Politik

Katrin Lange: Brandenburgs Innenministerin tritt zurück und rechnet scharf mit AfD-Debatte ab

Über die Einstufung der Brandenburger AfD als rechtsextrem gab es Unstimmigkeiten. Lange sagt nun: „für Irrwege stehe ich nicht zur Verfügung“. Ein Parteifreund spricht von Intrigen.

Katrin Lange (SPD) ist als Innenministerin Brandenburgs zurückgetreten.
Katrin Lange (SPD) ist als Innenministerin Brandenburgs zurückgetreten.Michael Bahlo/dpa

Brandenburgs Innenministerin Katrin Lange (SPD) ist inmitten der Diskussion über die Entlassung des Chefs des Landesverfassungsschutzes, Jörg Müller, zurückgetreten.

Um 17.30 Uhr am Freitag traten Lange und Ministerpräsident Woidke in Potsdam gemeinsam vor die Presse. Lange wirkte sichtlich aufgewühlt. Die Debatte um ihre Person habe inhaltliche Fragen überschattet, das sei nicht gut, sagte sie. In der lebhaften Diskussion in der Brandenburger SPD, die sie begrüße, sei es zu Unterstellungen ihr gegenüber gekommen, die sie nicht mehr bereit sei zu akzeptieren.

Katrin Lange wirft eigener SPD sowie Grünen, Linken und CDU Intrigen vor

In Brandenburg, auch in der SPD, war um Langes Rolle bei der Entlassung von Müller gestritten worden. Lange hatte ihn entlassen, weil sie nach von dessen Entscheidung zur Hochstufung der AfD in Brandenburg als „gesichert rechtsextrem“ zu spät unterrichtet worden war. Das gab Lange als Begründung an. Diese Darstellung wurde in Zweifel gezogen. Lange sei durchaus vorher informiert worden, sagten Kritiker, habe aber die Hochstufung des Landesverbands verhindern wollen.

Katrin Lange nutzte ihr Statement am Freitag für eine Abrechnung über Umgang mit der AfD in der deutschen Politik. Sie sei der Ansicht, dass Form und Inhalt der Auseinandersetzung mit der Partei überdacht werden müssten, sagte sie: „Ich bin nicht für einen weicheren Umgang mit der AfD, sondern für einen besseren und wirksameren; für so einen, der die AfD endlich einmal kleiner macht statt immer größer“

Man müsse den Souverän durch Angebote überzeugen, bei der Wahl anders zu entscheiden, sagte Lange. In der deutschen Politik sei sie mit ihrer Haltung zum Teil „einer Minderheit“ geworden. „Viele AfD-Wähler haben in Brandenburg früher SPD gewählt“, sagte sie weiter. Sie sei nicht bereit, ein Drittel der Brandenburger Wähler abzuschreiben, das würde Spaltungen in der Gesellschaft vertiefen und verheerende Auswirkungen für die SPD haben.  Es wäre auch ein Abschied von der freiheitlichen Tradition der ostdeutschen Sozialdemokratie. „Für einen solchen Irrweg stehe ich nicht zur Verfügung. Ich lasse mich auch nicht verbiegen.“

Lange äußerte sich auch zum Vorwurf, sie habe nicht die Wahrheit gesagt. Wegen„ eines in der Tat schwierig und schlecht vermittelbaren Ganges der Dinge in Sachen Hochstufung“ würden ihr die unmöglichsten Dinge unterstellt. Es seien Desinformationen über sie verbreitet worden, in der eigenen Partei werde gegen sie intrigiert. Grüne und Linke machten Stimmung gegen sie, „und die CDU macht auch noch mit.“ Es gebe Grenzen der Schäbigkeit und Niedertracht, die überschritten worden seien.

Katrin Lange behält ihr Mandat als Abgeordnete

Lange griff mehrfach zu dem Wasserglas auf dem Pult vor sich, verschaffte sich Pausen. Als sie zum Dank an Kollegen in der SPD überging, brach ihre Stimme fast. Sie dankte Matthias Platzeck, Karl-Heinz Schröter, Katrin Schneider  und Dietmar Woidke: „Brandenburg kann sich glücklich schätzen, einen solchen Ministerpräsidenten zu haben“, sagte sie. Woidke sei ein echter „roter Preuße“. Auch bei ihrer Familie, Freunden und Mitarbeitern bedankte sie sich. Und versprach, auf Dorffesten wieder mehr Kuchen zu backen.

