Die europäischen Verbündeten der Ukraine kämpfen derzeit um eine Rolle in den bevorstehenden Friedensgesprächen. Einem Bericht der Washington Post zufolge sehen einige Staats- und Regierungschefs in Europa ihre Chance gekommen, ihre Position in den Ukraineverhandlungen zu stärken, da ihnen in Aussicht gestellt wurde, Truppen in die Krisenregion zu schicken.
Frankreich, Großbritannien, Schweden und die Niederlande haben bereits angedeutet, dass sie offen für die Entsendung von Friedenstruppen in die Ukraine sind. Spanien und Dänemark schlossen einen solchen Schritt zuletzt zumindest nicht mehr kategorisch aus.
Die neue US-Regierung um Donald Trump hatte mehrmals betont, keine Truppen zur Absicherung eines Friedensschlusses in die Ukraine schicken zu wollen. Der neue US-Verteidigungsminister Pete Hegseth schlug bei seinem Treffen in Brüssel vor, dass stattdessen Sicherheitsgarantien durch „fähige europäische und nichteuropäische Truppen“ unterstützt werden sollten. „Wenn diese Truppen zu irgendeinem Zeitpunkt als Friedenstruppen in die Ukraine entsandt werden, sollten sie im Rahmen einer Nicht-Nato-Mission eingesetzt werden und nicht unter Artikel 5 fallen“, sagte er und bezog sich dabei auf die gegenseitige Verteidigungsklausel des Bündnisses.
Europäische Truppen in der Ukraine?
Wie die Washington Post nun am Montag berichtete, sieht die jüngste Version der europäischen Planung eine „Rückversicherungs-“ oder „Abschreckungs“-Truppe von möglicherweise 25.000 bis 30.000 Soldaten vor. Diese sollten nicht entlang der Kontaktlinie stationiert werden, sondern als Machtdemonstration bereitstehen, falls russische Streitkräfte versuchen sollten, den Krieg wiederaufzunehmen, hieß es. Die Truppen könnten durch mehr Truppen außerhalb der Ukraine unterstützt werden, falls sie ihre Truppenstärke erhöhen und schnell vorrücken müssen.
Die potenzielle Truppenzahl wurde in Antworten auf eine US-Anfrage bekannt gegeben, in der europäische Länder aufgefordert wurden, ihre Fähigkeiten zur Unterstützung Kiews anzugeben. Die Zeitung beruft sich auf vier Regierungsvertreter, die anonym bleiben wollten. Zu Beginn der Debatte im Dezember war über rund 40.000 Soldaten spekuliert worden.
Frankreich prescht vor – Olaf Scholz bremst aus
Frankreich sei dem Bericht zufolge mit den militärischen Planungen für eine solche Mission bereits so weit, dass es laut Schätzungen etwa 10.000 Soldaten beisteuern könnte. Zwei andere Quellen teilten der Washington Post mit, dass andere europäische Länder weiterhin zögern beziehungsweise nicht genug militärische Ressourcen haben.
Der britische Premier Keir Starmer schrieb am Montag in einem Gastbeitrag in der Zeitung Daily Telegraph, Großbritannien sei zu einer Entsendung britischer Soldaten in die Ukraine bereit. Starmer schrieb weiter, Großbritannien sei in der Lage, eine „einzigartige Rolle“ in den Verhandlungen zur Beendigung des Krieges zu spielen und im Friedensprozess in der Ukraine als Brücke zwischen Europa und den USA zu fungieren.
Der schwedische Premierminister Ulf Kristersson erklärte ebenfalls, dass die Entsendung schwedischer Truppen in die Ukraine als Teil einer Friedenstruppe „absolut möglich“ sei. Zunächst müsse aber „eine faire und tragbare Friedenslösung ausgehandelt werden, die internationales Recht einhält“, sagte Schwedens Außenministerin Maria Malmer Stenergard dem Rundfunksender Sveriges Radio.
Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) hält die Debatte für verfrüht. „Es ist ganz wichtig, dass wir uns klarmachen, da sind wir leider noch lange nicht“, sagte Scholz vor seiner Abreise nach Paris in Kassel. Es gehe jetzt um die Frage, wie Frieden gewährleistet werden könne, ohne dass über die Köpfe der Ukrainerinnen und Ukrainer hinweg entschieden werde.
