Der erste Tag des Europäischen Rates ging am Donnerstag ohne eine Einigung zum Thema Migration zu Ende - und am Freitag droht neuer Streit.
Polen und Ungarn werden sich nicht an der geplanten Verteilung von Flüchtlingen in der EU beteiligen und auch keine Ausgleichszahlungen leisten, hieß es am Donnerstag von Diplomatenkreisen in Brüssel.
Viktor Orbán wütet gegen die EU: „Wo ist das Geld?“
Kurz vor Beginn des Gipfels am Donnerstag hatte der ungarische Ministerpräsident Viktor Orbán in einem Video auf Facebook die EU-Institutionen scharf kritisiert: „Der Europäische Rat wird bald beginnen, aber hier in der Stadt stellen sich alle die gleiche Frage“, sagt der ungarische Premierminister in dem Video: „Wo ist das ganze Geld hin?“. Orbán erklärt dann, die EU-Kommission habe kürzlich die nationalen Regierungen dazu aufgefordert, „Hunderte von Milliarden“ mehr zum Haushalt beizutragen, und wütet gegen die EU-Institution: „Wie ist eine solche Situation entstanden? Wie konnte die EU an den Rand des Bankrotts geraten? Sie wollen, dass wir der Ukraine weitere 50 Milliarden Euro geben, während sie nicht einmal über das Geld, das wir bisher gegeben haben, Rechenschaft ablegen können“.
Die EU wolle mehr Geld für die Migration, aber nicht, um die Grenzen zu schützen, sondern um mehr Migranten hereinzulassen, empört sich Orbán, „und natürlich haben sie auch ihre eigenen Taschen nicht vergessen: Sie bitten uns um Milliarden von Euro, um die Gehälter der Brüsseler Bürokraten zu erhöhen“.
Ungarn stellt sich damit gemeinsam mit Polen gegen die weitreichende Reform des europäischen Asylsystems, die vor kurzem auf einem EU-Innenministertreffen mit Mehrheitsbeschluss beschlossen wurde.
Diese Reform sieht unter anderem eine Solidaritätspflicht in Notsituationen sowie zusätzliche Maßnahmen und strengere Regelungen zur Begrenzung illegaler Migration vor. Vorgesehen ist insbesondere ein deutlich härterer Umgang mit Menschen aus Ländern, die als relativ sicher gelten. Sie sollen künftig nach einem Grenzübertritt unter haftähnlichen Bedingungen in streng kontrollierte Aufnahmeeinrichtungen kommen. Dort würde dann im Normalfall innerhalb von zwölf Wochen geprüft werden, ob der Antragsteller Chancen auf Asyl hat. Wenn nicht, soll er umgehend zurückgeschickt werden.
Über die Pläne sollen in Kürze Verhandlungen mit dem Europaparlament beginnen. Als Risiko gilt nun allerdings, dass Ungarn und Polen aus Protest gegen die Mehrheitsentscheidung der Innenminister andere Entscheidungen oder Erklärungen blockieren, bei denen einstimmige Beschlüsse erforderlich sind. Bei EU-Gipfeln zum Beispiel ist Einstimmigkeit immer erforderlich.
Viktor Orbán: „Leider sind wir Europäer nicht in der Lage, das zu regeln“
Orbán hatte zuletzt in einem Interview von „Bild“, „Welt“ und „Politico“ dafür geworben, dass Flüchtlinge außerhalb des EU-Gebiets auf den Abschluss ihres Asylverfahrens warten sollen. „Leider sind wir Europäer nicht in der Lage, das zu regeln“, sagte der konservative Politiker.
Schwierige Gespräche werden auch zur geplanten stärkeren Zusammenarbeit mit Tunesien in der Migrationspolitik erwartet. Es gibt nach Angaben von Diplomaten vor allem in Italien Unmut darüber, dass Länder wie Deutschland geplante Finanzhilfen für den Staat in Nordafrika an strenge Bedingungen knüpfen wollen. Rom befürchtet demnach, dass die Regierung in Tunis bei zu strengen Auflagen nicht zu mehr Hilfe im Kampf gegen illegale Migration bereit sein könnte. Präsident Kais Saied, der seit mehr als einem Jahr einen zunehmend autokratischen Kurs fährt, lehnte so vom Internationalen Währungsfonds (IWF) geforderte Reformen zuletzt ab.
Relevant ist die Zusammenarbeit mit Tunesien, weil der Staat derzeit sowohl ein bedeutendes Herkunfts- als auch ein bedeutendes Transitland für unerwünschte Migration über das Mittelmeer in die EU ist. Nach Zahlen der Vereinten Nationen kamen über Tunesien allein in diesem Jahr schon mehr als 30 000 Menschen in Italien an.
Ungarn blockiert auch bei Waffenlieferungen an die Ukraine
Zentrales Thema bei dem Gipfel sollen laut der offiziellen Agenda Beratungen zur weiteren Unterstützung der Ukraine sein. Erwartet wird zudem ein Austausch über den Aufstand von Jewgeni Prigoschin und seiner Wagner-Truppe in Russland. Bis heute ist unklar, was für Auswirkungen die Ereignisse vom Wochenende auf den russischen Angriffskrieg gegen die Ukraine haben und warum sich Prigoschin letztlich entschied, den Aufstand wieder abzubrechen.




