Demonstrationen

Bundesweite Proteste: Hunderttausende demonstrieren gegen Rechtsextremismus

Am Samstag ist wieder in zahlreichen Städten gegen das Erstarken der AfD demonstriert worden. Laut ersten Zählungen seien es zwischen 200.000 und 300.000 Menschen gewesen. 

Zahlreiche Menschen demonstrieren auf dem Frankfurter Römer gegen Rechts und die AfD. 
Zahlreiche Menschen demonstrieren auf dem Frankfurter Römer gegen Rechts und die AfD. Hannelore Foerster/Imago

In Deutschland sind am Samstag Hunderttausende gegen Rechtsextremismus auf die Straße gegangen. In einigen Städten lagen noch keine abschließenden Zahlen beider Seiten vor. Nach Angaben der Deutschen Presse-Agentur zählten Polizei und Veranstalter bis zu 300.000 Demonstranten, die Nachrichtenagentur berichtete von mehr als 200.000 Teilnehmern.

Allein in Frankfurt am Main und in Hannover waren es nach Angaben von Polizei und Veranstaltern jeweils 35.000 Menschen - ein Motto war „Demokratie verteidigen“. Der Frankfurter Römer war voller Menschen, die Transparente mit Aufschriften wie „Alle zusammen gegen den Faschismus“ und „Kein Platz für Nazis“ trugen. Der große Zustrom machte es nötig, den Bereich der Kundgebung vom Marktplatz Römer auf die umliegenden Straßen und Plätze auszuweiten.

Rund 16.000 Demonstranten waren es in Halle, 20.000 in Karlsruhe und mindestens 6000 in Erfurt. Sogar auf der Insel Sylt gingen 600 Menschen auf die Straße.

Kundgebungen gab es in zahlreichen weiteren Städten, darunter Dortmund und Braunschweig. Für Sonntag sind unter anderem Demonstrationen in Berlin, Köln und München geplant. Auslöser der Protestwelle war eine „Correctiv“-Recherche über ein Treffen von AfD-Vertretern, Neonazis und Unternehmern Ende November, bei dem über die Ausweisung von Menschen mit Migrationsgeschichte gesprochen wurde.

„Alle zusammen gegen die AfD“

In Dortmund gab die Polizei die Teilnehmerzahl mit 30.000 an. In Wuppertal schätzte die Polizei die Zahl der Teilnehmer auf etwa 10.000, in Recklinghausen auf circa 12.000. Dort stand die Demo unter dem Motto „Gemeinsam und solidarisch! Gegen Ausgrenzung, Hass und Hetze!“. In Stuttgart versammelten sich die Menschen unter dem Motto „Alle zusammen gegen die AfD“. Ein Sprecher des Veranstalters - das Bündnis Stuttgart gegen Rechts - schätzte die Teilnehmerzahl auf 20.000 Menschen - ein Polizeisprecher hielt das für möglich. Ebenfalls 20.000 waren es laut Polizei in Karlsruhe. Etwa 18.000 Menschen kamen nach Angaben der Polizei in Heidelberg zusammen.

In Kassel sprach die Polizei von 12.000 Teilnehmern - das waren zwölfmal so viele wie erwartet worden waren. Teilnehmer trugen dort Plakate mit Aufschriften wie „Nazis und Antisemiten müssen ausgebürgert werden“ und „Zusammen gegen Extremisten für Demokratie“. Mehr als 12.000 Demonstranten waren es laut Polizei auch in Gießen.

Tausende Menschen gingen auch in Bayern auf die Straße, darunter laut Polizei mindestens 15 000 in Nürnberg. Sprechchöre riefen dort: „Ganz Nürnberg hasst die AfD!“ In Erfurt waren es laut Polizei 9000 Menschen, die Organisatoren sprachen von 10.000. In Halle/Saale demonstrierten nach offiziellen Angaben rund 16.000 Teilnehmer.

Am Sonntag finden weitere Demonstrationen gegen Rechtsextremismus statt

Bereits am Freitagabend musste wegen des großen Menschenandrangs eine Demonstration gegen rechts und die AfD in Hamburg abgebrochen werden. Einer der Organisatoren verwies auf Sicherheitsbedenken. Die Polizei sprach von 50.000 Teilnehmern, die Veranstalter gingen von 80.000 aus.

