Zwischen Bundesgesundheitsminister Karl Lauterbach (SPD) und der Kassenärztlichen Bundesvereinigung (KBV) ist ein heftiger Streit über die richtige Corona-Strategie entbrannt. KBV-Chef Andreas Gassen verlangte am Wochenende das Ende der Isolationspflicht sowie eine andere Impfstrategie – Lauterbach widersprach entschieden. In deutschen Krankenhäusern gibt es unterdessen derzeit doppelt so viele Corona-Patienten wie im vergangenen Sommer.
Gassen sagte der Neuen Osnabrücker Zeitung (NOZ) vom Samstag, durch die Aufhebung aller Corona-Isolations- und Quarantänevorgaben „würde die Personalnot vielerorts gelindert“. Wer krank sei, solle zu Hause bleiben. Und wer sich gesund fühle, solle zur Arbeit gehen. „So halten wir es mit anderen Infektionskrankheiten wie der Grippe auch“, betonte Gassen. Trotz hoher Infektionszahlen seien die Corona-Verläufe „fast immer milde“.
„Infizierte müssen zu Hause bleiben“, konterte Lauterbach auf Twitter. „Sonst steigen nicht nur die Fallzahlen noch mehr, sondern der Arbeitsplatz selbst wird zum Sicherheitsrisiko.“
Infizierte müssen zur Hause bleiben. Sonst steigen nicht nur die Fallzahlen noch mehr sondern der Arbeitsplatz selbst wird zum Sicherheitsrisiko. Die Krankschreibung soll telefonisch erfolgen. https://t.co/M4slZumrvy
— Prof. Karl Lauterbach (@Karl_Lauterbach) July 23, 2022
Weltärzte-Chef Montgomery springt Lauterbach zur Seite
Auch der Präsident des Weltärztebundes, Frank Ulrich Montgomery, wandte sich gegen den Vorstoß des KBV-Vorsitzenden. Die Aufhebung von Quarantäneregeln aus Arbeitsmarktgründen ist aus ärztlicher Sicht nicht zu vertreten“, sagte er der Rheinischen Post (Montagsausgabe) „Unsere Aufgabe ist es, Menschen vor Krankheit, Leid und Tod zu bewahren und nicht, kranke Menschen zur Arbeit zu treiben.“
Gegen Gassens Vorstoß wandte sich auch die Stiftung Patientenschutz. „Der Zweck heiligt nicht alle Mittel“, erklärte Stiftungsvorstand Eugen Brysch. „Zudem haben infizierte Erwachsene fast immer Symptome.“ Brysch verwies zudem auf das Risiko von Long und Post-Covid.
Menschen, die sich mit dem Coronavirus infizieren, müssen für fünf Tage in häusliche Isolation. Beschäftigte in Einrichtungen des Gesundheitswesens müssen vor der Rückkehr zur Arbeit zudem per Schnell- oder PCR-Test nachweisen, dass sie negativ sind. Für Menschen, die Kontakt mit Corona-Infizierten hatten, wird eine fünftägige Quarantäne dringend empfohlen.
Streit um Testpflicht bei Veranstaltungen
Lauterbach verteidigte auch seine Impfstrategie gegen Gassens Kritik. „Ich halte es für problematisch, wenn der Eindruck erweckt wird, die Impfung für Ältere im Herbst sei nicht notwendig“, sagte er dem Redaktionsnetzwerk Deutschland (RND). Zumindest für die über 60-Jährigen sei unumstritten, dass die Booster-Spritze schwere Krankheitsverläufe und Todesfälle verhindern könne. Gassen hatte Lauterbachs Ziel, im Herbst 60 Millionen Impfdosen zu verabreichen, als unzureichend kritisiert.
Gassen wandte sich zudem gegen die von Bund und Ländern erwogene Testpflicht für die Besucher von Veranstaltungen. „Wer immungeschwächt oder vorerkrankt ist, dem würde ich vom Besuch eines Rockkonzertes im Stadion abraten“, sagte er der NOZ. Eine Testpflicht für Veranstaltungen, wäre aber „eine aberwitzige Rolle rückwärts“.
Nur zur Info, lieber Herr Gassen: ich habe nie behauptet, dass wir im Herbst 60 Mio Menschen impfen müssen. Auch ist es nicht hilfreich, wenn ein wichtiger Ärztefunktionär betont, er werde sich im Herbst nicht impfen lassen. Das schafft kein Vertrauen https://t.co/ZkNSpbLeCr
— Prof. Karl Lauterbach (@Karl_Lauterbach) July 23, 2022
Lindner : Keine pauschalen Freiheitsbeschränkungen
In der Diskussion über die Neufassung des Infektionsschutzgesetzes wandte sich Bundesfinanzminister Christian Lindner (FDP) derweil gegen weitergehende Corona-Schutzmaßnahmen. „Es darf in Zukunft nicht mehr flächendeckende, pauschale Freiheitseinschränkungen für alle geben“, sagte er den Funke-Zeitungen. Über das künftige Gesetz verhandelt Lauterbach derzeit mit Justizminister Marco Buschmann (FDP).




