Neue Rakete

Europas Trägerrakete Ariane-6 startet erfolgreich ins All

Europas neue Trägerrakete ist ins All gestartet. Ariane-6 musste zehn Jahre auf ihren Jungfernflug warten. Mit ihr sind viele Hoffnungen verbunden.

Kourou: Die europäische Trägerrakete vom Typ Ariane-6 steht auf der Startrampe im europäischen Weltraumbahnhof in Französisch-Guayana. 
Kourou: Die europäische Trägerrakete vom Typ Ariane-6 steht auf der Startrampe im europäischen Weltraumbahnhof in Französisch-Guayana. M. Pédoussaut/ESA/dpa

Heute ist ein wichtiger Tag für Europas Raumfahrt: Die neue Trägerrakete Ariane-6 ist von Kourou in Französisch-Guayana zu ihrem Jungfernflug abgehoben. Gegen 21 Uhr hob Ariane-6 ab.

Die Ariane-6 soll künftig für kommerzielle und öffentliche Auftraggeber Satelliten ins All befördern. Bei ihrem ersten Start wird die neue Trägerrakete knapp 20 „Passagiere“ an Bord haben: Mikrosatelliten von Universitäten und wissenschaftliche Experimente, darunter auch einige aus Deutschland. 

Kurz vor dem geplanten Erstflug zeigte sich der ESA-Chef zuversichtlich. „Die Ariane-6 wird Europa ins All bringen“, erklärte Josef Aschbacher am Dienstag. „Ich empfinde alle möglichen Gefühle, während wir uns darauf vorbereiten, die europäische Geschichte, die Zukunft Europas und Generationen von Europäern zu beeinflussen.“

Auf ihren Erststart musste die neue europäische Trägerrakete zehn Jahre lang warten.  Mit der Ariane-6 sind viele Hoffnungen verbunden: Sie soll Europas Raumfahrt aus der Krise seines Trägerraketensektors befreien. Aktuell hat Europa keine eigenen Mittel, um Satelliten ins All zu bringen.

Eine Rakete ist nur ein Schritt von vielen

Der Raketenbauer ArianeGroup sieht eine Chance, mehr über die Rakete zu lernen. Franck Huiban, Leiter der zivilen Programme bei ArianeGroup, sagte: „Der Erstflug ist eine einzigartige Möglichkeit zu schauen, was wir mit dieser Rakete machen können.“

Anders als mit einem kommerziellen Kunden könne man nun testen und Dinge herausfinden, die man am Boden nicht absehen könne. Die Mission sei entsprechend zusammengestellt worden.

Das erste voll funktionsfähige Testmodell der Oberstufe der neuen europäischen Trägerrakete Ariane-6 wurde im ArianeGroup-Werk Bremen verladen. 
Das erste voll funktionsfähige Testmodell der Oberstufe der neuen europäischen Trägerrakete Ariane-6 wurde im ArianeGroup-Werk Bremen verladen. ArianeGroup/Hill Media GmbH

Die Ariane-6: eine moderne Rakete?

Die Ariane-6 ist das Nachfolgemodell der Ariane-5, die von 1996 bis Sommer 2023 im Einsatz war. Sie soll Satelliten für kommerzielle und öffentliche Auftraggeber ins All befördern und ist deutlich günstiger als ihre Vorgängerin.

Beschlossen wurde die Entwicklung der Rakete bereits vor einem Jahrzehnt. ESA-Chef Aschbacher ist überzeugt, dass die Rakete dennoch den aktuellen Herausforderungen entspricht. Die ESA preist die Ariane-6 als modular und flexibel an. Je nach Mission kann sie mit zwei oder vier Boostern ausgestattet werden und unterschiedliche Nutzlasten in einem kleineren oder längeren Oberteil unterbringen.

