Vorfall in Greifswald

„Massiver Rassismus“ gegen Berliner Schüler? Brandenburger Lehrer widersprechen

Eine 6. Klasse aus Berlin-Kreuzberg traf in Greifswald auf Schüler aus Brandenburg. Wurden die Berliner rassistisch attackiert? Ein neuer Bericht zeichnet ein differenziertes Bild.

Der Streit soll in einer Jugendunterkunft in Greifswald (hier ein Symbolfoto) ausgebrochen sein.
Der Streit soll in einer Jugendunterkunft in Greifswald (hier ein Symbolfoto) ausgebrochen sein.dpa

Die Meldung las sich beunruhigend: Schüler einer sechsten Klasse aus Berlin-Kreuzberg wollten kurz vor den Sommerferien ein paar schöne Tage an der Ostsee verbringen, ihre Abschiedsfahrt am Ende der gemeinsamen Grundschulzeit, doch dann erlebten sie schlimmen Rassismus. Im Osten natürlich, durch Ostdeutsche.

Die Klasse bezog Zimmer in einer Jugendunterkunft in Greifswald. Dort waren zur gleichen Zeit auch zwei Schulklassen aus Brandenburg untergebracht. Die Brandenburger Schüler gingen die Berliner Schüler massiv an, beleidigten sie, mindestens ein Brandenburger zeigte sogar den Hitlergruß. Und das alles, so hieß es, weil die meisten der Kreuzberger Schüler einen Migrationshintergrund haben.

Ein neuer Fall von Rassismus und Rechtsextremismus im Osten, die Sache schien klar. Zumindest in der exklusiven Meldung des Tagesspiegels über den Vorfall, die auf den Schilderungen einer Mutter, deren Tochter in der Kreuzberger Klasse dabei war, beruhte. Die Mutter wollte anonym bleiben.

Eine Mutter aus Kreuzberg erhob schwere Vorwürfe

Ihre Vorwürfe waren schwer. Vor allem die Jungs aus der Kreuzberger Klasse seien von den Brandenburger Kindern und Jugendlichen attackiert worden, sagte sie. Die Angreifer seien älter gewesen als die Angegriffenen, Schüler einer siebten und einer zehnten Klasse. Die Kreuzberger Kinder seien „fünf Tage lang beleidigt und beschimpft“ worden, die Lehrer aus Brandenburg hätten die Angriffe nicht ernst genommen.

Die Senatsverwaltung für Bildung bestätigte gegenüber dem Tagesspiegel, dass auch sie von den Vorfällen auf der Klassenfahrt erfahren habe. Es liege ein Gedächtnisprotokoll vor, dort sei auch ein Hitlergruß dokumentiert. Man nehme die Schilderungen sehr ernst.

Der Tagesspiegel sprach in seiner Überschrift von „massiven Rassismus“ gegenüber den Berliner Schülern und bezog sich damit offenbar vor allem auf die Schilderungen der Mutter. Die Resonanz auf die Meldung war groß, die Brandenburger Schüler, vor allem aber die Lehrer wurden stark kritisiert, ein Zusammenhang zu rechter Jugendkultur und anderen Vorfällen an Brandenburger Schulen hergestellt.

So schildern die Lehrer aus Brandenburg die Vorfälle

Ein neuer Medienbericht zeichnet nun ein differenziertes Bild von dem, was zwischen den Kindern und Jugendlichen in Greifswald passiert sein soll. Inzwischen hat sich auch das Brandenburger Bildungsministerium in den Fall eingeschaltet. Auch dort nimmt man die Schilderungen ernst und untersucht, was vorgefallen ist.

Dem RBB liegt ein Schreiben des Bildungsministeriums vor. Demnach seien nicht Schüler einer siebten und zehnten Klasse beteiligt gewesen, sondern Schülerinnen und Schüler einer 6. Klasse der Grundschule Rehfelde (Märkisch-Oderland) sowie einer 8. Klasse der Evangelischen Gemeinschaftsschule Doberlug-Kirchhain (Elbe-Elster). Das Ministerium hat dem Bericht zufolge an beiden Schulen nachgefragt.

Die Sicht der Brandenburger Lehrkräfte ist demnach: Es sei zu „verbalen Auseinandersetzungen“ mit den Berliner Kindern gekommen, es habe auch rassistische Beleidigungen gegeben. Die Kinder aus Berlin und Brandenburg hätten sich aber zuerst gegenseitig beschimpft, es sei dabei tatsächlich um die Herkunft gegangen – um einen Streit „Berliner“ versus „Brandenburger“. Das Ganze habe sich dann „dynamisch entwickelt“.

Anders als es die Berliner Mutter dem Tagesspiegel gegenüber geschildert hat, haben die Lehrkräfte beider Brandenburger Schulen ihrem Ministerium gegenüber erklärt, vor Ort eingegriffen zu haben, nachdem sie den Streit zwischen den Schülergruppen mitbekommen haben. Beide Schulen wollen die Vorfälle im neuen Schuljahr mit den Kindern und Jugendlichen aufarbeiten.