Ihre Arbeit als Abgeordnete im Landtag will Katrin Lange fortsetzen, als stellvertretende Vorsitzende der SPD des Landes will sie nicht mehr kandidieren. „Ämter sind Macht auf Zeit, plötzliche Veränderungen gehören dazu“, sagte sie.

Nach Katrin Lange sprach Dietmar Woidke, er sei „emotional doch ein bisschen angefasst“, sagte er. Er habe die Entscheidung von Lange respektiert, aber sich „gewünscht, dass es sie nicht geben muss.“

Lange diene dem Land - wie in zehn Jahren als Staatssekretärin und Ministerin - auch mit diesem Schritt, sagte der Ministerpräsident. Das Dienen bestehe darin, dass sie persönliche Interessen hintenanstelle, auch ihren Traum, in das Innenministerium, in dem sie einst gelernt habe, zurückzukehren. Katrin Lange zeige Größe und setze ein Zeichen.

Immer wieder sahen sich Lange und Woidke an, während der Ministerpräsident sprach. „Brandenburg ist Katrin Lange zu großem Dank verpflichtet“, sagte Woidke. Das Land sähe anders aus, wenn es Lange in verantwortlicher Position nicht gegeben hätte.

Dann traten die beiden ab. Und kamen mit einem „ach so“ von Woidke noch einmal zurück, weil sie etwas vergessen hatten. Die Übergabe der Entlassungsurkunde an Katrin Lange.

SPD-Landrat Gernot Schmidt: „Tiefpunkt für die Kultur in Deutschland“

Der Landrat von Märkisch-Oderland, Gernot Schmidt, SPD, bedauerte den Rücktritt der Innenministerin. Der Berliner Zeitung sagte er kurz nach ihrem Rücktritt, Lange sei eine couragierte, kluge, ostdeutsche Frau, die durch schmutzige Intrigen gestürzt worden sei. Er sprach von einem „Tiefpunkt für die brandenburgische Sozialdemokratie und für die Kultur in Deutschland“.

Nach den Gründen für den Rücktritt gefragt, sagte er, Lange sei offensichtlich Opfer einer Medienkampagne geworden, vom ehemaligen Chef des Verfassungsschutzes, Jörg Müller, initiiert. Ein politischer Beamter wie Müller habe nicht das Recht, gegen eine vom Volk gewählte Ministerin so eine Kampagne zu starten. Das stelle Demokratie auf den Kopf, führe dazu, dass Deutschland von Ideologen geführt werde und führe an der eigentlich wichtigen Frage vorbei: Warum 30 Prozent der Brandenburger die AfD wählen.

Zu den Kritikern Langes aus der Brandenburger SPD gehört Uwe Adler, Landtagsabgeordneter, von Beruf Polizist. Am Morgen vor dem Rücktritt der Innenministerin sagte er der Berliner Zeitung, es gehe nicht nur darum, wer zu welchem Zeitpunkt was wusste, wichtig sei, ob Leute in Verantwortung seien, die zur sozialdemokratischen DNA passten.

Adler kritisierte vor allem, dass Lange vor wenigen Tagen eine Dienstanweisung aus dem Jahr 2023 zurückgenommen hatte. Darin hieß es, nicht der Innenminister, sondern der Verfassungsschutz entscheide über die Einstufung der AfD. Die fachliche und politische Einschätzung, ob eine Partei wie die AfD rechtsextrem sei oder nicht, sollte unbedingt voneinander getrennt sein, so Adler.

Für die Brandenburger CDU begrüßte Landeschef Jan Redmann am Freitag den Rücktritt der Innenministerin. Der Schritt sei „unabwendbar“ gewesen. Jetzt müsse es darum gehen, „dass die Unabhängigkeit des Verfassungsschutzes schnellstmöglich wieder hergestellt wird.“