Nahost

Nach Angriff auf Netanjahus Haus: Israel überzieht Libanon mit massiver Angriffswelle

Israel griff libanesischen Angaben zufolge mehr als 50 Städte und Dörfer im Süden des Landes an. Auch im Gazastreifen wurden die Angriffe verstärkt. Es gebe Dutzende tote Zivilisten.

Eine riesige Rauchsäule steigt nach einem israelischen Angriff auf Beirut auf.
Eine riesige Rauchsäule steigt nach einem israelischen Angriff auf Beirut auf.Xinhua/imago

Nach dem mutmaßlichen Hisbollah-Angriff auf die Residenz des israelischen Premierministers Benjamin Netanjahu hat Israel den Libanon mit einer massiven Angriffswelle überzogen. Unter anderem griff die Armee nach eigenen Angaben am Sonntag ein Hisbollah-Geheimdienstzentrum in Beirut an. Dabei habe es sich laut Israel um „eine Kommandozentrale des Hisbollah-Geheimdienstes und eine unterirdische Waffenwerkstatt“ gehandelt. Zudem seien israelischen Angaben zufolge im Süden des Libanons drei Hisbollah-Anführer getötet worden.

Laut der libanesischen Armee sind libanesische Soldaten unter den Opfern der Angriffe. Das israelische Militär habe demnach auf ein Armeefahrzeug in der Nähe von Ain Ebel unweit der Grenze zu Israel gefeuert, teilte das Militär in Beirut mit. Die israelischen Streitkräfte äußerten sich zunächst nicht zu dem Vorfall.

Insgesamt habe Israel mehr als 50 Städte und Dörfer im Süden des Landes angegriffen, berichtete die staatliche libanesische Nachrichtenagentur NNA. Zu den Angriffen auf die Hauptstadt Beirut hieß es: „Feindliche Flugzeuge haben am Morgen zwei Angriffe auf Beiruts südliche Vororte ausgeführt, einer davon traf ein Wohnhaus in Haret Hreik.“ Vor den Luftangriffen in Beirut hatte der israelische Militärsprecher Avichay Adraee die Einwohner der betroffenen Stadtteile auf Arabisch im Onlinedienst Telegram gewarnt und aufgefordert, die Gegend zu verlassen.

Netanjahu droht Hisbollah mit Vergeltung

Netanjahu hatte am Abend zuvor die vom Iran unterstützte Hisbollah beschuldigt, ihn töten zu wollen. Er drohte der Hisbollah und ihren Verbündeten mit Vergeltung. „Der Versuch des iranischen Stellvertreters Hisbollah, mich und meine Frau heute zu ermorden, war ein schwerer Fehler“, teilte Netanjahu in einer Erklärung mit. 

Die Hisbollah bekannte sich zunächst nicht selbst zu dem Angriff, aber die amtliche iranische Nachrichtenagentur Irna meldete unter Berufung auf die iranische Vertretung bei den Vereinten Nationen, die Hisbollah stehe hinter dem Angriff auf die Privatresidenz Netanjahus. Israelischen Angaben zufolge seien am Samstag drei Drohnen vom Libanon aus auf die Gegend abgefeuert worden, in der Netanjahu ein Haus habe. Zwei seien abgefangen worden, die dritte habe ein Gebäude in Caesarea getroffen. Der Ministerpräsident und seine Frau waren laut israelischen Behörden nicht vor Ort, es gab keine Verletzten.

Rosh Pinna: Israelische Polizisten stehen neben einem Brandherd, nachdem eine aus dem Libanon abgefeuerte Rakete eingeschlagen war. 
Rosh Pinna: Israelische Polizisten stehen neben einem Brandherd, nachdem eine aus dem Libanon abgefeuerte Rakete eingeschlagen war. Leo Correa/AP

Hisbollah feuert „heftige Raketensalven“ auf Israel

Die Hisbollah feuerte am Wochenende zahlreiche Raketen und Drohnen auf den Norden Israels ab, dabei sei auch ein Militärstützpunkt in der Nähe der Stadt Haifa von „heftigen Raketensalven“ getroffen worden, erklärte sie. Die israelische Armee gab ihrerseits an, dass am Sonntag innerhalb weniger Minuten etwa 70 „Projektile“ vom Libanon aus auf Nordisrael abgefeuert worden seien.

Nach dem Großangriff der mit ihr verbündeten islamistischen Palästinenserorganisation Hamas auf Israel am 7. Oktober 2023 hatte die Hisbollah-Miliz mit ständigen Raketenangriffen eine zweite Front gegen Israel eröffnet. Israel beschoss in Reaktion darauf Ziele im Libanon. Seit einigen Wochen hat die israelische Armee ihre Luftangriffe im Libanon deutlich verstärkt. Zudem startete sie vor rund drei Wochen auch Bodeneinsätze im südlichen Teil des Nachbarlands gegen Hisbollah-Stellungen.

Gaza: 87 Tote nach israelischem Luftangriff auf Wohngebiet in Beit Lahia

Auch der israelische Militäreinsatz „im Norden, im Zentrum und im Süden“ des Gazastreifen wurde laut Armeeangaben am Wochenende unvermindert fortgesetzt. Es seien „Dutzende Terroristen bei Bodenkämpfen und Luftschlägen eliminiert“ worden.

Der Zivilschutz im Gazastreifen teilte unterdessen mit, dass bei einem Luftangriff in einem Wohngebiet im Ort Beit Lahia im Norden des Palästinensergebietes mindestens 87 Menschen getötet worden seien, darunter Frauen und Kinder.

Zuvor hatte der Zivilschutz erklärt, dass bei einem großangelegten israelischen Militäreinsatz im Norden des Gazastreifens binnen zwei Wochen mehr als 400 Menschen getötet worden seien. Tote gab es demnach unter anderem im Flüchtlingslager Dschabalia. Die israelische Armee erklärte auf Anfrage, sie prüfe Berichte des Zivilschutzes aus dem Gazastreifen, wonach bei einem nächtlichen Luftangriff auf Dschabalia Menschen getötet wurden.

Palästinenser inspizieren die Schäden nach einem israelischen Luftangriff auf ein Haus in Beit Lahia.
Palästinenser inspizieren die Schäden nach einem israelischen Luftangriff auf ein Haus in Beit Lahia.Islam Ahmed/AFP

UN-Generalsekretärin: Palästinenser erleben „unaussprechliche Schrecken“

Die UN-Generalsekretärin für humanitäre Angelegenheiten, Joyce Msuya erklärte, die Palästinenser im Norden des Gazastreifens erlebten „unaussprechliche Schrecken“. „In Dschabalia sind die Menschen unter den Trümmern gefangen und die Rettungskräfte können sie nicht erreichen.“

Die israelischen Streitkräfte gehen seit dem beispiellosen Großangriff der Hamas auf Israel am 7. Oktober, bei dem nach israelischen Angaben 1206 Menschen getötet worden waren, massiv im Gazastreifen vor. Nach Angaben der von der Hamas kontrollierten Gesundheitsbehörde, die sich nicht unabhängig überprüfen lassen, wurden bis Sonntag dabei mehr als 42.600 Menschen getötet.