Der Präsident des Arbeitgeberverbandes Gesamtmetall, Stefan Wolf, hat sich für eine schrittweise Anhebung des Rentenalters auf 70 Jahre ausgesprochen. „Schaut man sich die demografische Entwicklung und die Belastungen der Sozial- und Rentenkassen an, dann sind die Reserven aufgebraucht“, sagte Wolf den Zeitungen der Funke Mediengruppe am Montag.
Von Gewerkschaften und Sozialverbänden kam umgehend Protest. Der Deutsche Gewerkschaftsbund (DGB) stellte dem Vorschlag ein „klares Nein“ entgegen. Eine Erhöhung des Rentenalters sei „nichts anderes als eine Rentenkürzung mit Ansage“, erklärte Vorstandsmitglied Anja Piel. „Viele Beschäftigte schaffen es schon heute nicht, gesund bis zur Rente durchzuhalten.“
IG-Bau-Chef: Viele Arbeitnehmer schon mit 50 „körperlich am Ende“
„Länger arbeiten belastet die Gesundheit der Beschäftigten, die schon heute unter Stress und hoher Arbeitsdichte leiden“, sagte Hans-Jürgen Urban, geschäftsführendes Vorstandsmitglied der IG Metall, den Funke-Zeitungen. Viel Luft nach oben gebe es für die Arbeitgeber, die Arbeitsbedingungen so zu verbessern, dass mehr Beschäftigte gesund die Regelaltersgrenze erreichten.
Auch der IG-Bau-Bundesvorsitzende Robert Feige fand klare Worte: „Ein Großteil der Bauarbeiter ist bereits mit Ende 50 körperlich am Ende und muss vorzeitig in Rente gehen. Für Dachdecker ist die Rente mit 70 ein Albtraum. Ebenso für Zimmerer, Gerüstbauer, Betonbauer oder Eisenflechter. Aber auch Gebäudereinigerinnen und Fensterputzer sind körperlich oft einfach früher am Ende.“ Feiger warf Wolf vor, das Vertrauen in die gesetzliche Rentenversicherung zu erschüttern.
Dietmar Bartsch: Rente mit 70 ist „unsozialer Bullshit“
Statt lebensferne Überlegungen zum Rentenalter anzustellen, müsse die Rentenfinanzierung auf eine breitere Basis gestellt werden, forderte die Präsidentin des Sozialverbands VdK, Verena Bentele. „Perspektivisch müssen alle dort einzahlen – neben Angestellten auch Beamte, Selbstständige und Politiker“, so Bentele. „Eine solche ‚Rente für alle‘ stärkt das System und führt zu mehr Gerechtigkeit. Vorbilder wie die Pensionskasse in Österreich zeigen, dass dieser Weg funktioniert.“
Auch Linken-Fraktionschef Dietmar Bartsch äußerte seine Missbilligung zum Vorstoß des Gesamtmetallchefs. Vorschläge einer Rente ab 70 und einer 42-Stunden-Woche in Deutschland seien „unsozialer Bullshit“. Dem schloss sich neben vielen anderen auch Parteikollege Fabio De Masi an, der auf Twitter spottete: „Früher galt es noch als strafbar Rentnern aufzulauern und ihnen in die Geldbörse zu greifen.“
Früher galt es noch als strafbar Rentnern aufzulauern und ihnen in die Geldbörse zu greifen. Heutzutage gehört dieser Enkeltrick zum guten Ton auf dem Oberdeck! https://t.co/JGFfbq0Vbh
— Fabio De Masi 🦩 (@FabioDeMasi) August 1, 2022
Bundesregierung schließt weitere Erhöhung des Rentenalters aus
Die Ampel-Parteien haben in ihrem Koalitionsvertrag eine weitere Erhöhung des gesetzlichen Renteneintrittsalters ausgeschlossen. Dieses wird seit 2012 schrittweise angehoben und liegt für die Jahrgänge ab 1964 bei 67 Jahren.



