Politik

Geheim-Protokolle von Helmut Kohl: So sprach er über die DDR, die Nato und die Ukraine

Im Wahlkampf 1998 veröffentlichte Helmut Kohl interne Dokumente, brisante Zitate mit Fehleinschätzungen gab er aber nicht frei. Jetzt werden diese öffentlich.

Helmut Kohl nach der Wende mit Angela Merkel 1991.
Helmut Kohl nach der Wende mit Angela Merkel 1991.Michael Jung/dpa

Brisante Zitate des früheren Bundeskanzlers Helmut Kohl (CDU) aus der Wendezeit sind ans Licht der Öffentlichkeit gekommen. Kohl äußert sich darin kritisch bis teilweise herablassend über die Ukraine, die DDR, Tschechien und die Nato, wie der Spiegel in seiner aktuellen Ausgabe schreibt.

Die Zitate stammen aus Dokumenten, die Kohl vor der Bundestagswahl 1998 in einer „Sonderedition Deutsche Einheit“ veröffentlichen ließ. Sie enthielt Hunderte Schlüsseldokumente zur Einheit und sorgte weltweit für Aufsehen. Allerdings wurden in mehreren Dutzend Fällen einzelne Wörter, Sätze oder auch längere Passagen aus den Papieren ausdrücklich „nicht freigegeben.“

Nun konnte der Spiegel die Originaldokumente noch mal sichten: Kohl hatte demnach über den tschechoslowakischen Präsidenten Václav Havel gesagt, dieser verstehe „von Politik im Detail nichts“ und solle als Staatschef der Tschechoslowakei besser nur eine „Übergangszeit“ amtieren. Doch Havel wurde nach dem Zerfall der Tschechoslowakei 1993 auch noch Präsident Tschechiens und füllte das Amt bis 2003  aus – da war Kohl längst abgewählt.

Helmut Kohl war gegen die Unabhängigkeit der Ukraine

Über die Ukraine, die 1990 noch zur Sowjetunion zählte, gab Helmut Kohl eine Fehleinschätzung ab. Die Ukraine sei „ein Herzstück des Landes“, seine Unabhängigkeit sei ausgeschlossen, sagte Kohl damals zu Frankreichs Staatspräsidenten François Mitterrand. Knapp zwei Jahre später war die Sowjetunion zerfallen, und die Ukraine hatte ihre Souveränität erlangt.

Die alte Bundesregierung unter Helmut Kohl soll der damaligen Sowjetunion zugesagt haben, dass die Nato sich nicht nach Osten erweitern werde: Kurz nach Rückkehr seines Außenministers aus Moskau sprach der Kanzler mit Mitterrand. In einem vollständigen Vermerk des Treffens am 15. Februar 1990 steht dem neuen Bericht zufolge wörtlich: „Präsident Mitterrand ist der Auffassung, man müsse feierlich erklären, dass die Nato nicht nach Osten vorgeschoben werde.“ Kohl entgegnete, er halte „dies für richtig“.

Peter Hartmann, damals Gruppenleiter im Kanzleramt und später Kohls Berater, schrieb am 29. Januar 1990 über die kritische Haltung der Amerikaner zur DDR: Die „Extremvorstellung, wonach das Nato-Bündnis – ob politisch oder sogar militärisch – über kurz oder lang die DDR vereinnahmen würde, ist – gelinde gesagt – unrealistisch. Wer diese Linie ernsthaft verficht, blockiert de facto die Wiederherstellung der deutschen Einheit“. Die Amerikaner als Blockierer der Einheit? Das sollte offenbar geheim bleiben.

Kohl lästerte über Gregor Gysi: „Die Leute in der DDR mögen ihn nicht“

Helmut Kohl sprach im Januar 1990 mit dem französischen Präsidenten auch über Gregor Gysi, den damaligen SED-Chef, in schlechtem Ton. In einem Gesprächsprotokoll steht dazu wörtlich: „Präsident Mitterrand bemerkt, Gysi sei eine Persönlichkeit. Dies sei für ihn überraschend gewesen. Er sei Jude, sein Vater habe in Frankreich gewohnt. Gysi sei ein sehr intelligenter und fähiger Mann.“ Im Protokoll heißt es weiter: „Der Bundeskanzler bemerkt, die Menschen hätten Angst vor ihm. Er gelte als undurchsichtig. Die Leute in der DDR würden ihn nicht mögen. Präsident Mitterrand bezeichnete Gysi als zynischen Intellektuellen.“

Der Spiegel ordnet die Aussagen der Staatsmänner in seinem Bericht am Sonntag ein: Gregor Gysi sei nach jüdischem Religionsgesetz kein Jude und verstehe sich nicht als solcher. Auch wohnte sein Vater nicht in Frankreich. Die Nazis hatten vielmehr Klaus Gysi als Kommunisten und Juden verfolgt.

Kohl war von 1982 bis 1998 der sechste Bundeskanzler der Bundesrepublik. 2017 ist er gestorben.