Deutschland leistet wichtigen Beitrag zur Ariane-6

Auch Deutschland trägt dem Generaldirektor der Deutschen Raumfahrtagentur im Deutschen Zentrum für Luft- und Raumfahrt Walther Pelzer zufolge entscheidend zu den Neuerungen der Rakete bei. „Bei der Ariane-6 hat Deutschland mit der wiederzündbaren Oberstufe die wichtigste Innovation verantwortet sowie in Deutschland gefertigt.“

Der Vorteil des bis zu viermal zündbaren Vinci-Triebwerks der Oberstufe ist, dass die Rakete so Satelliten in unterschiedliche Orbits ausliefern und auch Konstellationen in den Weltraum bringen kann.

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Vier deutsche Standorte arbeiten an neuer Rakete

Montiert wurde die Oberstufe im Bremer Werk des Raumfahrtkonzerns ArianeGroup. Die Tanks der Oberstufe und Teile des Triebwerks kommen aus Augsburg beziehungsweise Ottobrunn. Im baden-württembergischen Lampoldshausen wurde das Vinci-Treibwerk getestet.

Auch finanziell ist Deutschland bei der Ariane 6 stark engagiert und nach Frankreich der größte Geldgeber unter den Esa-Ländern. Die Bundesrepublik hat etwa 20 Prozent der rund vier Milliarden Euro hohen Kosten der Rakete geschultert. Insgesamt waren gut ein Dutzend Länder am Bau der Rakete beteiligt.

Experte: Ariane-6 nicht auf Höhe der Zeit

Raumfahrtexperte Martin Tajmar von der TU Dresden meint allerdings trotz der Neuerungen im Vergleich zur Vorgängerin der Ariane-6, die Rakete sei keinesfalls auf der Höhe der Zeit. Bereits 2015 habe das US-Unternehmen SpaceX mit der Falcon-9-Rakete das Zeitalter der wiederverwendbaren Raumfahrt eingeleitet.

Esa-Raumtransportdirektor Toni Tolker-Nielsen stellt zumindest in Aussicht: „Die nächste Rakete, die die Ariane-6 ersetzen wird, wird eine wiederverwendbare Rakete sein.“ Derzeit plant die ESA, ihre neue Trägerrakete mindestens bis Mitte der 2030er Jahre zu nutzen.

Europa will mit Ariane-6 aus der Krise kommen

Raumfahrtexperte Tajmar betont aber auch, es gehe im Kern nicht darum, kommerziell mit den Konkurrenten mithalten zu können. Die zentrale Aufgabe der Ariane-6 sieht er erst einmal darin, Europa wieder einen eigenen Zugang zum All zu verschaffen und so die Unabhängigkeit zu sichern.

Die letzte Ariane-5 hob vor fast genau einem Jahr das letzte Mal in den Weltraum ab. Seitdem hat Europa keine eigenen Mittel mehr, um größere Satelliten ins All zu bringen und steckt mit seinem Trägerraketensektor in einer tiefen Krise. Teils wich die Esa auf Falcon-9-Raketen des US-Unternehmens SpaceX aus.

Menschen arbeiten im Kontrollraum des europäischen Weltraumbahnhofes in Französisch-Guayana, von dem die neue Trägerrakete Ariane-6 aus ins All fliegen soll. 
Menschen arbeiten im Kontrollraum des europäischen Weltraumbahnhofes in Französisch-Guayana, von dem die neue Trägerrakete Ariane-6 aus ins All fliegen soll. Rachel Bossmeyer/dpa

Probleme auch bei Rakete für kleinere Satelliten

Die Krise ist für Europa umso verheerender, als es auch für kleinere Satelliten aktuell keinen eigenen Zugang zum All gibt. Im Dezember 2022 scheiterte der erste kommerzielle Start der Vega C. Seitdem ist die Rakete am Boden. Im November soll sie erstmals wieder abheben. Pelzer zufolge ist der Erststart deshalb sowohl strategisch als auch industriepolitisch sehr wichtig für Europa und Deutschland.