Ukrane-Gipfel in Paris: Ungarns Außenminister
Starmer nahm zusammen mit Scholz, Frankreichs Präsident Emmanuel Macron sowie weiteren europäischen Regierungschefs, EU-Ratspräsident António Costa, EU-Kommissionschefin Ursula von der Leyen und Nato-Generalsekretär Mark Rutte in Paris an einem informellen Ukraine-Gipfel teil.
Frankreichs Außenminister Jean-Noël Barrot berichtete von sehr konkreten Gesprächen „auf verschiedenen Ebenen“, bei denen es um die Entsendung von Truppen insbesondere aus Frankreich, Großbritannien und Polen – den „drei großen Armeen“ Europas – gehe. Die Friedenstruppe solle einen künftigen Waffenstillstand und einen „dauerhaften Frieden“ in der Ukraine gewährleisten, sagte er in einem Interview des Senders LCI. Deutschland, das nach den USA, der Türkei, Polen und Frankreich laut offizieller Nato-Statistik die fünftgrößte Armee des Bündnisses hat, erwähnte Frankreichs Außenminister nicht. Großbritannien liegt nur auf Platz sieben, noch hinter Italien.
Anders als vom französischen Außenminister dargestellt, plane Polen keine Entsendung von Soldaten. Vor seinem Abflug nach Paris sagte Polens Regierungschef Donald Tusk: „Wir haben nicht vor, polnische Truppen in die Ukraine zu schicken, aber wir werden die Länder, die in Zukunft solche Garantien geben wollen, auch logistisch und politisch unterstützen.“ Polnischen Medien zufolge ist die Regierung in Warschau bislang auch aus historischen Gründen zurückhaltend: Vor dem Zweiten Weltkrieg gehörten Teile der heutigen Westukraine zu Polen.
Ungarns Außenminister: Europäische Politiker wollen Friedensabkommen mit der Ukraine verhindern
Ungarns Außenminister Péter Szijjártó sah in dem von Macron organisierten Krisentreffen keine Chance für ein Ende des Konflikts zwischen der Ukraine und Russland. „Heute versammeln sich also in Paris Kriegsbefürworter, Trump-feindliche und frustrierte europäische Politiker, um ein Friedensabkommen mit der Ukraine zu verhindern“, sagte der Minister bei einer Pressekonferenz in der kasachischen Hauptstadt Astana. Macrons Gäste hätten stets den Krieg zwischen Russland und der Ukraine befürwortet, „Öl ins Feuer gegossen“ und „eine fehlgeleitete Strategie verfolgt“, sagte Szijjártó. „Außerdem haben sich diese Länder und ihre Führer in den letzten Jahren einen Sport daraus gemacht, Donald Trump zu verunglimpfen“, fügte er hinzu.
Der ukrainische Präsident Wolodymyr Selenskyj hatte vor dem Spitzentreffen in Paris mit Nachdruck für europäische Friedenstruppen geworben. Die Stationierung von Friedenstruppen auf dem Territorium der Ukraine könnte dabei der erste Schritt zu der von ihm vorgeschlagenen Schaffung einer europäischen Armee sein. „Ich glaube, dass dies die erste Plattform für die künftigen Streitkräfte Europas ist, die im Falle eines unprovozierten Krieges durch Russland fähig ist, zurückzuschlagen“, sagte der Staatschef der Nachrichtenagentur Interfax-Ukraine zufolge Journalisten am Ende seines Besuchs in den Vereinigten Arabischen Emiraten.
Treffen in Riad: Selenskyj erkennt Gespräche zur Ukraine nicht an
US-Außenminister Marco Rubio trifft an diesem Dienstag erstmals mit seinem russischen Amtskollegen Sergej Lawrow in Saudi-Arabien zu Gesprächen auch über den Krieg in der Ukraine zusammen. Es gehe um eine Vorbereitung möglicher Verhandlungen zur Lösung des Ukraine-Konflikts und eines Treffens der Präsidenten beider Länder, teilte der Kreml mit. Gesprächsthema sei ein ganzer Komplex von Fragen zur Wiederherstellung der russisch-amerikanischen Beziehungen.
Laut dem Kreml in Moskau nimmt an den Gesprächen mit Rubio neben Lawrow auch Juri Uschakow teil, der außenpolitische Berater von Kremlchef Wladimir Putin. Rubio hatte vorab gesagt, dass er sich mit dem US-Sondergesandten Steve Witkoff und dem Nationalen Sicherheitsberater Mike Waltz in Saudi-Arabien mit Vertretern Russlands treffen wolle.


