Nahost

Gaza-Krieg: Israel und Hamas einigen sich auf Waffenruhe und Geiseldeal – das wurde vereinbart

Nach 15 Monaten des Krieges haben beide Seiten eine Einigung erzielt. Nach Angaben des katarischen Premierministers wird die Feuerpause am Sonntag beginnen.

Palästinenser inspizieren ihre zerstörten Häuser in Hamad Town.
Palästinenser inspizieren ihre zerstörten Häuser in Hamad Town.dpa

Israel und die radikalislamische Palästinenserorganisation Hamas haben sich auf ein Waffenstillstands- und Geiselabkommen geeinigt. Katars Premierminister bestätigte das am Mittwochabend offiziell: „Katar, Ägypten und die Vereinigten Staaten freuen sich, den Erfolg gemeinsamer Vermittlungsbemühungen verkünden zu können, nachdem die kriegführenden Parteien im Gazastreifen eine Einigung über den Austausch von Gefangenen und Geiseln erzielt haben“, sagte Mohammed bin Abdulrahman bin Jassim Al Thani, der auch als Außenminister Katars fungiert.

Ihm zufolge wird die Feuerpause am Sonntag beginnen. USA, Katar und Ägypten werden die Gaza-Waffenruhe überwachen, hieß es. 

Die Nachricht löste im Palästinensergebiet Jubel aus. Tausende Menschen im Gazastreifen versammelten sich in Gruppen auf den Straßen, um zu feiern, wie Reporter der Nachrichtenagentur AFP aus Deir al-Balah im Zentrum des Palästinensergebietes und anderen Gegenden berichteten. Die Menschen tanzten, umarmten einander und fotografierten sich, um den besonderen Moment festzuhalten. Auch in Berlin-Neukölln versammelten sich spontan Menschen, um zu feiern. Die kurzfristig angemeldete Kundgebung am Hermannplatz habe „Jubelcharakter“, sagte ein Polizeisprecher.

Das komplexe Abkommen sieht nach Informationen der Nachrichtenagentur Reuters eine sechswöchige anfängliche Waffenstillstandphase vor und beinhaltet den schrittweisen Abzug der israelischen Streitkräfte aus dem Gazastreifen. In den vergangenen Tagen hatte sich eine baldige Einigung bereits angekündigt.

Abkommen zwischen Israel und Hamas beinhaltet drei Phasen

Laut einem Bericht der Jerusalem Post zufolge umfasst das Abkommen drei Phasen. Die aktuellen Vereinbarungen beziehen sich demnach nur auf die erste Phase. Die angestrebte Waffenruhe sei zunächst auf etwa 42 Tage beschränkt. Die Freilassung der Geiseln würde sich voraussichtlich über Wochen erstrecken. In einer ersten Phase sollten 33 „humanitäre Fälle“ freikommen. Es gehe um Frauen, Kinder, Menschen über 50 Jahre sowie Verletzte und Kranke, erklärte ein Informant der Times of Israel. Man gehe davon aus, dass die meisten am Leben seien. Insgesamt werden nach israelischen Angaben im Gazastreifen noch 98 Verschleppte festgehalten, von denen mindestens 34 tot sein dürften.

In Phase zwei, über die laut Medienberichten ab dem 16. Tag nach Inkrafttreten der Waffenruhe verhandelt werden soll, dürfte es um die Freilassung der restlichen lebenden Geiseln sowie den weiteren Rückzug der israelischen Armee gehen. Einem CNN-Bericht zufolge soll es in der zweiten Phase auch um ein Ende des Krieges gehen. Die Hamas habe Garantien der USA, Katars, Ägyptens sowie der Türkei akzeptiert, dass Israel die Verhandlungen darüber fortsetzt, erfuhr das Wall Street Journal aus Vermittlerkreisen.

Für die freigelassenen Hamas-Geiseln werden mehrere von den rund 1000 ins Israel verurteilten Gefangenen auf freien Fuß gesetzt. Die Zahl der palästinensischen Gefangenen, die lebenslange Haftstrafen verbüßen und im Rahmen des Abkommens freigelassen werden, wurde noch nicht endgültig festgelegt.

Berichten zufolge habe aufgrund des Drängens von Netanjahu die Hamas in der Frage des Philadelphi-Korridors nachgegeben. Dabei handelt es sich um den Streifen entlang der Grenze zwischen Ägypten und Gaza, in dem Israel während der Umsetzung des Waffenstillstands auf Präsenz bestanden hatte. Israels Armee sollte sich Medienberichten zufolge nach und nach aus bewohnten Gebieten des Gazastreifens zurückziehen, zunächst aber nicht vom sogenannten Philadelphi-Korridor. Israel befürchtet, dass die Hamas dort wieder Waffen in den Gazastreifen schmuggeln könnte.

