- Ukrainische Gegenoffensive geht voran: 7 Orte befreit und 90 Quadratkilometer wieder unter ukrainischer Kontrolle.
- Russland greift in der Nacht zu Dienstag zivile Gebäude in Selenskyjs Heimatstadt an – Behörden melden am Dienstagmittag 10 Tote und 28 Verletzte.
- Iran und Russland wollen laut einem US-Bericht eine Drohnenfabrik östlich von Moskau bauen.
- Russisches Verteidigungsministerium behauptet, deutsche Leopard-Panzer und US-amerikanische Bradley-Kampffahrzeuge erbeutet zu haben.
Dienstag, 13. Juni
Lukaschenko: Für Atomwaffeneinsatz genügt ein Anruf bei Putin
Der Machthaber in Belarus, Alexander Lukaschenko, hat dem Westen mit dem Einsatz von Atomwaffen gedroht. Im Kriegsfall könne er dazu jederzeit Russlands Präsident Wladimir Putin anrufen, sagte Lukaschenko am Dienstag im russischen Fernsehen. „Was soll das für ein Problem sein, so einen Schlag abzustimmen? Das ist überhaupt keine Frage.“ Putin hatte im März die Stationierung russischer Atomwaffen in Belarus angekündigt. Diese blieben aber unter Kontrolle Russlands, versicherte der Kremlchef.
Die Atomwaffen würden gebraucht, um Belarus vor einem Angriff zu schützen. Seit Jahren versuche der Westen, das Land auseinander zu reißen, behauptete Lukaschenko. Doch mit Atomwaffen sei Belarus nicht mehr angreifbar. „Die Bomben sind dreimal so leistungsstark wie die Bomben in Hiroshima und Nagasaki“, sagte der seit 1994 in Minsk herrschende 68-Jährige. „Etwa eine Million Menschen stirbt sofort. Gott bewahre uns davor, diese Waffe einzusetzen“, sagte Lukaschenko.
Putin: Keine Pläne für Mobilmachung oder Kriegsrecht in Russland
Russlands Präsident Wladimir Putin hat die Verhängung des Kriegsrechts in Russland oder eine neue Mobilmachung als unnötig bezeichnet. „Im ganzen Land irgendein besonderes Regime wie das Kriegsrecht auszurufen, macht überhaupt keinen Sinn, es gibt heute keine Notwendigkeit dafür“, sagte er am Dienstag bei einem Treffen mit Militärkorrespondenten. Die Frage war wegen des zunehmenden Beschusses der russischen Region Belgorod an der Grenze zur Ukraine aufgetaucht. Laut Putin dienten die Angriffe von ukrainischer Seite der Ablenkung, um Russland zu zwingen, Militär von der Front dorthin abzuziehen. Derzeit seien keine ukrainischen Soldaten mehr dort.
Auch eine neue Welle der Mobilmachung ist in Russland nach Angaben des Kremlchefs nicht notwendig. Er begründete dies mit der angeblich hohen Zahl an Freiwilligen, die sich bei der Armee bewürben. Seit Januar hätten mehr als 150.000 Russen einen Vertrag als Zeitsoldat beim Militär unterzeichnet, sagte Putin.
US-Regierung kündigt weitere Ukraine-Militärhilfe an
Die US-Regierung stellt der Ukraine weitere Militärhilfen zur Abwehr des russischen Angriffskrieges zur Verfügung. Das Verteidigungsministerium kündigte am Dienstag in Washington ein neues Paket mit militärischer Ausrüstung im Umfang von 325 Millionen US-Dollar (rund 301 Millionen Euro) an. Darin enthalten sind nach Pentagon-Angaben unter anderem Munition für diverse Waffensysteme, die die USA bereits an die Ukraine geliefert haben, darunter Flugabwehrsysteme vom Typ Stinger, Munition für Artillerie und die Mehrfachraketenwerfer vom Typ Himars sowie Ausrüstung für sichere Kommunikation, gepanzerte Fahrzeuge und Ersatzteile.
