächen zwischen Russland und der Ukraine?

Die Bemühungen um ein Ende des Ukrainekriegs gehören auch zu den zentralen Themen beim Besuch von Bundeskanzler Friedrich Merz (CDU) bei US-Präsident Donald Trump im Weißen Haus. Die Bundesregierung kündigte den Antrittsbesuch in Washington für kommenden Donnerstag an.

Für Montag hatte der Kreml ein zweites direktes Treffen in Istanbul vorgeschlagen. Die Ukraine hat sich grundsätzlich zu einem erneuten Treffen bereit erklärt, will aber vorher die russischen Bedingungen für ein Friedensabkommen erfahren.

Selenskyj kritisierte am Samstag, der russische Vorstoß wirke „nicht sehr seriös“. Die russische Delegation in der Türkei soll erneut vom früheren Kulturminister Wladimir Medinski angeführt werden, der nicht als hochranging oder einflussreich gilt.

Am Freitag hatte Selenskyj Moskau vorgeworfen, eine versprochene Liste mit Bedingungen für einen Frieden in der Ukraine zurückzuhalten. „Seit über einer Woche sind die Russen nicht in der Lage, dieses sogenannte ‚Memorandum‘ vorzulegen“, schrieb Selenskyj im Onlinedienst X.