Das Landesverfassungsgericht erklärte die Abgeordnetenhauswahl vom September 2021 und die Bezirkswahlen wegen zahlreicher Wahlpannen und „schwerer systemischer Mängel“ für ungültig. Es ordnete eine komplette Wiederholung an. Das Bundesverfassungsgericht gab am 31. Januar grünes Licht dafür und lehnte es im Eilverfahren ab, den geplanten Wahltermin vom 12. Februar zu verschieben. Gegen die komplette Wahlwiederholung hatten mehr als 40 Berlinerinnen und Berliner geklagt, darunter mehrere Abgeordnete.
Da es sich um eine Wiederholungs- und keine Neuwahl handelt, ändert sich nichts an der Legislaturperiode: Sie endet 2026, also fünf Jahre nach der Wahl 2021. Die Parteien müssen mit denselben Bewerberinnen und Bewerbern antreten wie bei der Pannen-Wahl. Kandidaten, die nicht nochmals antreten wollten oder konnten, wurden durch andere Kandidaten ersetzt.
Wahlwiederholung: So viele Menschen können an die Wahlurne treten
Bei der Wiederholung der Wahl zum Abgeordnetenhaus sind etwa 2,4 Millionen Berlinerinnen und Berliner wahlberechtigt. Bei den Wahlen zu den zwölf Bezirksverordnetenversammlungen, die ebenfalls wiederholt werden, gibt es etwa 2,7 Millionen Wahlberechtigte. Bei diesen Kommunalwahlen dürfen auch 16- und 17-jährige Deutsche und in Berlin lebende ausländische EU-Bürger ab 16 Jahren ihre Stimme abgeben.
Das Wahlrecht: Welche Kandidaten werden gewählt?
Für die Wahl zum Abgeordnetenhaus haben die Wählerinnen und Wähler zwei Stimmen: Mit der Erststimme wählen sie ihren Direktkandidaten in einem der 78 Wahlkreise. Mit der Zweitstimme wählen sie eine Landes- oder Bezirksliste einer Partei. Die Zweitstimme ist entscheidend für die Sitzverteilung zwischen den Parteien im Landesparlament. Dieses besteht regulär aus 130 Abgeordneten. Aktuell sind es durch Überhang- und Ausgleichsmandate 147. Für die Bezirksverordnetenversammlung haben die Wählerinnen und Wähler eine Stimme.
Die Ausgangslage: Diese Parteien sind im Abgeordnetenhaus vertreten
Sechs Parteien sind im Abgeordnetenhaus vertreten. SPD, Linke und Grüne bilden eine Koalition. Auf die drei Regierungsfraktionen entfallen 92 der 147 Mandate (SPD 36, Grüne 32, Linke 24). Die CDU hat 30 Sitze, die AfD 13 und die FDP 12. 33 Parteien bewerben sich mit Landes- oder Bezirkslisten um die Zweitstimmen der Wählerinnen und Wähler. Bei der Wahl im September 2021 waren es 34.
Giffey, Jarasch, Lederer: Das sind die Kandidaten für Berlin
Regierende Bürgermeisterin ist seit Dezember 2021 die SPD-Landesvorsitzende und frühere Bundesfamilienministerin Franziska Giffey (44). Sie kämpft als SPD-Spitzenkandidatin dafür, dass das so bleibt. Grünen-Spitzenkandidatin ist Umwelt- und Mobilitätssenatorin Bettina Jarasch (54). Für die Linken tritt Kultursenator Klaus Lederer (48) an, für die CDU ihr Landes- und Fraktionsvorsitzender Kai Wegner (50), für die AfD die Landes- und Fraktionschefin Kristin Brinker (50). Spitzenkandidat der FDP ist der Fraktionsvorsitzende Sebastian Czaja (39).
Der Wahlkampf: Wohnungsbau und Verkehr sind heikle Themen
Zu den umstrittensten Themen im Wahlkampf gehörten Wohnungsbau und Verkehr. Vor allem die SPD hatte darauf gesetzt, durch ein Bündnis unter anderem mit Vertretern der Immobilienbranche den Neubau anzukurbeln und das weitere Steigen der Mietpreise abzubremsen. Kritiker auch aus den Reihen der Regierungskoalition kritisieren, das sei gescheitert. Die Linke fordert umso mehr die Umsetzung des Volksentscheids zur Enteignung großer Wohnungsunternehmen. Alle Oppositionsparteien lehnen das ab, auch Giffey sieht darin keinen gangbaren Weg. Rot-Grün-Rot will außerdem den ÖPNV attraktiver machen. Wie das gehen soll, ist aber auch koalitionsintern umstritten. Die SPD will das 29-Euro-Ticket für alle möglichst dauerhaft anbieten. Die Grünen sehen das nicht als vorrangiges Ziel.
