Israels Vorgehen im Gazastreifen könne nicht länger mit Terrorismusbekämpfung gerechtfertigt werden, sagte Bundeskanzler Friedrich Merz in seiner bisher schärfsten Kritik an der Regierung von Ministerpräsident Benjamin Netanjahu. „Das, was die israelische Armee jetzt im Gazastreifen macht: Ich verstehe offen gestanden nicht mehr, mit welchem Ziel“, sagte Merz beim WDR-Europaforum in Berlin.
„Die Zivilbevölkerung derart in Mitleidenschaft zu nehmen, wie das in den letzten Tagen immer mehr der Fall gewesen ist, lässt sich nicht mehr mit einem Kampf gegen den Terrorismus der Hamas begründen.“
Merz betonte, Deutschland müsse sich mit öffentlicher Kritik an Israel „so weit zurückhalten wie kein anderes Land auf der Welt“. Wenn aber das humanitäre Völkerrecht verletzt werde, müsse auch der Bundeskanzler etwas sagen. „Die Frage ist: Wie deutlich übt man die Kritik jetzt - und da bin ich aus historischen Gründen zurückhaltender.“
Meine Antwort zu den aktuellen Entwicklungen in Gaza: pic.twitter.com/IF7S3geyy6
— Bundeskanzler Friedrich Merz (@bundeskanzler) May 26, 2025
Israels Finanzminister spricht von vollständiger Zerstörung des Gazastreifens
Die israelische Armee soll im Zuge der groß angelegten Offensive nach dem Willen der Regierung den Gazastreifen erobern und auf Dauer besetzt halten. Der Plan sieht nach Angaben aus Regierungskreisen auch vor, die palästinensische Bevölkerung vom Norden in den Süden zu bewegen.
Israels Finanzminister Bezalel Smotrich sagte, dass der Gazastreifen infolge eines israelischen Militärsieges „vollständig zerstört“ werde. Die palästinensische Bevölkerung werde dann „in großer Zahl in Drittländer abwandern“, fügte er hinzu. Er beschrieb den Küstenstreifen als „eine einzige große Terrorinfrastruktur, über und unter der Erde“. Seine Äußerungen schürten die Befürchtungen vor ethnischen Säuberungen in den besetzten Gebieten.
Die israelischen Drohungen, die Kontrolle über das Gebiet dauerhaft zu übernehmen, lösten weltweit Empörung aus. Die Staats- und Regierungschefs von Frankreich, Großbritannien und Kanada drohten Israel der Militäroffensive mit „konkreten Maßnahmen“. Die Regierungen der Länder seien entschlossen, „einen palästinensischen Staat als Beitrag zur Realisierung einer Zweistaatenlösung anzuerkennen“, hieß es am vergangenen Dienstag in einer Mitteilung.
Laschet wirft Israel Verstoß gegen Völkerrecht vor
Israel hatte nach einer zweimonatigen Waffenruhe am 18. März seine Angriffe im Gazastreifen wieder aufgenommen und zuletzt noch verstärkt. Die Lage der notleidenden palästinensischen Zivilbevölkerung ist seit Monaten katastrophal und verschärft sich durch unzureichende Hilfslieferungen, die von Israel teils blockiert werden.
Der CDU-Außenpolitiker Armin Laschet bezeichnete das Vorgehen Israels als völkerrechtswidrig. „Lebensmittellieferungen, Hilfslieferungen, Medikamentenlieferungen für die Bevölkerung zurückzuhalten, das bekämpft nicht die Hamas. Das verstößt auch gegen internationale Regeln, und deshalb muss die Hilfe stattfinden“, sagte der Vorsitzende des Auswärtigen Ausschusses im Bundestag in der ZDF-Sendung „Berlin direkt“.
Deutsche Politiker fordern Stopp der Waffenlieferungen an Israel
„Deutsche Waffen dürfen nicht zur Verbreitung humanitärer Katastrophen und zum Bruch des Völkerrechts genutzt werden“, sagte der außenpolitische Sprecher der SPD-Bundestagsfraktion Adis Ahmetovic dem Magazin Stern. Ähnlich äußert sich SPD-Außenpolitiker Ralf Stegner: „Die humanitäre Katastrophe für die palästinensische Zivilbevölkerung und der Bruch des Völkerrechts durch die Regierung Netanjahu“ müssten „sofort beendet“ werden, sagte er dem Stern. Dieses Vorgehen dürfe „nicht auch noch mit deutschen Waffen verlängert werden“.
„Waffen, die dazu dienen, Zivilisten in Gaza zu töten, können in einer solchen Situation nicht geliefert werden“, sagte auch Grünen-Parteichef Felix Banaszak. Israel habe das Recht, die radikalislamische Hamas „als Terrororganisation zu behandeln“. Gleichzeitig müsse aber beim Vorgehen im Gazastreifen die „Verhältnismäßigkeit gewahrt bleiben“.
Der Vorsitzende der Linksfraktion im Bundestag, Sören Pellmann, begrüßte die Forderungen aus der SPD. Es sei „nicht mehr vermittelbar, dass die Bundesregierung bei dieser humanitären Katastrophe und den ständigen Völkerrechtsbrüchen durch die Regierung Netanjahu nicht nur tatenlos zuguckt, sondern diese auch noch mit der Lieferung diverser Waffen und Ersatzteile unterstützt“, sagte er der Nachrichtenagentur AFP. „Das muss sofort beendet werden.“


