Rechtsprechung zu Arbeitszeiten

Gericht: Fahrtzeiten zu Arbeitseinsatzorten zählen als Arbeitszeit – auch für Mitfahrer

Das Urteil könnte weitreichende Folgen für viele Unternehmen haben. Insbesondere bei Außendiensttätigkeiten und Projekteinsätzen an wechselnden Orten.

Das Foto zeigt ein Schild mit der Aufschrift „Cour de Justice de l’Union Europeene“ vor einem Gebäude des Europäischen Gerichtshofs (EuGH) in Luxemburg.
Das Foto zeigt ein Schild mit der Aufschrift „Cour de Justice de l’Union Europeene“ vor einem Gebäude des Europäischen Gerichtshofs (EuGH) in Luxemburg.Harald Tittel

Der Europäische Gerichtshof (EuGH) hat in einem Vorabentscheidungsverfahren aus Spanien entschieden, dass Reisezeiten zu Arbeitsorten, die vom Arbeitgeber vorgegeben werden, auch für Mitfahrer als Arbeitszeit gelten. Das Urteil könnte weitreichende Folgen für die Arbeitszeitregelungen vieler Unternehmen haben.

In dem zugrunde liegenden Fall geht es um ein Unternehmen, das öffentliche Investitionen zur Verbesserung von Naturräumen umsetzt. Die Mitarbeiter fahren täglich von zu Hause zu vorgegebenen Stützpunkten, wo sie ein Fahrzeug mit dem notwendigen Material erhalten. Um 8 Uhr morgens starten sie vom Stützpunkt zum Arbeitseinsatzort und kehren um 15 Uhr zurück. Anschließend fahren alle eigenständig nach Hause. Die Arbeitsverträge sahen bisher vor, dass die Fahrt zwischen Stützpunkt und Arbeitsstelle nicht als Arbeitszeit gilt.

Auswirkungen auch für deutsche Rechtsprechung

Der EuGH stellte nun klar, dass diese Fahrten sehr wohl als Arbeitszeit zu werten sind. Er begründet dies mit Artikel 2 der EU-Arbeitszeitrichtlinie (2003/88/EG). Demnach ist Arbeitszeit jede Zeitspanne, in der ein Arbeitnehmer arbeitet, dem Arbeitgeber zur Verfügung steht und seine Tätigkeit ausübt oder Aufgaben wahrnimmt. Es müssen also drei Kriterien erfüllt sein: „zur Verfügung stehen“, „Tätigkeiten ausüben“ und „Arbeiten“.

Zum dritten Kriterium hatte der EuGH bereits in einer früheren Entscheidung festgestellt, dass bei Arbeitnehmern ohne festen Arbeitsort, die ihre Aufgaben während der Fahrt zu oder von einem Kunden wahrnehmen, davon auszugehen sei, dass sie während dieser Fahrt arbeiten.

Das Urteil dürfte auch Auswirkungen auf die deutsche Rechtsprechung haben. Das Bundesarbeitsgericht (BAG) hat sich zwar, soweit ersichtlich, nicht mehr mit derartigen arbeitszeitrechtlichen Fragen beschäftigt, würde die Sichtweise des EuGH aber vermutlich aufgreifen, wie LTO berichtet.

Für viele Unternehmen könnte das Urteil eine Anpassung ihrer Arbeitszeitregelungen erforderlich machen. Insbesondere bei Außendiensttätigkeiten und Projekteinsätzen an wechselnden Orten müssen Fahrtzeiten zu vorgegebenen Treffpunkten oder Einsatzorten künftig als Arbeitszeit berücksichtigt werden – auch wenn die Mitarbeiter dabei nur mitfahren und selbst nicht am Steuer sitzen.