Berliner Linke

Friedrichshain-Kreuzberg: Vize-Bürgermeister Oliver Nöll verlässt Linke

Die Berliner Linke steckt tief in der Krise, mehrere prominente Mitglieder sind ausgetreten. Nun zieht ein weiterer Politiker aus Friedrichshain-Kreuzberg nach. So begründet er seinen Austritt.

Der stellvertretende Bezirksbürgermeister von Friedrichshain-Kreuzberg, Oliver Nöll, verlässt die Linkspartei.
Der stellvertretende Bezirksbürgermeister von Friedrichshain-Kreuzberg, Oliver Nöll, verlässt die Linkspartei.Emmanuele Contini

Die Austrittswelle in der Berliner Linken setzt sich fort. Am Mittwochabend verkündete Oliver Nöll, stellvertretender Bezirksbürgermeister und Stadtrat in Friedrichshain-Kreuzberg, auf seinem Facebook-Account, dass er die Linkspartei verlässt. Der Grund: Die Linke in Berlin entwickle sich von einer demokratischen Partei zu einem „Sammelbecken vermeintlich ‚linker‘ Sekten“. Nöll verlässt die Partei nach 20 Jahren.

„Neben Forderungen, jegliche politische Zusammenarbeit mit anderen Parteien zu beenden, Träumereien von ‚Systemüberwindung‘ und fragwürdigen Konzepten einer ‚Bewegungslinken‘ begegnet mir zunehmend eine sich verfestigende Ablehnung der parlamentarischen Demokratie und ihrer Institutionen“, schreibt Nöll in seiner Erklärung. Er habe festgestellt, dass innerhalb der Partei immer weniger über konkrete Maßnahmen zur Verbesserung der Lebensbedingungen und immer mehr über linkstheoretische Debatten diskutiert werde. Die Partei wandle sich zu einem „polittheoretischen Diskussionszirkel“.

Antisemitismus-Eklat: Mehrere Mitglieder verlassen Berliner Linke nach Parteitag

In seiner Erklärung kritisiert Nöll insbesondere die „lautstarke Kritik von Teilen der Partei an Israel und der aktuellen israelischen Regierung, die die Grenze zum Antisemitismus überschreitet.“ Nöll und weiteren Mitgliedern, die bereits ausgetreten sind oder das in den kommenden Wochen tun werden, sei vorgeworfen worden, „viel zu lange viel zu tolerant“ gewesen zu sein.

Auf dem Landesparteitag der Linken am 11. Oktober war es wegen eines Antrags gegen Antisemitismus zum Eklat gekommen. Mehrere prominente Mitglieder stürmten aus dem Saal und traten später auch aus der Partei aus, darunter Berlins ehemaliger Kultursenator Klaus Lederer.

Dazu schreibt Nöll: „Ich persönlich kann nicht in einer Partei Mitglied sein, die toleriert, dass Fahnen der Linken auf Demonstrationen wehen, wo ‚From The River ...‘ skandiert wird“. In der Partei gebe es „einen nicht unerheblichen Teil“ von Mitgliedern, „deren verfestigt antizionistische Haltung, deren Eintreten für die palästinensische Bevölkerung oder irgendwelche kruden ‚antiimperialistischen‘ Überzeugungen zu einer Überschreitung der für mich akzeptablen Grenze zu antisemitischen Gesinnungen“ führe.

Seit 2021 ist Nöll stellvertretender Bürgermeister und Stadtrat für die Bereiche Arbeit, Bürgerdienste und Soziales. Von 2016 bis 2021 war er Fraktionsvorsitzender der Linken in der Bezirksverordnetenversammlung Friedrichshain-Kreuzberg. Mit seinem sofortigen Austritt stellen sich einige Fragen, die am Donnerstag noch unbeantwortet bleiben. Wird Nöll weiterhin seine politischen Ämter in der BVV innehaben, dann möglicherweise als Parteiloser? Kommt es in der BVV zu Neuwahlen? Die Linksfraktion wollte sich auf Anfrage der Berliner Zeitung zu dem Fall nicht äußern. Am Montag finde dazu ein Fraktionstreffen statt.