Die Umfragen: Diese Partei liegt vorn
In letzten Umfragen lag die CDU mit 24 bis 25 Prozent vorn. Die SPD kam auf 19 bis 22 Prozent und rangierte damit vor den Grünen, die in den Umfragen 17 oder 18 Prozent erreichten. Die Linke lag bei 11 bis 12 Prozent, die AfD bei 9 bis 10 und die FDP bei 6 bis 7 Prozent.
Die Koalitionsoptionen: Welches Bündnis ist möglich?
Die Frage, wer Berlin künftig regiert, ist offen. Die CDU dürfte im Fall eines Wahlsieges vor allem ein Bündnis mit SPD und FDP anstreben. Zwei Umfragen sehen auch eine Mehrheit im Abgeordnetenhaus für eine Zweier-Koalition von CDU und SPD. Rechnerisch möglich wäre den Umfragen zufolge zudem Schwarz-Grün-Gelb - allerdings gilt das wegen großer Unterschiede zwischen CDU und Grünen in der Verkehrspolitik als wenig wahrscheinlich. Denkbar ist auch, dass die CDU zwar vorne liegt, aber SPD, Grüne und Linke dennoch zusammen weiterregieren. Laut Umfragen hätte eine solche Koalition eine Mehrheit. Eine Zusammenarbeit mit der AfD haben alle Parteien ausgeschlossen, CDU und FDP wollen außerdem nicht mit der Linken koalieren.
Die Ergebnisse 2021 und 2016: So hat Berlin gewählt
Die Wahl zum Abgeordnetenhaus 2021 gewann die SPD mit 21,4 Prozent der Stimmen, ihrem historisch schlechtesten Ergebnis in Berlin. Es folgten die Grünen mit 18,9 Prozent und die CDU mit 18,0 Prozent. Die Linke erreichte 14,1 Prozent, die AfD 8,0 Prozent und die FDP 7,1 Prozent. Die Wahlbeteiligung lag bei 75,4 Prozent. Der recht hohe Wert war auch der Tatsache geschuldet, dass parallel noch die Bundestagswahl stattfand.
Die Wahl 2016 gewann die SPD mit 21,6 Prozent der Zweitstimmen. Danach kamen die CDU mit 17,6, die Linke mit 15,6 Prozent und die Grünen mit 15,2 Prozent. Die AfD fuhr 14,2 Prozent ein. Die FDP schaffte mit 6,7 Prozent den Einzug in das Abgeordnetenhaus.
Spitzenkandidaten bei der Wiederholungswahl in Berlin
- SPD-Spitzenkandidatin Franziska Giffey will im Amt bleiben - Franziska Giffey ist seit Dezember 2021 Regierende Bürgermeisterin in einem rot-grün-roten Senat. Sie sei gekommen, um zu bleiben, betonte die 44-Jährige im Wahlkampf mehrfach - ohne zu sagen, mit wem sie gern koalieren will. Giffey war viele Jahre Bildungsstadträtin und dann Bürgermeisterin im Multi-Kulti-Bezirk Neukölln, anschließend Bundesfamilienministerin. Im Zuge einer Affäre um Plagiate in ihrer Doktorarbeit trat sie im Mai 2021 als Ministerin zurück - kurz bevor die Freie Universität Berlin ihr den Doktortitel aberkannte. SPD-Spitzenkandidatin im Land blieb sie und sicherte ihrer Partei im September 2021 den Wahlsieg. Kaum im Amt, musste sich Giffey als Rathauschefin gleich Herausforderungen stellen, die bis dato so nicht abzusehen waren: Der russische Angriffskrieg in der Ukraine trieb viele Flüchtlinge in die Stadt. Entsprechend stellt sie sich im Wahlkampf als Kümmerin dar, die die ganze Stadt im Blick hat.
- Bettina Jarasch will als erste Grüne an die Spitze im Roten Rathaus - Bettina Jarasch hat sich das Ziel gesetzt, nach der Wahl nicht mehr Senatorin für Umwelt und Mobilität, sondern Regierende Bürgermeisterin zu sein. Sie will die Fortsetzung der jetzigen Dreierkoalition von SPD, Grünen und Linken unter grüner Führung. Die 54-Jährige stammt aus Augsburg, ist studierte Philosophin und arbeitete zeitweise als Redakteurin. Von 2011 bis 2016 war sie Grünen-Landesvorsitzende. Seit Dezember 2021 gehört sie dem Senat an. Im Wahlkampf hat sie sich immer wieder bei klima- und verkehrspolitischen Fragen von der SPD-Konkurrentin Giffey abgesetzt. Nicht zuletzt ihre kurzfristige Ankündigung, einen Teil der Friedrichstraße in der Berliner Mitte dauerhaft zur Fußgängerzone zu machen, hat dabei für Schlagzeilen gesorgt.
