Proteste

„Aufstand der Anständigen“: 60.000 Menschen demonstrieren in Berlin gegen rechts

Die Großdemonstration im Regierungsviertel hat am Sonntag mehr Teilnehmer als erwartet. Gegen rechts sind rund 60.000 Menschen in Berlin zusammengekommen. Auch Politiker sind in der Menge.

Schilder stecken während der Demonstration unter dem Motto „Aufstand der Anständigen – Demo für die Brandmauer“ in einer Hecke vor dem Reichstag.
Schilder stecken während der Demonstration unter dem Motto „Aufstand der Anständigen – Demo für die Brandmauer“ in einer Hecke vor dem Reichstag.Sebastian Christoph Gollnow/dpa

Ein Demonstrationszug unter dem Motto „Aufstand der Anständigen – Wir sind die Brandmauer!“ zieht heute seit 15:30 Uhr von der Reichstagswiese zur CDU-Parteizentrale. Wie eine Polizeisprecherin gegenüber der Berliner Zeitung erklärte, sind nach einer ersten Schätzung der Einsatzkräfte gegen 16 Uhr etwa 60.000 Menschen gekommen. Auch weiterhin sei ein Zustrom von Personen festzustellen.

Der Protest richtet sich gegen CDU-Kanzlerkandidat Friedrich Merz und die Union, die am Mittwoch gemeinsam mit der AfD für einen Antrag zur Zurückweisung von Migranten an den Grenzen gestimmt hatte.

Geplant sind eine Auftakt- und eine Abschlusskundgebung. Als Redner sind unter anderen Klimaaktivistin Luisa Neubauer und der ehemalige EKD-Vorsitzende Heinrich Bedford-Strohm angekündigt. Die SPD-Chefs Lars Klingbeil und Saskia Esken sowie SPD-Generalsekretär Matthias Miersch waren außerdem in der Menge zu sehen. Er wolle ein Zeichen setzen, dass dieses Land eine starke demokratische Mitte habe und die Rechtsextremen in der Politik nicht mitentscheiden sollten, sagte Klingbeil im Gespräch mit der dpa.


Bildstrecke

Kundgebung kann nicht vor Reichstag stattfinden

Zum Auftakt soll auch Publizist Michel Friedman sprechen, der nach der Abstimmung am Mittwoch aus der CDU ausgetreten ist. Die Kundgebung selbst kann dabei nicht direkt vor dem Reichstag stattfinden. Dort ist derzeit eine Großbaustelle der Wasserbetriebe: Erdhaufen, Bagger und Baumreste hinter Bauzäunen. Die Bühne für die Großdemo ist im hinteren Teil der Wiese beim Kanzleramt aufgebaut, Paul-Löbe-Allee/Annemarie-Renger-Straße.

Hier werden mit Blick Richtung Potsdamer Platz unter anderem Neubauer und Friedman sprechen. Letzterer hat der Berliner Zeitung zu seinem Austritt aus der Union erklärt, es gehe ihm „gar nicht um den Inhalt des Antrags“, sondern „darum, dass die CDU die Türen und Fenster nicht verriegelt hat und die AfD plötzlich als Beifahrer im Auto saß. Diese Entwicklung ist ein Bruch mit einer Tradition “.

In Hamburg gehen Zehntausende auf die Straße

Musikalisch wird die Großdemo von Künstlern wie Nina Chuba, Mine, badchieff und Dellé begleitet. Imposante Boxentürme werden beim Auftakt für einen satten Bass sorgen. Das wurde beim Soundcheck kurz vor Veranstaltungsbeginn am Sonntag deutlich. Parallel wurde das Bühnenbanner mit dem Motto der Demo angebracht.

Ein Gesetzesvorstoß der Union zur Migrationspolitik war am Freitag im Bundestag trotz Zustimmung der AfD gescheitert. Welche Auswirkungen das auf die Mobilisierung zur Großkundgebung in Berlin haben wird, ist abzuwarten. Die Organisatoren hoffen in Berlin auf „viele Zehntausend“ Teilnehmer, 22.000 sind angemeldet. Die Polizei hält das für eine "realistische Schätzung", wie Kriminalhauptkommissarin Anja Dierschke gegenüber der Berliner Zeitung erklärte. Auch, wenn deutlich mehr Menschen kommen sollten, könne die Polizei "den Zustrom so organisieren", dass alles geregelt ablaufe.

Eine ähnliche Veranstaltung in Hamburg verlief am Sonnabend nach Polizeiangaben mit rund 65.000 Menschen „absolut störungsfrei und friedlich“. Die Veranstalter von Fridays for Future kamen mit „detaillierten Zählungen“ sogar auf 80.000 Teilnehmer.

Kleiner fielen Demonstrationen gegen rechts gleichentags in Brandenburg aus. In Fürstenwalde an der Spree waren rund 200 Menschen gegen den Kurs der Union in der Migrationspolitik auf der Straße. Bei einem „Lichtermeer“ gegen rechts in Cottbus zählte die Polizei rund 120 Teilnehmer.

Als einer der ersten steht am Sonntag Gustavo auf der noch leeren Wiese vor dem Reichstag. Er ist aus Kolumbien eingewandert, erklärt er in fast akzentfreiem Deutsch. „Die neue Politik macht mir Angst, so geht es vielen Migranten.“ Er geht davon aus, dass „sehr viele Menschen kommen werden, um die Demokratie zu verteidigen“.