Im europäischen Vergleich erhalten ukrainische Flüchtlinge nur in Belgien höhere Sozialleistungen als in Deutschland. Nach Recherchen von T-Online zahlt Belgien monatlich rund 1100 Euro an alleinstehende Ukrainer – mehr als das deutsche Bürgergeld, das inklusive Miet- und Heizkostenzuschüssen durchschnittlich bei 954 Euro liegt.
In anderen Ländern wie Norwegen (670 Euro plus Wohnbeihilfen), Frankreich (426 Euro) oder den Niederlanden (384 Euro) fallen dem Bericht zufolge die Hilfen deutlich niedriger aus. Österreich zahlt demnach bis zu 260 Euro monatlich, ergänzt um Mietzuschüsse von maximal 165 Euro. In Schweden erhalten ukrainische Flüchtlinge ein Tagesgeld, das umgerechnet etwa 180 Euro im Monat beträgt. Polen gewährt keine dauerhaften Geldleistungen, sondern lediglich eine einmalige Starthilfe von rund 70 Euro.
„Bürgergeld für Ukrainer beenden“ – Söders Forderung im ZDF-Interview
Diese Zahlen gewinnen vor dem Hintergrund der politischen Debatte in Deutschland an Brisanz. CSU-Chef Markus Söder forderte im ZDF-„Sommerinterview“, ukrainischen Flüchtlingen künftig kein Bürgergeld mehr zu gewähren, sondern nur noch Leistungen nach dem Asylbewerberleistungsgesetz. Dort liegen die monatlichen Zahlungen für Alleinstehende bei 441 Euro.
Söder begründete seine Forderung mit den wirtschaftlichen Herausforderungen durch neue US-Zölle auf europäische Exporte. Die Ampel-Koalition müsse ihre Sozialpolitik anpassen, so der bayerische Ministerpräsident. „Die wirtschaftliche Lage hat sich verändert. Wir brauchen ein Update, was nötig ist“, sagte Söder.
Wer arbeiten kann, muss auch arbeiten – das gilt für alle. Bürgergeld darf kein Dauerzustand sein, auch nicht für Ukrainer. Deutschland braucht klare Regeln und mehr Fairness auf dem Arbeitsmarkt. #sommerinterview pic.twitter.com/90J9TKf1Op
— Markus Söder (@Markus_Soeder) August 3, 2025
Bürgergeld-Stopp? Söders Vorstoß trifft auf Koalitionswiderstand
Hintergrund von Söders Forderung sind die aktuellen Bürgergeld-Ausgaben. Laut Bundesarbeitsministerium zahlte der Staat im Jahr 2024 rund 46,9 Milliarden Euro für Bürgergeld – rund vier Milliarden Euro mehr als im Vorjahr. Darunter fallen auch mehrere Hunderttausend Ukrainerinnen und Ukrainer sowie deren Kinder, die seit 2022 vor dem russischen Angriffskrieg geflüchtet sind. An sie flossen im Jahr 2024 rund 6,3 Milliarden Euro.
Söders Vorstoß, Flüchtlinge aus der Ukraine künftig nur noch Asylbewerberleistungen zu gewähren, stößt bei der SPD auf Widerstand. Sozialministerin Bärbel Bas (SPD) kommentierte den Vorschlag nicht. Eine Sprecherin des Ministeriums verwies lediglich auf den Koalitionsvertrag. Dieser sieht vor, dass nur ukrainische Geflüchtete, die ab dem 1. April 2025 nach Deutschland kommen, in das Asylbewerberleistungssystem überführt werden. Für alle anderen bleibt es beim Bürgergeld.

Die Arbeiten an einem entsprechenden Gesetzentwurf laufen laut Ministerium seit Mai. Man arbeite „zügig und mit der gebotenen Sorgfalt“ daran. Insgesamt werde die geplante Reform laut Ministerium auch Einsparungen bringen – jedoch weniger umfassend, als Söder es nun fordert.
SPD: Söders Vorschlag bringt kaum Einsparungen, aber mehr Bürokratie
SPD-Fraktionsgeschäftsführer Dirk Wiese wies Söders Forderung entschieden zurück. Die erhofften Einsparungen seien übertrieben, während der Verwaltungsaufwand für die Kommunen stark steigen würde. „Das wäre einzig und allein das Prinzip ‚rechte Tasche, linke Tasche‘“, sagte Wiese der Deutschen Presse-Agentur. Stattdessen sollten sich die Jobcenter auf die Vermittlung von Geflüchteten in Arbeit konzentrieren.
Aktuell liegt das Bürgergeld für Alleinstehende bei 563 Euro im Monat, Asylbewerberleistungen bei 441 Euro. Hinzu kommen in beiden Fällen Zuschüsse für Miete und Heizung – Kosten, die durch den angespannten Wohnungsmarkt und hohe Energiepreise zusätzlich steigen.
Ukrainer haben automatisch Anspruch auf Bürgergeld
Aktuell haben ukrainische Flüchtlinge in Deutschland automatisch Anspruch auf Bürgergeld. Neben den Regelsätzen umfasst dies auch Zugang zur gesetzlichen Krankenversicherung sowie Zuschüsse für Unterkunft, Heizung und besondere Bedarfe (zum Beispiel Schwangerschaft, Alleinerziehende).
Die Beschäftigungsquote unter den rund 930.000 erwerbsfähigen ukrainischen Geflüchteten in Deutschland lag im Mai 2025 bei 34,9 Prozent – ein Wert, der laut Söder durch eine Reform der Sozialleistungen verbessert werden soll. In osteuropäischen Ländern wie Polen oder Tschechien sind rund zwei Drittel der ukrainischen Flüchtlinge bereits in den Arbeitsmarkt integriert.
Zwischen Einsparplänen und Koalitionsvertrag droht die Debatte um das Bürgergeld für Ukrainer zum nächsten großen Sozialstreit zu werden.