- CDU-Kandidat Kai Wegner will eine neue Regierungskoalition - Kai Wegner wittert die große Chance, Rot-Grün-Rot abzulösen. Allerdings hat der CDU-Spitzenkandidat das Problem, dass eine Regierungsbildung nur mit SPD oder Grünen realistisch erscheint. Beide haben anders als die FDP öffentlich noch kein Interesse daran bekundet. Die Tür für ein Bündnis mit den Grünen könnte aufgrund entsprechender Äußerungen beider Seiten im Wahlkampf sogar zugeschlagen sein. SPD-Landeschef Raed Saleh verspottete Wegner vor diesem Hintergrund als den „einsamen Kai“. Wegner saß viele Jahre im Bundestag, ist seit Mai 2019 Berliner Landesvorsitzender und inzwischen auch Fraktionschef. Der 50-Jährige ist in Berlin-Spandau geboren und gilt als gut vernetzt in der Hauptstadt. Im Abgeordnetenhaus hat er Rot-Grün-Rot immer wieder Versagen etwa bei der Modernisierung der Verwaltung oder der Kriminalitätsbekämpfung vorgeworfen. Sein Motto: „Ein besseres Berlin ist möglich“.
- Klaus Lederer ist zum dritten Mal Linke-Spitzenkandidat - Für die Berliner Linke tritt Klaus Lederer bei der Wiederholungswahl bereits zum dritten Mal als Spitzenkandidat an. Im September 2021 kam seine Partei auf 14,1 Prozent der Stimmen und erreichte das Wahlziel, die Koalition mit SPD und Grünen fortzusetzen. Auch diesmal gehört Lederer zu denjenigen, die sich klar für eine weitere Zusammenarbeit mit den bisherigen Partnern aussprechen. Der promovierte Jurist ist selbst Senatsmitglied und dort für Kultur verantwortlich. Im Wahlkampf erklärte der 48-Jährige, seine Partei wolle den 2021 abgehaltenen, hochumstrittenen Volksentscheid zur Enteignung großer Wohnungsunternehmen möglichst bald umsetzen, falls die unabhängige Expertenkommission sich dafür ausspricht. „Was der Markt nicht regelt, regeln wir“, ist sein erklärtes Motto.
- Landeschefin Kristin Brinker führt die AfD in den Wahlkampf - Die Berliner AfD zog mit ihrer Landes- und Fraktionschefin Kristin Brinker als Spitzenkandidatin in den Wahlkampf. Sie gilt inzwischen als die starke Frau der Partei. Die 50-Jährige ist seit 2013 AfD-Mitglied und seit 2016 im Landesparlament. Bei Plenardebatten kritisiert sie regelmäßig den Schuldenstand Berlins als zu hoch, beklagt „ungesteuerte Zuwanderung“ nach Deutschland oder greift Rot-Grün-Rot für Überlegungen zur möglichen Enteignung großer Wohnungsunternehmen in Berlin scharf an. Die promovierte Architektin wird eher dem liberal-konservativen Lager in der AfD zugerechnet. Im Wahlkampf wirbt die Partei allerdings auch mit Plakaten mit dem pauschalen Slogan „Abschieben statt Abschleppen“.
- FDP-Spitzenkandidat Sebastian Czaja will Rot-Grün-Rot beenden - Sebastian Czaja gilt vielen im Abgeordnetenhaus als der eigentliche Oppositionsführer. Der 39-jährige FDP-Politiker fällt dort immer wieder als schlagfertiger Redner auf. Im Wahlkampf machte er zuletzt mit seiner Forderung nach Abschaffung der zwölf Bezirksämter von sich reden. Der gelernte Elektrotechniker, der später auf dem zweiten Bildungsweg sein Abitur nachholte, schaffte mit 23 Jahren 2006 erstmals den Einzug ins Landesparlament, 2011 flog die FDP wieder raus. Fünf Jahre später führte Czaja die Hauptstadtliberalen zurück ins Abgeordnetenhaus. Im Wahlkampf hat er diesmal als Ziel ausgegeben, mindestens das Ergebnis von 2021 zu halten. Damals erreichten die Liberalen 7,1 Prozent der Zweitstimmen. Czazja hat sich für eine Koalition mit CDU und SPD ausgesprochen.





