Gegen den vor fast 40 Jahren verstorbenen Gründer von SOS-Kinderdorf, den Österreicher Hermann Gmeiner, gibt es schwere Missbrauchsvorwürfe. Es lägen glaubhafte Vorwürfe zu sexuellen und physischen Übergriffen vor, sagte eine Sprecherin von SOS-Kinderdorf Österreich laut der Deutschen Presse-Agentur.
Die Übergriffe sollen zwischen den 1950er und den 1980er Jahren an vier Kinderdorf-Standorten in Österreich stattgefunden haben, hieß es in einer Erklärung der Organisation. Demnach betreffen die Anschuldigungen acht männliche Kinder und Jugendliche.
Die acht Betroffenen hätten in den Jahren 2013 bis 2023 ein Opferschutzverfahren durchlaufen und eine Entschädigungszahlung und Therapieeinheiten erhalten, hieß es. Es sei „nicht auszuschließen“, dass im Zuge der Aufarbeitung weitere Fälle auftauchen, sagte die Sprecherin.
SOS Kinderdorf Österreich plant „umfassenden Neustart“
Den Anschuldigungen gegen den 1986 verstorbenen Gründer Gmeiner war SOS-Kinderdorf Österreich in einer internen Untersuchung nachgegangen. „Die Betroffenen haben die Geschehnisse im Rahmen des Opferschutzverfahrens plausibel dargelegt“, sagte die neue Geschäftsführerin Annemarie Schlack der österreichischen Nachrichtenagentur APA.
SOS-Kinderdorf Österreich steht wegen Vorwürfen des sexuellen Missbrauchs und der Misshandlungen von Kindern seit September massiv unter Druck. Damals hatte die Wochenzeitung „Falter“ über Gewaltvorwürfe gegen das SOS-Kinderdorf in Moosburg in Kärnten berichtet. Anfang Oktober entband die Organisation wegen der Vorwürfe ihren langjährigen Geschäftsführer Christian Moser von seinen Funktionen.
SOS Kinderdorf war 1949 von Gmeiner zunächst noch unter dem Namen Societas Socialis gegründet worden, bevor die Organisation später umbenannt wurde. Von Österreich aus breitete sich die Organisation in die ganze Welt aus, global ist sie unter dem Dach von SOS Kinderdorf International organisiert. Die Organisation hat Zentren und Programme in mehr als 130 Ländern und betreut vor allem Kinder.
In Österreich galt Gmeiner bislang als „Pionier der Menschlichkeit“. Laut der Website der Organisation erhielt er 146 Auszeichnungen. In Österreich wurden zudem zahlreiche Schulen, Straßen und Parks nach ihm benannt. SOS Kinderdorf Österreich plant nun einen „umfassenden Neustart“, wie Geschäftsführerin Schlack der APA sagte. Schon kommendes Jahr solle die Organisation „anders aussehen als heute“. Zudem solle es „eine vollständige Aufarbeitung“ aller Gewaltvorwürfe geben.

