Die Sonderbeauftragte der Bundesregierung für internationale Klimapolitik, Jennifer Morgan, hat sich zufrieden über den Auftakt der Weltklimakonferenz in Ägypten geäußert. Über die Onlineplattform Twitter lobte sie am Montag in Scharm el-Scheich, dass die Finanzierung von klimabedingten Schäden und Verlusten ins Programm aufgenommen wurde. Das habe Vertrauen aufgebaut und eine gute Atmosphäre in die Verhandlungen gebracht. In den kommenden zwei Wochen könne darauf aufgebaut werden, fügte die frühere Greenpeace-Chefin hinzu.
Day 2 at #COP27 The adoption of the agenda including room to discuss loss & damage was a good start and something 🇩🇪 has been working for. It shows that multilateralism is alive. That’s something we can build on for the negotiations over the next two weeks. @climatemorgan pic.twitter.com/GIVzDlV9Vd
— GermanForeignOffice (@GermanyDiplo) November 7, 2022
Seit Sonntag ringen Delegierte aus mehr als 190 Ländern um die Umsetzung des Pariser Klimaabkommens von 2015 und um eine Begrenzung der Erderwärmung auf möglichst 1,5 Grad Celsius. Nach dem Auftakt beschloss die Konferenz ihr Arbeitsprogramm, wobei erstmals das strittige Thema „Loss and Damage“-Finanzierung Teil der offiziellen Agenda wurde. Unter dem Titel „Schäden und Verluste“ fordern Entwicklungsländer von den Industriestaaten als Verursacher des Klimawandels Geld als Kompensation für Zerstörungen durch den steigenden Meeresspiegel, durch Dürren oder Stürme.
Von der Leyen: Müssen 1,5-Grad-Ziel in Reichweite halten
EU-Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen hat den Klimawandel zum Auftakt der Weltklimakonferenz COP27 als größte Herausforderung bezeichnet und sich zum 1,5-Grad-Ziel bekannt. „Wir stehen vor vielen Herausforderungen, aber der Klimawandel ist die größte“, schrieb die deutsche Politikerin am Montag auf Twitter. Bei der COP27 gehe es darum, gegebene Versprechen umzusetzen. „Wir müssen alles tun, was wir können, um 1,5 Grad in Reichweite zu halten.“
Mehr als 50.000 Teilnehmerinnen und Teilnehmer haben sich laut dem UN-Klimasekretariat zu dem knapp zweiwöchigen Gipfel angemeldet. Für Montag und Dienstag wird Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) bei den Verhandlungen erwartet.
Der Umgang mit Schäden und Verlusten, die der Klimawandel jetzt schon in aller Welt verursacht, zählt bei der UN-Klimakonferenz in Scharm el-Scheich zu den Knackpunkten der Verhandlungen. Ein Überblick über Inhalte und Stand der Verhandlungen:
Worum geht es?
Bei den UN-Klimakonferenzen stehen der Kampf gegen die Ursachen des Klimawandels und Maßnahmen zur Anpassung an die Erderwärmung im Vordergrund. Insbesondere Entwicklungsländer und kleine Inselstaaten weisen aber schon seit Jahren darauf hin, dass sie die Auswirkungen der Erderhitzung bereits deutlich zu spüren bekommen.
Sie fordern daher zusätzliche Finanzhilfen der Industriestaaten. Schließlich werden die Schäden durch zunehmende Extremwetterereignisse wie Überschwemmungen und Dürren immer größer – und das vor allem im globalen Süden, obwohl dieser am wenigsten zur Erderwärmung beigetragen hat.
Zunehmende Klimaschäden führen zu einer wachsenden Verschuldung der Entwicklungsländer und einem erschwerten Zugang zu den Finanzmärkten wegen ihrer Klimarisiken. Vielen Entwicklungs- und Inselstaaten werde so „der Hals komplett zugedrückt durch die Klimakrise“, sagt Sabine Minninger von Brot für die Welt.
Entwicklungsländer und NGOs verweisen mit Blick auf die massiven Treibhausgasemissionen der Industriestaaten immer wieder auf das Verursacherprinzip. Die Industrieländer, allen voran die USA, fürchten, zu enormen Klima-Reparationszahlungen verpflichtet zu werden, und treten daher bei den Verhandlungen auf die Bremse.
Um welche Summen geht es?
Allein die V20-Gruppe aus 58 besonders gefährdeten Staaten beziffert ihre Kosten in den vergangenen 20 Jahren auf 525 Milliarden Dollar (587,3 Milliarden Euro). Laut einer Studie der London School of Economics könnten die klimabedingen Schäden und Verluste bis 2050 auf eine bis 1,8 Billionen Dollar jährlich steigen.
Was wurde bis jetzt erreicht?
Bei der COP 2013 in Warschau wurde der Internationale Warschau-Mechanismus zu Loss and Damage (WIM) geschaffen, um zumindest den Erfahrungsaustausch und das Zusammentragen von Wissen über das Thema zu fördern. 2019 wurde das Santiago Loss & Damage Network gegründet, das technische Unterstützung bei der Bewältigung klimabedingter Schäden in Entwicklungsländern leisten soll. Damit dieses Netzwerk seine Arbeit tatsächlich aufnehmen kann, müssen in Scharm el-Scheich noch letzte Fragen wie die Einrichtung eines Sekretariats geklärt werden.
Bei der COP26 vergangenes Jahr in Glasgow konnten sich die Entwicklungsländer und kleinen Inselstaaten nicht mit ihrer Forderung nach einem L&D-Finanzierungsmechanismus durchsetzen. Auf Druck der USA und anderer Industriestaaten wurde als Minimalkompromiss nur der „Glasgow Dialogue“ beschlossen. Er soll einen Rahmen für die Diskussion über L&D-Finanzierungsmaßnahmen mit jährlichen Sitzungen bis 2024 bieten. Es fehlt allerdings an klar definierten Zielsetzungen dieses Dialogs.
Zusätzlich hat die Gruppe der sieben führenden Industriestaaten (G7) dieses Jahr unter deutschem Vorsitz den Globalen Schutzschirm gegen Klimarisiken gegründet. Dieser „Global Shield“ soll Aktivitäten im Bereich der Klimarisikoabsicherung und -vorsorge bündeln und die schnelle Auszahlung von Hilfen ermöglichen. Deutschland will in Scharm el-Scheich für diese Initiative werben. Außerdem wird damit gerechnet, dass die Bundesregierung auf der COP27 einen zweistelligen Millionenbetrag für den Schutzschirm zusagt.
Was wird von der COP27 erwartet?
Ein erster Fortschritt war, dass zu Konferenzbeginn Loss and Damage als eigener Punkt auf der Verhandlungsagenda verankert wurde. Ein „maximaler Erfolg“ bei dem Thema wäre aus Sicht von Sven Harmeling, L&D-Experte der Hilfsorganisation Care, ein Grundsatzbeschluss, einen eigenen Fonds für Loss and Damage auszuarbeiten.
Darum wird allerdings hart gerungen werden und insbesondere die USA werden sich dem entgegenstellen. Denkbar ist, dass eine Art Gruppe der Willigen in der Sache vorangeht. Mit von der Partie könnte Dänemark sein, das als erster Staat konkrete Finanzzusagen für die Bewältigung klimabedingter Schäden gemacht hat, sowie Kanada, das sich immerhin grundsätzlich zu solchen Zahlungen bereit erklärt hat.



