Nahverkehr

Berlin: Justizsenatorin will Schwarzfahren entkriminalisieren

Die Zahl der Schwarzfahrer, die ins Gefängnis müssen, könnte bald wieder steigen. Justizsenatorin Kreck findet das nicht richtig. Sie will, dass das Fahren ohne Fahrschein ganz straffrei wird.

Wer ohne gültiges Ticket den öffentlichen Nahverkehr nutzt, riskiert unter Umständen sogar eine Haftstrafe.
Wer ohne gültiges Ticket den öffentlichen Nahverkehr nutzt, riskiert unter Umständen sogar eine Haftstrafe.dpa/picture alliance

Die Berliner Justizsenatorin Lena Kreck (Linke) setzt sich weiter für eine vollständige Entkriminalisierung des Fahrens ohne Fahrschein im öffentlichen Nahverkehr ein. Insbesondere Gefängnisstrafen für Schwarzfahrer lehne die Linken-Politikerin ab. Das Fahren ohne Fahrschein ist gemäß Paragraf 265a des Strafgesetzbuchs eine Straftat. Wer in Bus, Tram oder S-Bahn ohne gültigen Fahrschein erwischt wird und das erhöhte Beförderungsentgelt von 60 Euro nicht zahlen kann, muss unter Umständen sogar ins Gefängnis.

Geplante Lockerungen der Ampel gehen Kreck nicht weit genug. „Selbst wenn man die Beförderungserschleichung künftig nur mit einer Geldbuße ahndet, droht weiterhin die Anordnung einer Erzwingungshaft“, heißt es in einer Antwort der Senatsverwaltung auf eine schriftliche Anfrage des CDU-Rechtsexperten Alexander Herrmann, die der Bild-Zeitung vorliegt. Nachdem die Anzahl der Schwarzfahrer in Berlin – auch dank des millionenfach verkauften 9-Euro-Tickets – in diesem Sommer erheblich gesunken war, wird für den Winter wieder ein Anstieg der Zahlen befürchtet.

CDU-Politiker kritisiert Entkriminalisierung

Laut der Berliner Senatsverwaltung für Justiz saßen im Jahr 2019 insgesamt 673 Menschen in Haft, weil sie die Geldstrafe für das Fahren ohne Fahrschein nicht begleichen konnten. Während der Corona-Pandemie hatte die Regierung vom Vollzug sogenannter Ersatzfreiheitsstrafen abgesehen, um die Ausbreitung des Virus in Gefängnissen zu verhindern. Seit Juni 2022 gilt die Ausnahme nicht mehr – wodurch sich die Vollzugsanstalten wieder füllen könnten.

Die Pläne der Justizverwaltung, Haftstrafen für Schwarzfahrer künftig ganz abzuschaffen, kritisiert CDU-Politiker Herrmann scharf. Die Antwort der Behörde sei „ein Offenbarungseid des Rechtsstaats und die Einladung für alle, sich nicht länger an gesellschaftliche Regeln und Gesetze halten zu müssen“, so Herrmann. „Welcher Straftatbestand wird als Nächstes mit dieser Begründung entkriminalisiert?! Diebstahl? Hausfriedensbruch, Betrug?“

Schwarzfahren bald nur noch Ordnungswidrigkeit

Mit ihrer Forderung bezieht sich die Senatorin auch auf ein geplantes Gesetz der Ampel-Regierung – denn auch die hat sich in ihrem Koalitionsvertrag dazu bekannt, das „Sanktionssystem einschließlich Ersatzfreiheitsstrafen“ zu überarbeiten. Das Bundesjustizministerium plant, das Fahren ohne Ticket von einer Straftat auf eine Ordnungswidrigkeit herunterzustufen. Zugleich sollen künftig „zwei Tagessätze Geldstrafe einem Tag Ersatzfreiheitsstrafe entsprechen“, wie es in dem Entwurf vom 19. Juli heißt. Bislang entspricht ein Tagessatz Geldstrafe einem Tag Ersatzfreiheitsstrafe.

Von der faktischen Halbierung der Ersatzfreiheitsstrafen erhofft sich Justizminister Marco Buschmann (FDP) auch finanzielle Einsparungen für den Bund. So kostete ein einziger Haftplatz den Steuerzahler im Jahr 2020 durchschnittlich 173 Euro pro Tag, laut Berliner Justiz waren es sogar 216 Euro.

Kreck gehen die geplanten Änderungen indes nicht weit genug. Schwarzfahrer seien oft Personen, „die aufgrund psychiatrischer Erkrankungen, Suchtmittelabhängigkeit oder anderen Problemlagen erhebliche Schwierigkeiten haben, das Beförderungsentgelt zu bezahlen und ein strafbares Verhalten ohne gravierende Mobilitätseinbußen zu unterlassen“, erklärte die Justizverwaltung. Wer wirklich etwas ändern wolle, müsse das Fahren ohne Fahrschein für den öffentlichen Nahverkehr komplett entkriminalisieren.