Migration

Kehrtwende in Kanada: Regierung will Migration deutlich beschränken

Seine Regierung habe „das Gleichgewicht nicht ganz richtig hinbekommen“, räumt Premierminister Trudeau beim Thema Einwanderung ein. Nun zieht die kanadische Regierung Konsequenzen.

Der kanadische Premierminister Justin Trudeau bei einer Pressekonferenz am Donnerstag
Der kanadische Premierminister Justin Trudeau bei einer Pressekonferenz am DonnerstagSean Filpatrick/ZUMA Press/imago

Die kanadische Regierung hat angekündigt, Migration in den kommenden drei Jahren stärker begrenzen zu wollen. Das teilte die Regierung am Donnerstag mit. Damit verändert das nordamerikanische Land deutlich seinen bisherigen Kurs. Kanada hatte in den vergangenen Jahren stark auf Einwanderung gesetzt, um die Wirtschaft voranzutreiben und sich in Sachen Migration als Vorreiter präsentiert.

Seit seinem Amtsantritt im Jahr 2015 hatte Premierminister Justin Trudeau die Einwanderungszahlen stetig erhöht. Für das Jahr 2022 setzte sich Kanada schließlich Rekordziele, auch um den Arbeitskräftemangel infolge der Corona-Pandemie zu beheben. „Kanada braucht mehr Menschen“, hieß es damals noch von Sean Fraser, dem damaligen Einwanderungsminister. So habe man eine Rezession verhindert, resümierte die Regierung am Donnerstag.

Wohnungsmarkt und Sozialsystem: Kanadier ändern Meinung zu Migration

Die Kehrtwende kommt nun zu einem Zeitpunkt, an dem Umfragen zeigen, dass die Unterstützung für die Einwanderung abnimmt. Die Befürchtungen in der Bevölkerung sind demnach vor allem, dass durch Migration die seit langem bestehende Wohnungsknappheit verschärft und das ohnehin überlastete Gesundheitssystem zusätzlich überfordert werden könnte. Seine Regierung habe „das Gleichgewicht nicht ganz richtig hinbekommen“, räumte Premierminister Justin Trudeau bei einer Pressekonferenz am Donnerstag ein. In einem Beitrag auf X schreibt er weiter: „Wir müssen dafür sorgen, dass das System für alle Kanadier gut funktioniert.“

Nach dem vom Einwanderungsminister Marc Miller vorgestellten „2025–2027 Immigration Levels Plan“ soll Kanada im Jahr 2025 insgesamt 395.000 neue Daueraufenthaltsberechtigte aufnehmen, was einem Rückgang von 21 Prozent gegenüber dem im letzten Jahr gesetzten Ziel von 500.000 entspricht. Diese Zahl wird dem Plan zufolge weiter auf 380.000 im Jahr 2026 und 365.000 im Jahr 2027 sinken. Alle diese Zahlen liegen unter dem für dieses Jahr gesetzten Ziel von 485.000. 

Deutliche Rückgänge soll es dem Plan zufolge auch für temporäre Aufenthaltsgenehmigungen geben. Darunter fallen etwa internationale Studierende und ausländische Arbeitskräfte. Ihre Zahl soll in den Jahren 2025 und 2026 voraussichtlich um fast 450.000 Menschen sinken. Im Jahr 2023 hatten etwa 800.000 Menschen diesen Status inne. Es ist das erste Mal überhaupt, dass es für diese Gruppen Beschränkungen geben soll.

Kanada will Bevölkerungswachstum eindämmen

Grund für die neuen Beschränkungen ist der kanadischen Regierung zufolge auch das rasante Bevölkerungswachstum in dem Land. So war Kanada zuletzt schneller gewachsen als die anderen G7-Staaten und überholte auch Länder mit deutlich höheren Geburtenraten wie Indien beim relativen Bevölkerungswachstum. Inzwischen zählt Kanada 41 Millionen Einwohnerinnen und Einwohner (Zahlen aus April 2024) – ein deutliches Plus im Vergleich zum Jahr 2015, als es noch rund 35 Millionen Einwohner hatte. 98 Prozent des Wachstums gingen den Angaben der Behörde zufolge auf Migration zurück.

Migrantenorganisation: Einwanderer nicht für Wohnungskrise verantwortlich

Migrantenorganisationen in Kanada kritisieren die neuen Maßnahmen scharf. Der Sprecher des Migrants Rights Network sagte gegenüber der kanadischen Zeitung Globe and Mail etwa, dass jede Reduzierung der Einwanderungszahlen ein „Zugeständnis an die vorurteilsbehaftete öffentliche Meinung“ sei. „Wenn es auch nur eine kleine Reduzierung der dauerhaften Einwanderung gibt, würde die liberale Regierung der fremdenfeindlichen Vorstellung nachgeben, dass Migranten für die Wohnungs- und Wirtschaftskrise verantwortlich sind“, so Syed Hussan gegenüber dem Blatt.

Kanada will jedoch auch künftig auf Einwanderung setzen. Die neuen Deckelungen würden laut Trudeau nur „übergangsweise“ eingeführt. Zudem weist die Regierung darauf hin, dass Einwanderer in allen Bereichen der kanadischen Wirtschaft einen „wichtigen Beitrag“ leisteten – vor allem im Gesundheitswesen, im Baugewerbe und im Transportwesen.