Geopolitik

Netanjahu reist trotz Haftbefehls nach Ungarn: Macht sich Orbán der Strafvereitelung schuldig?

Israels Regierungschef wird nach einer Einladung von Viktor Orbán am Mittwoch in Budapest erwartet. Obwohl Ungarn verpflichtet wäre, ihn zu verhaften, wird das wohl nicht passieren.

Jerusalem: Israels Ministerpräsident Benjamin Netanjahu (r.) empfängt im Jahr 2018 Viktor Orbán in seinem Büro.
Jerusalem: Israels Ministerpräsident Benjamin Netanjahu (r.) empfängt im Jahr 2018 Viktor Orbán in seinem Büro.Pool UPI/AP

Der israelische Premierminister Benjamin Netanjahu wird am Mittwoch trotz eines Haftbefehls des Internationalen Strafgerichtshofs (IStGH) nach Ungarn reisen. Die Einladung hatte sein ungarischer Amtskollege Viktor Orbán demonstrativ nach dem Erlass des IStGH ausgesprochen. Es ist Netanjahus erste Europareise, seit der IStGH im vergangenen Jahr einen Haftbefehl wegen mutmaßlicher Kriegsverbrechen im Gazastreifen erlassen hat. Dies bedeutet, dass die Vertragsstaaten des Römischen Statuts – darunter auch Ungarn – verpflichtet wären, ihn in Gewahrsam zu nehmen. Doch Ungarn kündigte bereits an, dieser Pflicht nicht nachkommen zu wollen.

Die Entscheidung des IStGH setze das Völkerrecht außer Kraft und „gießt auch noch Öl ins Feuer“, sagte Orbán damals. Er bezeichnete den Haftbefehl als „dreist, zynisch und inakzeptabel“ und fügte hinzu: „Deshalb werde ich Benjamin Netanjahu (...) einladen, was für ihn keine Konsequenzen haben wird.“ Ungarns Regierungschef warf dem IStGH vor, sich „zu politischen Zwecken in einen laufenden Konflikt einzumischen“.

Die Menschenrechtsorganisation Amnesty International reagierte empört auf die Reisepläne und forderte, dass Netanjahu verhaftet und dem IStGH übergeben werden müsse. „Ministerpräsident Netanjahu ist ein mutmaßlicher Kriegsverbrecher. Ihm wird vorgeworfen, Hunger als Kriegsmethode eingesetzt, Zivilisten vorsätzlich angegriffen und Verbrechen gegen die Menschlichkeit wie Mord, Verfolgung und andere unmenschliche Taten begangen zu haben“, erklärte Erika Guevara-Rosas, Leiterin der Abteilung globale Forschung, Interessenvertretung und Politik von Amnesty International.

Netanjahu will in Ungarn über Trumps Gaza-Plan sprechen

Netanjahu und Orbán werden eine mögliche ungarische Unterstützung für US-Präsident Donald Trumps Gaza-Plan besprechen, teilte eine israelische Quelle der Times of Israel am Sonntag mit. Trumps Plan wurde von den Palästinensern sowie den arabischen und islamischen Staaten abgelehnt, von Netanjahu und seiner rechten Koalition jedoch begrüßt. Berichten zufolge hat Netanjahu den Geheimdienst Mossad beauftragt, nach Ländern zu suchen, die bereit wären, Gaza-Bewohner aufzunehmen. „Netanjahu versucht, eine Koalition aus möglichst vielen Ländern zu bilden, die Trumps Plan für Gaza unterstützen“, so die Quelle gegenüber der Times of Israel.

Im Februar hatte Trump im Weißen Haus gemeinsam mit Netanjahu seine Vision für Gaza verkündet. Diese sieht die Umsiedlung der Bevölkerung ins Ausland und die Führung der USA beim Wiederaufbau vor, um den zerstörten Gazastreifen in einen mediterranen Ferienort zu verwandeln.

CDU-Chef Friedrich Merz (l.) und Rolf Mützenich, Vorsitzender der SPD-Bundestagsfraktion, unterhalten sich bei der Sitzung des Bundestags.
CDU-Chef Friedrich Merz (l.) und Rolf Mützenich, Vorsitzender der SPD-Bundestagsfraktion, unterhalten sich bei der Sitzung des Bundestags.Kay Nietfeld/dpa

Mützenich: Regierung in Budapest macht sich der Strafvereitelung schuldig

Der SPD-Außenexperte Rolf Mützenich forderte den wahrscheinlichen künftigen Kanzler Friedrich Merz (CDU) zur Einhaltung internationalen Rechts auf. „Friedrich Merz muss endlich klarstellen, dass Deutschland den Haftbefehl gegen Netanjahu vollziehen würde, sollte der israelische Ministerpräsident unser Land besuchen wollen“, sagte der langjährige SPD-Fraktionsvorsitzende der Süddeutschen Zeitung. Trotz des Haftbefehls hatte Merz Netanjahu im Falle eines geplanten Deutschlandbesuchs zugesagt, dass Mittel und Wege gefunden würden, ihm eine Ein- und Ausreise ohne Festnahme zu ermöglichen. Von Netanjahu hieß es, Merz habe eine Einladung ausgesprochen.

Man dürfe nicht zulassen, dass Vertreter des deutschen Staates mit Orbán auf eine Stufe gestellt werden, betonte Mützenich. Die Regierung in Budapest mache sich der Strafvereitelung schuldig. Deutschland habe sich von Anfang an für den unabhängigen Gerichtshof und die Ahndung von Kriegsverbrechen eingesetzt, daher müssten die Institution und deren Mitarbeiter legitimiert werden. „War bereits die Erklärung des damaligen Kanzlerkandidaten Friedrich Merz, den Haftbefehl gegen Premierminister Netanjahu nicht zu vollstrecken, rechtswidrig, so bekommt der Vorgang mit dem Besuch in Budapest eine weitere Brisanz.“