Die libyschen Behörden werfen mehreren internationalen Hilfsorganisationen vor, die ethnische Zusammensetzung des Landes durch die gezielte Anwerbung afrikanischer Migranten zu verändern. Aus diesem Grund wurde die Schließung ihrer Büros angeordnet, wie das Land am Donnerstag verkündete. Der erlassene Befehl zur Ausweisung der NGOs wurde von der international anerkannten Regierung mit Sitz in der Hauptstadt Tripolis erlassen.
„Dieser Plan, Migranten afrikanischer Herkunft in unserem Land anzusiedeln, stellt einen feindseligen Akt dar. Er zielt darauf ab, die demografische Zusammensetzung des Landes zu verändern und bedroht das Gleichgewicht der libyschen Gesellschaft“, sagte Salem Gheit, Sprecher der Behörde für Innere Sicherheit.
Libyen wirft NGOs auch Geldwäsche vor
Von dem Beschluss betroffen sind nach Angaben der libyschen Behörden unter anderem Ärzte ohne Grenzen, der Norwegische Flüchtlingsrat, die französische Organisation Terre des Hommes und die italienische Organisation CESVI. Gheith beschuldigte die Organisationen außerdem der Einmischung in libysche Angelegenheiten und der Geldwäsche unter dem Deckmantel der humanitären Hilfe.
Einer der Vorwürfe der libyschen Sicherheitsbehörden gegen die zehn Hilfsorganisationen lautet einem Bericht der BBC zufolge, sie unterstützten „illegale Migranten, indem sie ihnen Nahrung, Kleidung und Medikamente zur Verfügung stellten, was diese Migranten ermutigte, Libyen als Endziel und nicht als Transitland zu betrachten“. Viele hätten den Libyern aber gesagt, sie wollen gar nicht im Land bleiben.
Zuvor hatten 17 größtenteils europäische Botschafter und ein Vertreter der UNO die libysche Behörde für Innere Sicherheit der Repression von Nichtregierungsorganisationen beschuldigt. Mitarbeiter seien gezwungen worden, zurückzutreten. Einigen sei zudem der Reisepass weggenommen worden.
Ärzte ohne Grenzen und UN-Flüchtlingshilfswerk UNHCR reagieren
Ärzte ohne Grenzen teilte auf der Anfrage des britischen Senders mit, dass die Organisation „sehr besorgt über die Folgen dieser Anordnungen“ ist, da dies Auswirkungen für die Gesundheit der Patienten und die Sicherheit der humanitären Helfer habe. Als Reaktion auf das Vorgehen Libyens verteidigte das UN-Flüchtlingshilfswerk UNHCR seine Arbeit und erklärte gegenüber der BBC, dass es sich bei den Menschen, denen es hilft, nicht um Migranten, sondern um Flüchtlinge in Not handele. Das UNHCR betonte in dem Zusammenhang, mit Zustimmung der Regierung in Tripolis zu arbeiten.
In Libyen herrschen seit dem Sturz von Machthaber Muammar al-Gaddafi im Jahr 2011 Chaos und Gewalt, bewaffnete Milizen und ausländische Söldner bekämpfen sich. Schlepperbanden profitieren von der Instabilität. Das Land ist eines der wichtigsten Drehkreuze für Menschenhandel in Afrika. Nach Angaben der UNO befinden sich mehr als 700.000 Migranten in dem Land, die libyschen Behörden sprechen von noch höheren Zahlen. Die libyschen Behörden, Menschenhändler und Milizen nehmen Migranten routinemäßig gefangen und halten sie in Lagern fest.
Werden in Libyen Flüchtlinge gefoltert und vergewaltigt?
Milizen werden beschuldigt, Internierungslager zu betreiben, in denen Migranten zu Tode geprügelt oder ausgehungert werden. Der libyschen Küstenwache wird vorgeworfen, Menschen im Meer manchmal zu filmen, anstatt sie zu retten. Die libyschen Behörden haben sich zu diesen Vorwürfen bisher nicht offiziell geäußert.
Migranten aus Subsahara-Afrika seien in Libyen Menschenrechtsverletzungen und unmenschlicher Behandlung ausgesetzt. „Er nannte mich immer eine ‚widerliche Schwarze‘. Er vergewaltigte mich und sagte: ‚Dafür sind Frauen geschaffen‘“, erzählte eine sudanesische Geflüchtete der BBC dieses Jahr über einen Mann, der ihr einen Job als Putzfrau angeboten hatte. „Sogar die Kinder hier sind gemein zu uns, sie behandeln uns wie Bestien. Sie beleidigen uns, weil wir schwarz und afrikanisch sind. Aber sind sie nicht selbst Afrikaner?“


