Warschau-Wenige Tage nach Bekanntwerden eines Haftbefehls gegen einen Ukrainer im Fall der Pipeline-Sabotage in der Ostsee hat sich der polnische Regierungschef Donald Tusk am Samstag zu Nord Stream geäußert. „An alle Initiatoren und Schirmherren von Nord Stream 1 und 2: Das einzige, was ihr jetzt tun solltet, ist euch entschuldigen und still sein“, schrieb Tusk auf der Online-Plattform X. Viele Nutzer interpretierten dies so, dass Donald Tusk seine Nachricht unter anderem an deutsche Medien, Regierungsmitglieder und Politiker gerichtet habe, die Polen implizit oder explizit beschuldigen, an der Nord-Stream-Sabotage beteiligt gewesen zu sein.
To all the initiators and patrons of Nord Stream 1 and 2. The only thing you should do today about it is apologise and keep quiet.
— Donald Tusk (@donaldtusk) August 17, 2024
Holger Stark, Autor bei der Wochenzeitung Die Zeit, der seit längerem zu Nord Stream recherchiert und vor kurzem die Theorie lanciert hat, dass Polen das Festsetzen eines ukrainischen Staatsbürgers, der möglicherweise die Sabotage organisiert hat, behindert haben könnte, zeigte sich durch die Worte Tusks auf X irritiert. Holger Stark schrieb auf X: „Wow. Was für eine Nachricht von Polens Regierungschef in Richtung der deutschen Bundesregierung: Haltet die Klappe und geht weg. Fragt uns nicht, den Mann auszuliefern, der Nord Stream gesprengt hat. Und kritisiert uns nicht, dass wir ihn haben flüchten lassen. Das hat das Potential, die deutsch-polnischen Beziehungen bedeutend zu verschlechtern.“
Wow. A message from Poland‘s head of gov in the face of the German gov: shut up and go away. Don‘t ask us to extradite the man who blew up #Nordstream. And don‘t criticize us that we let him slip away.
— Holger Stark (@holger_stark) August 17, 2024
This has the potential to worsen significantly the German-Polish relationship. https://t.co/KlkLoqXfEs
Mehrere Sprengungen hatten die beiden Gaspipelines Nord Stream 1 und 2 Ende September 2022 beschädigt und unterbrochen. Zu den Tätern und den Drahtziehern kursierten lange unterschiedliche Spekulationen. Das russisch-deutsche Projekt war politisch höchst umstritten – nicht erst, als Russland im Februar 2022 die Ukraine angriff. Polen lehnte den Bau der Nord-Stream-2-Pipeline stets ab.
Polen war stets gegen Nord Stream
Der Leiter des nationalen Sicherheitsbüros in Warschau, Jacek Siewiera, kommentierte Tusks Botschaft auf X mit den Worten: „Schlechte Nachricht für die Angesprochenen: In Polen gibt es einen felsenfesten Konsens über diese Angelegenheit.“ Dazu fügte er einen zwinkernden Smiley hinzu. Damit muss er gemeint haben, dass alle politischen Lager in Polen Gegner von Nord Stream waren und sind.
Am Mittwoch war bekannt geworden, dass die polnische Staatsanwaltschaft von der Bundesanwaltschaft einen Europäischen Haftbefehl zur Festnahme des Verdächtigen erhalten hat, der sich zuletzt in Polen aufgehalten, aber sich von dort aus in sein Heimatland abgesetzt haben soll. Nach Bekanntwerden des Haftbefehls und der Ausreise des Tatverdächtigen kam in Deutschland die Frage auf, ob die polnischen Behörden ausreichend bei der Aufklärung des Sabotageakts kooperierten.
Polen sei an Sprengung nicht beteiligt gewesen
Die polnische Presse hat die neuen Medienberichte rund um mögliche Schuldige der Nord-Stream-Sabotage breit kommentiert und analysiert. Die linksliberale Tageszeitung Gazeta Wyborcza schrieb am Samstag, dass deutsche und amerikanische Berichte darauf hinweisen würden, wonach es eine Beteiligung Polens bei der Gaspipeline-Sprengung geben könnte. Zitiert wurde August Hanning, der zwischen 1998 und 2005 Chef des BND war, wie er in der Tageszeitung Die Welt behauptet hat, dass es eine Absprache zwischen Selenskyj und Andrzej Duda, dem polnischen Präsidenten, über die Sprengung gegeben haben muss.
Der Vize-Ministerpräsident Polens, Krzysztof Gawkowski, wies laut Gazeta Wyborcza solche Anschuldigungen zurück. Polen sei an den Sprengungen nicht beteiligt gewesen, dies sei russische Desinformation. Mit solchen Behauptungen wolle man nur die Nato entzweien. Alle Probleme mit Nord Stream hätten ihre Wurzeln in Moskau, so Gawkowski. Er sagte außerdem, dass sich Polen zu den Angriffen nicht bekennen und auch keine Entschädigungen zahlen würde.
