Nach dem Comeback der Linken zeigen sich in der Partei alte Konfliktlinien zum Nahost-Konflikt und Antisemitismus. Beim Parteitag in Chemnitz äußerten Delegierte lauten Unmut, dass die Linke die israelische Politik im Gazakrieg nicht scharf genug verurteile. Daraufhin beschloss der Parteitag einen Antrag, der Israel Kriegsverbrechen vorwirft. Gegen den Willen von Parteichef Jan van Aken plädierte eine Mehrheit zudem für einen engen Begriff von Antisemitismus, um den Spielraum für Kritik an Israel zu weiten. Ein Umstand, der in den sozialen Medien für Wirbel sorgt.
Van Aken wollte demnach den Nahost-Konflikt eigentlich nicht auf der Tagesordnung haben. Im Herbst 2024 hatte der Vorsitzende mühsam eine Kompromisslinie zur Position der Partei ausgehandelt. Da Delegierte in Chemnitz das Thema trotzdem setzten, verhandelte van Aken erneut eine Wortwahl, die der Parteivorstand akzeptabel fand.
Im Beschluss heißt es nun: „Israel verwendet das Aushungern der Zivilbevölkerung als Methode zur Beschleunigung der nachhaltigen Zerstörung aller Lebensgrundlagen und dauerhafte Zwangsvertreibung der Palästinenser:innen.“
Parteimitglieder setzen sich über Linie von an Aken hinweg
Weiter heißt es: „Die Linke verurteilt diese Kriegsverbrechen scharf und fordert die sofortige ausreichende humanitäre Versorgung der Zivilbevölkerung im Gazastreifen, den Wiederaufbau der Zivileinrichtungen und Infrastruktur, insbesondere Wohnhäuser, Krankenhäuser, Schulen, Universitäten und religiösen Stätten.“ Der Beschluss fordert auch die Freilassung der Geiseln der Hamas. Diese hatte die Terrororganisation am 7. Oktober 2023 bei ihrem Überfall auf Israel verschleppt.
Gelang van Aken bei diesem Antrag noch ein Kompromiss, so setzte sich der Parteitag bei einem weiteren Beschluss über seine Linie hinweg: Eine knappe Mehrheit der Delegierten stellte sich hinter die sogenannte Jerusalemer Erklärung. Diese definiert Antisemitismus enger als die sogenannte IHRA-Definition, die der Zentralrat der Juden unterstützt und die in Deutschland meist verwendet wird. Van Aken hatte davor gewarnt, sich festzulegen. Kritiker auf dem Parteitag sagten, mit der IHRA-Definition könne „jede Kritik an der israelischen Regierung als Antisemitismus diffamiert werden“.
„Selig der Mensch, der den Parolen der Partei nicht folgt (…)“ #LinkeBPT hat gerade beschlossen, ab sofort die Jerusalem Declaration of Antisemitism zu verwenden.
— Katharina König-Preuss 🍓 (@KatharinaKoenig) May 10, 2025
Ein fataler Beschluss. Mehrheit hat entschieden, dass @dieLinke nicht mehr für #gegenjedenAntisemitismus steht. pic.twitter.com/j9IZITKgDl
Auf X verurteilen einzelne Parteimitglieder die Entscheidung. „Ein fataler Beschluss. Mehrheit hat entschieden, dass @dieLinke nicht mehr für #gegenjedenAntisemitismus steht“, so Katharina König-Preuss in dem sozialen Netzwerk.
Ausschlussverfahren gegen Andreas Büttner eingeleitet
Außerdem sieht sich ein langjähriges Mitglied der Partei mit einem Parteiausschlussverfahren konfrontiert. Andreas Büttner, ehemaliger Staatssekretär in Brandenburg und zuletzt Abgeordneter, teilte mit, dass das Verfahren auf Initiative einiger Personen eingeleitet wurde, die sich bislang nicht öffentlich dazu bekannt hätten. Als Grund nennt er seine israelsolidarische Haltung.
Zu dem gegen mich eingeleiteten Ausschlussverfahren aus der Partei DIE LINKE:
— Andreas Büttner (@BuettnerAndreas) May 9, 2025
Ich bin im Jahr 2015 in DIE LINKE eingetreten. Ich war 2017 aus einer Not heraus Bundestagskandidat mit dem drittbesten Erststimmenergebnis im Land (trotz massiver Verluste überall für die Partei).… pic.twitter.com/CaNgSnOQrQ