Die Vereinigten Staaten gelten als wichtigster Verbündeter der Ukraine im Abwehrkampf gegen die russische Invasion und stellten in den vergangenen Monaten in rasanter Abfolge Pakete mit militärischer Ausrüstung in gewaltigem Umfang bereit. Nach Pentagon-Angaben haben die USA seit dem Kriegsbeginn Ende Februar 2022 militärische Hilfe im Umfang von rund 40 Milliarden US-Dollar (rund 37 Milliarden Euro) für Kiew bereitgestellt oder zugesagt.
Putin: Riesige Verluste der Ukraine und westliche Technik zerstört
Russlands Präsident Wladimir Putin hat von katastrophalen Verlusten für die Ukraine bei deren Gegenoffensive gesprochen. „Meiner Berechnung nach hat die Ukraine 25 bis 30 Prozent der vom Ausland gelieferten Technik verloren“, sagte er am Dienstag bei einem Treffen mit russischen Militärkorrespondenten. Zudem seien die Verluste der Ukrainer zehnmal höher als auf russischer Seite. „Nicht an einem Frontabschnitt hat der Gegner Erfolg gehabt“, so Putin. Kiew hatte zuvor die Rückeroberung mehrerer Siedlungen im Süden des Landes gemeldet.
Laut dem Kremlchef handelt es sich bei den ukrainischen Verlusten zur Hälfte um Gefallene und Schwerverletzte, die nicht wieder einsatzfähig gemacht werden könnten. Zahlen wollte er nicht nennen. Er verwies stattdessen auf das Verteidigungsministerium in Moskau. Konkret wurde er immerhin bei den Kampf- und Schützenpanzern. Während ihrer Offensive habe die Ukraine über 160 Kampfpanzer und mehr als 360 gepanzerte Fahrzeuge verloren, sagte er. Die eigenen Verluste bezifferte er auf 54 Panzer, wobei ein Teil davon wieder repariert werden könne.
Die Angaben lassen sich nicht unabhängig überprüfen. Das russische Verteidigungsministerium hat ebenfalls zuletzt von hohen Verlusten der Ukrainer gesprochen und die Abwehr aller Angriffe vermeldet. Allerdings haben sich die Angaben des Ministeriums in der Vergangenheit mehrfach als übertrieben und teilweise falsch herausgestellt.
Kiew meldet weitere Erfolge bei laufender Gegenoffensive
Die Ukraine hat bei ihrer laufenden Gegenoffensive eigenen Angaben zufolge erneut kleinere Geländegewinne erzielt. Im östlichen Gebiet Donezk sei die ukrainische Armee an verschiedenen Stellen um 200 bis 250 Meter vorgerückt, teilte Vize-Verteidigungsministerin Hanna Maljar am Dienstag auf Telegram mit. In der Nähe der südlichen Hafenstadt Berdjansk habe sie eine Fläche von insgesamt drei Quadratkilometern befreit.
Aus dem russischen Verteidigungsministerium hieß es unterdessen, die ukrainischen Angriffe bei Bachmut seien erfolgreich abgewehrt worden. Die Angaben beider Kriegsparteien sind oft zunächst nicht unabhängig überprüfbar. Allerdings haben auch internationale Experten der Ukraine bereits lokale Erfolge bei ihrer Gegenoffensive bescheinigt. Insbesondere die russische Seite wiederum fiel in dem bereits seit mehr als 15 Monaten andauernden Angriffskrieg immer wieder durch militärische Falschaussagen auf.
Kiew: Russische Truppen beschießen Kirche und töten Geistlichen
Mit Artilleriefeuer haben russische Truppen im Gebiet Cherson nach ukrainischen Angaben eine Kirche beschossen und dabei auch einen Geistlichen getötet. Der 72-Jährige sei in dem Ort Biloserka bei den Angriffen auf das Kirchengelände getötet worden, teilte der Chef des ukrainischen Präsidentenbüros, Andrij Jermak, am Dienstag in Kiew mit. Eine 76 Jahre alte Frau erlitt demnach Verletzungen. Jermak veröffentlichte in seinem Telegram-Kanal auch Fotos von den Zerstörungen. Durch die russischen Angriffe seien vier Wohngebäude, die Post, Verwaltungsgebäude, der zentrale Platz und wichtige Infrastruktur beschädigt worden.
