Der russisch-orthodoxe Patriarch Kyrill I. hat zum orthodoxen Weihnachtsfest zu einer Feuerpause aufgerufen. Alle Konfliktparteien sollten vom 6. Januar um 12 Uhr bis zum Ende des 7. Januar das Feuer einstellen, damit die orthodoxen Gläubigen am Heiligen Abend und am Weihnachtstag Gottesdienste besuchen könnten, hieß es in einer am Donnerstag im Internet verbreiteten Botschaft des Patriarchen von Moskau und ganz Russland.
Es ist das erste orthodoxe Weihnachtsfest seit dem Beginn des russischen Angriffskrieges gegen die Ukraine am 24. Februar 2022. Kyrill, der als Vertrauter des russischen Präsidenten Wladimir Putin gilt, bezeichnete den Krieg in seiner Botschaft als „internen Konflikt“. Die Russisch-Orthodoxe Kirche begeht den Heiligen Abend und das Weihnachtsfest anders als katholische und protestantische Christen am 6. und 7. Januar, da sie am Julianischen Kalender festhält.
Ukraine lehnt Weihnachtswaffenruhe ab
Kiew hat den Aufruf Kyrills indes abgelehnt. „Es ist eine zynische Falle und ein Element der Propaganda“, schrieb der Berater im Präsidentenbüro, Mychajlo Podoljak, am Donnerstag im Kurznachrichtendienst Twitter. Die russisch-orthodoxe Kirche sei auch keine Autorität in der weltweiten Orthodoxie und trete lediglich als „Kriegspropagandist“ auf. Podoljak unterstellte dem Moskauer Patriarchat Aufrufe zum Genozid an den Ukrainern.
ROC is not an authority for global Orthodoxy & acts as a "war propagandist". ROC called for the genocide of Ukrainians, incited mass murder & insists on even greater militarization of RF. Thus, ROC's statement about "Christmas truce" is a cynical trap & an element of propaganda.
— Михайло Подоляк (@Podolyak_M) January 5, 2023
Experte beschreibt die Predigten als „Kriegstheologie“
Die Predigten des russisch-orthodoxen Patriarchen Kyrill I. ähneln, dem Theologen und Autor Friedrich Erich Dobberahn zufolge, der „Kriegstheologie“ in Deutschland in den beiden Weltkriegen. Ziel einer solchen „Kriegstheologie“ sei es, das Barbarische und Unethische des Krieges als Gottes Wille zu rechtfertigen, sagte der Autor des Buches „Deutsche Theologie im Dienste der Kriegspropaganda“ dem Evangelischen Pressedienst (epd). Den Soldaten werde gesagt, dass sie – auch mit allen ihren im Krieg begangenen Grausamkeiten – Teil der universalen Heilsgeschichte seien.
Dobberahn: „Theologische Ursünde“
Der Moskauer Patriarch hatte am 6. März beispielsweise in seiner Predigt erklärt, mit dem Angriff auf die Ukraine sei Russland in einen Kampf eingetreten, der keine physische, sondern metaphysische Bedeutung habe. Damit habe Kyrill I. eine Kreuzzugsformel von 1099 aufgegriffen, erläuterte der rheinische Theologe, der unter anderem Leiter des Missionsseminars des Evangelisch-Lutherischen Missionswerkes in Niedersachsen in Hermannsburg war. Die Behauptung, dass Gott als Verbündeter exklusiv auf der Seite eines einzigen Volkes stehe, kritisierte Dobberahn als „theologische Ursünde“.