Vergangenen Sonntag versammelten sich bereits mehrere tausend Menschen in Berlin gegen Rechts. Auch an diesem Sonntag startet um 16 Uhr ein Demonstrationszug dem Deutschen Bundestag und zieht dann über die Dorotheenstraße weiter Richtung Berlin-Mitte bis zum Kanzleramt. Das Motto lautet: „Demokratie verteidigen.“ Hauptinitiator ist das Bündnis ZusammenGegenRechts, zusammen mit den Veranstaltern der Klimabewegung Fridays for Future. Erwartet werden einige Tausend Teilnehmer.

Niedersächsische Ministerpräsident: AfD verschiebt Grenzen des Sagbaren

„Das, was ihr hier zeigt, ist gelebter Verfassungsschutz“, rief der niedersächsische Ministerpräsident Stephan Weil (SPD) den Protestierenden in Hannover zu. Die AfD und die Rechtsextremen verschöben die Grenzen des Sag- und Denkbaren nach rechts. „Migrantinnen und Migranten, seien sie kurz hier oder auch in der vierten Generation, sie alle sind Teil unserer Gemeinschaft“, unterstrich Weil.

Der hannoversche evangelische Landesbischof Ralf Meister betonte, es sei wichtig, die Demokratie zu verteidigen und sich für sie einzusetzen. Wer dagegen anderen Menschen Rechte abspreche, vom völkischen Mythos fasele und das Parlament zur „Pöbelstube“ mache, sei ein „demokratischer Verräter“.

Demonstration gegen Rechts: Rund 35.000 Menschen stehen auf dem Römer in Frankfurt/Main. 
Demonstration gegen Rechts: Rund 35.000 Menschen stehen auf dem Römer in Frankfurt/Main. www.imago-images.de

Der braunschweigische evangelische Landesbischof Christoph Meyns erklärte, Rassismus, Nationalismus, Antisemitismus und Hetze seien mit dem christlichen Glauben nicht vereinbar. „Deshalb protestieren wir, wenn Pläne geschmiedet werden, um Menschen zu deportieren wie in den finstersten Zeiten der deutschen Geschichte“, sagte er in Braunschweig.

Bundesinnenministerin Nancy Faeser (SPD) begrüßte in einem Zeitungsinterview die bundesweiten Demonstrationen. „Es stimmt mich sehr positiv, dass so viele Menschen in den vergangenen Tagen für die Demokratie auf die Straße gegangen sind“, sagte sie den Zeitungen der Funke Mediengruppe (Samstag). Die Demokratie werde angegriffen und stehe vor großen Herausforderungen. „Wir müssen sie aktiv verteidigen“, mahnte Faeser.

Politiker, Kulturschaffende, Vereine: Alle gegen gemeinsam auf die Straße

Auch der Präsident des Zentralrats der Juden, Josef Schuster, lobte die Demonstrationen als wichtiges Signal gegen wachsenden Extremismus. Er habe bislang das Gefühl gehabt, dass die hohen Umfragewerte und Wahlerfolge der AfD „niemanden hinter dem Ofen“ hervorlocken, sagte Schuster der „Augsburger Allgemeinen“ (Samstag). Das habe ihm Sorgen gemacht. „Deshalb bin ich erfreut, wenn Leute jetzt auf die Straßen gehen und ihren Unmut zum Ausdruck bringen.“

Unterstützung für die Proteste kommt auch aus dem Kulturbereich. Der Frontmann der Kölschrock-Band BAP, Wolfgang Niedecken, erklärte mit Blick auf die Demonstrationen: „Das wurde jetzt aber auch allerhöchste Zeit.“ Die Menschen dürften die aktuellen Entwicklungen nicht länger hinnehmen. „Das, was jetzt wichtig ist, ist, sich gegen rechts zu positionieren“, sagte er dem Fernsehsender Phoenix in einem am Freitagabend verbreiteten Interview.