Die Region Cherson im Süden der Ukraine ist zum größten Teil von Russen besetzt, die immer wieder auf die andere, von der Ukraine kontrollierte Uferseite des Dnipro-Flusses schießen. Auch nach der Zerstörung des wichtigen Kachowka-Staudamms vor einer Woche hat der Beschuss ungeachtet der in der Region laufenden Rettungs- und Evakuierungsaktionen nicht aufgehört.
Zerstörter ukrainischer Staudamm: Zahl der Todesopfer steigt weiter
Eine Woche nach der Zerstörung des Kachowka-Staudamms in der Südukraine ist die Zahl der Hochwasser-Opfer weiter gestiegen. Die Behörden auf der ukrainisch kontrollierten Seite der Region Cherson meldeten am Dienstag 10 Tote und 20 Verletzte. 42 Menschen würden noch vermisst, teilte der Chef der Chersoner Militärverwaltung, Olexander Prokudin, auf Telegram mit. Am Montag hatten die ukrainischen Behörden noch von 6 Todesopfern gesprochen.
Auch am von Moskau kontrollierten Südufer des Flusses Dnipro stieg die Zahl der Toten den Angaben der russischen Besatzer zufolge von 8 auf 17. Da die besetzten Orte besonders schlimm von den Hochwassern betroffen sind, wird allerdings befürchtet, dass es in Wirklichkeit noch deutlich mehr Opfer gibt. Insbesondere die Angaben der russischen Seite sind oft nicht unabhängig überprüfbar.
Durch ukrainische Rettungsaktionen wurden offiziellen Angaben zufolge bisher 2757 Menschen in Sicherheit gebracht, darunter 263 Kinder. In 133 Fällen sei es ukrainischen Helfern gelungen, Bewohner von der besetzten Flussseite zu retten. Prokudin warf den russischen Besatzern vor, zu wenig für die Rettung der Zivilisten in okkupierten Flutgebieten zu tun.
Ukraine erkundigt sich in Australien nach Kampfjets
Die Ukraine hat sich bei Australien nach dem Zustand dutzender ausgemusterter F-18-Kampfjets erkundigt. „Es gab ein Ersuchen um Information“, sagte der ukrainische Botschafter in Australien, Wasyl Myroschnytschenko, der Nachrichtenagentur AFP am Dienstag. Die Ukraine „schaut nach Kampfjet-Ressourcen, darunter auch diese“, fügte er hinzu.
Dem Botschafter zufolge ging es bei einer ersten Anfrage um etwa 41 Flugzeuge an einem Luftwaffenstützpunkt nördlich von Sydney.
Die Ukraine hat erst kürzlich das lang ersehnte grüne Licht aus Washington bekommen, um hochentwickelte, in den USA hergestellte Flugzeuge der „vierten Generation“ zu erwerben, wie etwa F-16-Kampfjets. Zwar handelt es sich bei den F-16 um jahrzehntealte Kampfflugzeuge, doch wären sie eine massive Verbesserung zu den MiG- und Sukhoi-Jets aus Sowjetzeiten, über die Kiew derzeit verfügt. Die Anfrage in Australien ist jedoch das erste Mal, dass F-18-Kampfjets öffentlich zur Sprache gebracht wurden.
Russland: Deutsche Leopard-Panzer und US-amerikanische Bradley-Kampffahrzeuge erbeutet
Das russische Verteidigungsministerium veröffentlichte am Dienstag Videoaufnahmen, auf denen zu sehen ist, wie russische Streitkräfte in einem Gefecht mit ukrainischen Truppen deutsche Leopard-Panzer und US-amerikanische Bradley-Kampffahrzeuge erbeuten. Das berichten die Nachrichtenagenturen AFP und Reuters.
Die Filmaufnahmen, die russische Truppen bei der Begutachtung der von westlichen Ländern an die Ukraine gelieferten Ausrüstung zeigen, kursierten am Dienstag in den sozialen Medien. In einer kurzen Erklärung zum Video bezeichnet das Ministerium die beiden Panzer als „unsere Trophäen“. Das Video soll Soldaten der Wostok-Gruppe zeigen und in der Region Saporischschja aufgenommen worden sein.
