Mängel bei der Organisation von Wahlen in Berlin waren der Senatsinnenverwaltung nach einem Bericht des Tagesspiegel womöglich schon seit Jahren bekannt. Ein vertraulicher Untersuchungsbericht von Fachleuten der Innenverwaltung, der Landeswahlleitung und anderer Behörden vom November 2017 komme zu dem Schluss, dass in Berlin Organisationsformen und Regeln für die ordnungsgemäße Vorbereitung und Durchführung von Wahlen fehlten, schrieb die Zeitung am Samstag.
Defizite sehen die Autoren demnach beim Zusammenwirken der für die Vorbereitung und Durchführung von Wahlen beteiligten Verwaltungseinheiten wie Bezirken, Landesbehörden, IT-Dienstleistungszentrum (ITDZ) und Innenverwaltung. Es fehle „ein gemeinsames, häuserübergreifendes und für alle verbindlich definiertes Organisationsmodell“, zitiert die Zeitung aus dem Bericht, der ihr vorliege.
Weiter heißt es dort den Angaben zufolge: „In diesem Kontext stellt sich die Frage, wer die operative Aufsicht über die Wahlen beziehungsweise die Landeswahlleitung ausübt und somit die Gesamtverantwortung für fehlende Regelungen beziehungsweise das Nichteinhalten von Regeln ausübt.“ Anlass für den Bericht waren IT-Probleme bei der Bundestagswahl 2017.
Opposition fordert Rücktritt von Senator Andreas Geisel
Die Fachaufsicht über die Organisation von Wahlen liegt bei der Innenverwaltung. Innensenator war seinerzeit der heutige Stadtentwicklungssenator Andreas Geisel (SPD). Der steht wegen der Wahlpannen 2021 und der nach vorläufiger Einschätzung des Verfassungsgerichtshofs nun notwendigen Wahlwiederholung in der Kritik und sieht sich Rücktrittsforderungen der Opposition ausgesetzt.
Ein Sprecher Geisels erklärte am Samstag: „Es stimmt, dass im Nachgang der Wahlen zum Deutschen Bundestag 2017 innerhalb der Senatsverwaltung für Inneres eine Arbeitsgruppe gegründet wurde, in der die Zusammenarbeit zwischen dem Amt für Statistik, dem ITDZ, der Landeswahlleitung und der Innenverwaltung in Bezug auf IT-Fragen geklärt werden sollte, damit sich IT-Fehler wie bei der BT-Wahl 2017 nicht mehr wiederholen.“
Bei der Vorbereitung und Durchführung der Wahl im vergangenen Jahr habe es eine Vielzahl schwerer Wahlfehler gegeben, hatte Gerichtspräsidentin des Berliner Verfassungsgerichtshofes, Ludgera Selting, erklärt. Sie nannte eine schlechte Vorbereitung wie zu wenige Wahlurnen sowie am Wahltag selbst unter anderem fehlende, falsche oder sogar kopierte Stimmzettel oder flächendeckendes Wählen noch nach 18.00 Uhr als Ursachen. Verantwortlich für das Desaster seien die Landeswahlleitung und der Senat, hier vor allem die für das Thema Wahlen zuständige, SPD-geführte Innenverwaltung.
Landeswahlleiter Bröchler: Vorbereitung der Neuwahl ist alternativlos
Indes will Berlins neuer Landeswahlleiter, Stephan Bröchler, keine Zeit verlieren bei der Vorbereitung einer möglichen Wahlwiederholung, auch wenn das Urteil des Verfassungsgerichtshofes dazu noch aussteht. „Das ist alternativlos. Der Tenor des Gerichts ist so klar, dass es fahrlässig wäre, keine Vorbereitungen zu treffen“, sagte Bröchler. Themen wie Papierversorgung, Schulungskonzepte für Wahlhelferinnen und Wahlhelfer und die Frage, welche Wahllokale zur Verfügung stünden, müssten bis zu Urteilsverkündung geklärt sein. „Damit können wir nicht warten, bis ein rechtskräftiges Urteil vorliegt“, sagte der Verwaltungswissenschaftler.