Die in den Süden des Küstenstreifens geflohenen Einwohner sollen sich wieder frei im Gazastreifen bewegen und unter internationaler Aufsicht in ihre Wohngebiete im Norden zurückkehren dürfen. Das Büro von Israels Ministerpräsident Benjamin Netanjahu teilte mit, dass noch einige Details zu klären sind.

Der Grenzübergang Rafah zwischen Ägypten und dem Gazastreifen soll ägyptischen Medienberichten zufolge für Hilfslieferungen in das Palästinensergebiet geöffnet werden. Es sei eine Koordination im Gange, um „den Grenzübergang Rafah zu öffnen, damit internationale Hilfslieferungen eintreffen können“, berichteten Staatsmedien am Mittwoch unter Berufung auf eine ägyptische Sicherheitsquelle. Ägypten bereite sich darauf vor, „so viel Hilfe wie möglich in den Gazastreifen zu bringen“, hieß es der Zeitung „Al-Ahram“ zufolge.

Das sind laut Berichten die Vereinbarungen über den Gaza-Deal
  • Die Vereinbarung sieht vor, dass Katar und Ägypten die Rückkehr der Vertriebenen aus dem südlichen Gazastreifen in den Norden überwachen.
  • Der Vereinbarung zufolge wird der Rückzug aus der Netzarim-Achse schrittweise erfolgen.
  • Die Hamas forderte über Vermittler eine genaue Festlegung des Gebiets, aus dem sich Israel zurückziehen wird sowie den Zeitplan dafür.
  • Die israelische Armee wird sich während der ersten Phase der Vereinbarung bis zur 700 Meter tiefen Grenze des Gazastreifens zurückziehen.
  • Während der ersten Phase der Vereinbarung werden 33 israelische Gefangene freigelassen.
  • Im Rahmen der Waffenstillstandsvereinbarung sollen auch zu lebenslanger Haft verurteilte palästinensische Gefangene freigelassen.

Trump spricht von „epischem“ Gaza-Abkommen

Der künftige US-Präsident Donald Trump begrüßte die Nachricht aus dem Nahen Osten. „Wir haben eine Einigung für die Geiseln im Nahen Osten“, schrieb er auf seinem Online-Sprachrohr Truth Social in Versalien. „Sie werden in Kürze freigelassen. Danke.“

In einer weiteren Mitteilung auf Truth Social sprach er von einem „epischen Abkommen über eine Waffenruhe“. Sein nationales Sicherheitsteam werde auf Grundlage der Vereinbarung weiter eng mit Israel und den US-Verbündeten zusammenarbeiten, um sicherzustellen, dass der Gazastreifen niemals wieder zu einem sicheren Hafen für Terroristen werde. „Wir werden uns weiter für Frieden durch Stärke in der gesamten Region einsetzen“, schrieb Trump.

Der scheidende US-Präsident Joe Biden führte die Einigung dagegen maßgeblich auf seinen Einsatz und den seiner Regierung zurück. „Dieser Deal wird die Kämpfe im Gazastreifen stoppen, stark benötigte humanitäre Hilfe für palästinensische Zivilisten anschwellen lassen und die Geiseln nach mehr als 15 Monaten Gefangenschaft mit ihren Familien vereinen“, so Biden. Die Umsetzung des Deals falle aber vor allem in die Regierung seines Nachfolgers Trump, sagte Biden im Weißen Haus. „In den vergangenen Tagen haben wir als ein Team gesprochen“, betonte Biden.

Gaza-Krieg: Wer vermittelte zwischen Israel und der Hamas?

Anfang Januar waren die indirekten Gespräche in Doha wieder aufgenommen worden. Katar war einer der wichtigsten Vermittler in den Verhandlungen zwischen Israel und der Hamas. Seit Monaten hatte das Land gemeinsam mit den USA, und Ägypten versucht, eine Vereinbarung in dem seit rund 15 Monaten andauernden Gaza-Krieg zu erreichen.

Die Vereinbarung soll im Gazastreifen für Ruhe sorgen, wo die israelische Offensive große Teile des Territoriums in Schutt und Asche gelegt und rund 90 Prozent der 2,3 Millionen Einwohner vertrieben hat. Der Rest von ihnen leidet Hunger. (mit dpa/AFP)