Tanks "Leopard" and BMP "Bradley". Now these are our trophies.
— Victor vicktop55 (@vicktop55) June 13, 2023
AFU equipment in the Zaporozhye direction.
Servicemen of the subdivisions of the Vostok group inspect enemy tanks and infantry fighting vehicles captured in battle.
All captured Western-made equipment: German… pic.twitter.com/z1eblNrWQ9
Das Verteidigungsministerium erklärte, mehrere der erbeuteten Fahrzeuge hätten funktionierende Motoren, was darauf hindeute, dass die Kämpfe, in die sie verwickelt waren, kurz gewesen seien und dass die ukrainischen Truppen aus ihren Angriffspositionen „geflohen“ seien.
Erst am Montag hatte der ukrainische Vize-Außenminister Andrij Melnyk Deutschland gebeten, die zerstörten Panzer zu ersetzen. Am Dienstag reagierte auch Tesla-Chef Elon Musk auf die Forderung der Ukraine.
China und Iran liefern „Kamikaze“-Drohnen an Russland
Eine von den ukrainischen Streitkräften im Mai abgeschossene iranische „Kamikaze“-Drohnen enthielt offenbar ein Teil aus chinesischer Produktion, welches innerhalb von drei Monaten hergestellt und an die russischen Streitkräfte geliefert worden sei. Das berichtet unter anderem der Wall Street Journal.
Das Vorhandensein dieses Teils zeigt, dass China Militärtechnologie an den Iran liefert, trotz der Bemühungen der USA, die globale Lieferkette zu unterbrechen.
On 2 May 2023, CAR field investigators documented a Shahed-136 UAV in #Ukraine which the security forces recovered ten days prior to documentation. The components found inside the UAV provide an insight into the use of the Shahed UAVs by Russian forces. 🧵(1/6) pic.twitter.com/xf82Yqnuck
— CAR (@conflictarm) June 12, 2023
Ermittler der britischen Forschungsgruppe Conflict Armament Research, welche globale Waffenlieferketten überwacht, haben festgestellt, dass das chinesische Bauteil innerhalb nur weniger Monate in der Drohne eingebaut worden war - dies zeige, wie schnell diese Waffen fertiggestellt und geliefert werden könnten.
Angaben der britischen Geheimdienste zufolge erhält Russland größere Mengen iranischer „Kamikaze“-Drohnen als bisher. Statt per Flugzeug würden die Drohnen nun wahrscheinlich mit Schiffen aus dem Iran über das Kaspische Meer geliefert, teilt das Verteidigungsministerium in London mit. „Mit der Lieferung dieser Waffen verstößt Iran weiterhin gegen die Resolution 2231 des UN-Sicherheitsrats.“
USA: Russland und Iran planen Bau einer Drohnenfabrik östlich von Moskau
Zudem arbeite Russland daran, eine inländische Drohnenproduktion zu starten und werde „mit ziemlicher Sicherheit“ dabei vom Iran unterstützt, heißt es weiter.
Bereits vor einigen Tagen hatte der Sprecher des Nationalen Sicherheitsrates (NSC) des Weißen Hauses, John Kirby, erklärt, dass der Iran und Russland Schritte unternehmen, um die Drohnenproduktion mit dem Bau einer Drohnenfabrik etwa 1.000 Kilometer östlich von Moskau „näher an das Kriegsgebiet zu bringen.“
Bürgermeister von Krywyj Rih: „Menschen liegen unter den Trümmern“
Am Dienstagmorgen gab es jedoch auch wieder neue Angriffe auf die Ukraine - in der südöstlichen Großstadt Krywyj Rih starben nach Angaben der dortigen Behörden mehrere Menschen, als eine Rakete in ein Wohnhaus einschlug.
Der Bürgermeister der Stadt, Oleksandr Wilkul, berichtet auf Telegram von Angriffen auf einigen zivilen Gebäuden: „Es gibt Verletzte in sehr ernstem Zustand“, fügte er hinzu „Wahrscheinlich liegen Menschen unter den Trümmern.“ Kryvyi Rih, die Heimatstadt von Präsident Wolodymyr Selenskyj, war schon oft Ziel russischer Drohnen- und Raketenangriffe.
Dnipropetrovsk Oblast governor shows the scope of destruction in Kryvyi Rih following Russia’s attack overnight on June 13.
— The Kyiv Independent (@KyivIndependent) June 13, 2023
Photo: Serhii Lysak/Telegram pic.twitter.com/8oE8UHaHDi
In seiner am Montagabend in Kiew verbreiteten Videobotschaft bedankte sich Präsident Selenskyj dennoch bei „unseren Männern für jede ukrainische Flagge, die an ihren rechtmäßigen Platz in den Dörfern der neu von der Besatzung befreiten Gebiete zurückkehrt. Die Kämpfe sind hart, aber wir kommen vorwärts, und das ist wichtig.“
Seit Tagen melden die ukrainischen Streitkräfte die Befreiung einer wachsenden Zahl von Dörfern vor allem im Gebiet Donezk, das Russland annektiert hatte. Insgesamt seien bisher sieben Orte befreit und 90 Quadratkilometer wieder unter ukrainischer Kontrolle, teilte Vize-Verteidigungsministerin Hanna Maljar in Kiew mit.
„Die Verluste des Feindes sind genau das, was wir brauchen“, meinte Selenskyj nach einem Treffen mit Generälen zur Lage im Frontgebiet. Besonders auch um die Ende Mai von Russland für eingenommen erklärte Stadt Bachmut werde die ukrainische Kontrolle ausgebaut. Bei der Zusammenkunft mit der Truppenführung sei es um militärische Erfolge gegangen, aber auch um die Frage, wo an der Front Verstärkung nötig sei, um russische Verteidigungsstellungen zu durchbrechen.
Selenskyj: „Wir behalten und stärken unsere operative Dominanz“
Selenskyj erwähnte außerdem, dass die Bedingungen für Kampfhandlungen in diesen Tagen wegen des Wetters ungünstig seien. Regen weicht die Böden auf und macht das Gelände für schweres Militärgerät weniger gangbar. „Die Stärke unserer Kämpfer bringt dennoch Ergebnisse“, betonte der Präsident.
Besonders lobte Selenskyj auch, dass russische Kriegsgefangene genommen würden. Das helfe dabei, mehr Verhandlungsmasse für einen Austausch gegen eigene Soldaten aus russischer Gefangenschaft aufzubauen.
Erörtert worden seien mit der Militärführung auch Maßnahmen zur Stabilisierung der Lage in den befreiten Gebieten. Es werde daran gearbeitet, dort die nötigen Waffen und Munitionsvorräte bereitzustellen. „Wir behalten und stärken unsere operative Dominanz“, sagte Selenskyj. „Wir glauben an den Sieg, er wird kommen.“
Die Ukraine verteidigt sich seit mehr als 15 Monaten gegen den russischen Angriffskrieg. Dabei helfen ihr Waffen und Munition westlicher Staaten. Russland spielte die Erfolge der ukrainischen Gegenoffensive zuletzt herunter und bezeichnete sie als unbedeutend. Gleichwohl hatte Moskau die Eroberung des gesamten Gebiets Donezk als ein Kriegsziel genannt. Dieses Vorhaben rückte weiter in die Ferne.
Tote bei Raketeneinschlag in Wohnhaus in Südostukraine
Bei dem „massiven Raketenangriff auf Krywyj Rih“ habe es mehrere Tote und Verletzte gegeben, teilte der Militärgouverneur des Gebiets Dnipropetrowsk, Serhij Lyssak, am frühen Dienstagmorgen auf Telegram mit. Zuvor hatte auch der Chef der örtlichen Militärverwaltung, Olexander Wilkul, von einem Einschlag in einem fünfstöckigen Gebäude berichtet und geschrieben, es seien wohl noch Menschen unter den Trümmern. Luftalarm wurde auch in anderen Regionen der Ukraine ausgerufen. Die Russen hätten erneut Marschflugkörper abgefeuert, auch auf die Hauptstadt Kiew, hieß es von den dortigen Behörden. Dort habe die Luftabwehr aber alle feindlichen Flugobjekte abgeschossen. Aus der östlichen Stadt Charkiw gab es Berichte über Drohnenangriffe.
Paris, Warschau und Berlin diskutieren Sicherheitsgarantien für Kiew
Derweil hofft die Ukraine weiter auf konkrete Perspektiven, damit nach einem herbeigesehnten Ende des russischen Angriffskriegs ihre Sicherheit gewährleistet ist. Über solche langfristigen Sicherheitsgarantien berieten Deutschland, Frankreich und Polen am Montagabend in Paris. Bundeskanzler Olaf Scholz traf dort Frankreichs Präsidenten Emmanuel Macron und den polnischen Staatschef Andrzej Duda.
Duda appellierte vor den gemeinsamen Beratungen: „Die Ukraine wartet auf ein eindeutige Signal bezüglich einer klaren Aussicht auf die Mitgliedschaft in der Nato.“ Dies sei die Erwartung der ukrainischen Führung und der Soldaten, die ihr Land verteidigen. Er hoffe, der bevorstehende Nato-Gipfel am 11. und 12. Juli in Litauen werde der Ukraine das ersehnte „Licht am Ende des Tunnels“ bringen.
Scholz sagte, gegenwärtig seien die Hauptanstrengungen darauf gerichtet, die Ukraine im Abwehrkampf gegen Russland zu unterstützen. „Wir werden das auch weiter machen, so lange wie das notwendig ist, darauf sind wir vorbereitet.“ Trotzdem mache die intensive Debatte über Sicherheitsgarantien Sinn, sagte der SPD-Politiker. Auch Macron zeigte sich zurückhaltender als Duda. Man wolle über die „Unterstützung der Nato für die Ukraine reden, um ihr alle Perspektiven zu geben, auf die sie ein Anrecht hat“, sagte der französische Präsident. Er hoffe, dass der anstehende Nato-Gipfel es ermöglichen werde, einen Weg aufzuzeigen und eine klare Vision für die Zukunft der kollektiven Sicherheit zu entwickeln.
Auf dem Nato-Gipfel in der litauischen Hauptstadt Vilnius will die Ukraine eine konkrete Perspektive auf Aufnahme in das Verteidigungsbündnis bekommen. Wichtige Alliierte bremsen allerdings. Für die vermutlich noch lange Übergangszeit wird darüber diskutiert, die bestehende Nato-Ukraine-Kommission zu einem neuen Nato-Ukraine-Rat aufzuwerten. Ein solches gemeinsames Beratungsforum wäre ein wichtiger Schritt, um mit der Ukraine auf Augenhöhe Schlüsselfragen der Sicherheit diskutieren zu können.
Macron sagte auch, die vor einigen Tagen begonnene ukrainische Gegenoffensive solle sich über mehrere Monate erstrecken. Frankreich habe die Lieferung von Waffen und Munition zuletzt ausgebaut und liefere noch weiter. „Es gibt diese Gegenoffensive. Wir wünschen, dass sie so erfolgreich wie möglich sein wird, um anschließend eine Verhandlungsphase unter guten Bedingungen auszulösen“, sagte Macron. Der russische Angriffskrieg sei für Russland bereits jetzt ein strategischer wie geopolitischer Misserfolg.
Was am Dienstag wichtig wird
IAEA-Chef am Dienstag in Kiew erwartet
Der Chef der Internationalen Atomenergiebehörde (IAEA), Rafael Grossi, wird in Kiew erwartet. Er will offene Fragen zur Kühlwasserversorgung des ukrainischen Atomkraftwerks Saporischschja klären, dass die russischen Besatzer unter Kontrolle halten. Die Zerstörung des Kachowka-Staudamms am Dienstag vor einer Woche hat zu einem Absinken des Wasserstands im Reservoir des Dnipro-Flusses geführt, mit dem das AKW gekühlt wird.



