Alleinerziehende sind einer Studie zufolge nach wie vor am stärksten von Armut betroffen. Unter den Familien mit minderjährigen Kindern und nur einem Elternteil galten im vergangenen Jahr 41 Prozent als einkommensarm, wie die Bertelsmann Stiftung berichtete. Zum Vergleich: Bei den Paar-Familien galten zwischen 8 Prozent (bei einem Kind) und 30 Prozent (bei drei oder mehr minderjährigen Kindern) als armutsgefährdet.
Die geplante Kindergrundsicherung sei unzureichend, um Armut wirksam entgegenzuwirken, kritisierte die Familienexpertin der Stiftung, Anette Stein. „Was jetzt auf dem Tisch liegt, kann das Problem nicht lösen.“ Für einige alleinerziehende Familien könne es zu Verbesserungen kommen, für andere aber sogar zu Verschlechterungen. Um die befürchtete Verschlechterung für manche Alleinerziehenden zu vermeiden, seien im Gesetzentwurf unter anderem Änderungen zu Unterhaltsregelungen dringend geboten, heißt es in der Studie. Der Gesetzentwurf steckt schon seit Monaten im parlamentarischen Verfahren fest.
Alleinerziehende machen 20 Prozent der Familien aus
Bei den Ein-Eltern-Familien handelt es sich zu gut 82 Prozent um eine alleinerziehende Mutter mit ihrem Nachwuchs, in knapp 18 Prozent um einen alleinerziehenden Vater. An ihrer seit Jahren bekannten, häufig prekären Situation habe sich trotz punktueller Erleichterungen kaum etwas verbessert, kritisierten die Studienautorinnen. Von relativer Einkommensarmut – oder Armutsgefährdung – sind Personen betroffen, die über weniger als 60 Prozent des mittleren Einkommens der Gesamtbevölkerung verfügen.
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Unter allen 8,5 Millionen Familien deutschlandweit mit Kindern unter 18 Jahren machten alleinerziehende Familien etwa 20 Prozent aus. Der leichte Anstieg seit 2019 auf aktuell rund 1,7 Millionen Ein-Eltern-Familien mit minderjährigem Nachwuchs sei unter anderem auf Geflüchtete aus der Ukraine zurückzuführen. Es gebe regionale Unterschiede mit einem Alleinerziehenden-Anteil von 16,5 Prozent in Bayern und 27,5 Prozent in Berlin.
Fast die Hälfte aller Kinder, die in einer Familie mit Bürgergeldbezug aufwachsen, leben in einem Haushalt mit nur einem Elternteil. Für alleinerziehende Mütter sei das Armutsrisiko besonders hoch. Der Anteil alleinerziehender Haushalte mit Bürgergeldbezug liegt in Bremen mit 55 Prozent am höchsten und in Thüringen mit 27 Prozent am niedrigsten.
Gegen Armut: Ampelkoalition ringt um Kindergrundsicherung
Nach Einschätzung der Stiftung ist relative Armut bei vielen Alleinerziehenden nicht auf mangelnde Erwerbstätigkeit zurückführen. „71 Prozent der alleinerziehenden Mütter und 87 Prozent der alleinerziehenden Väter gehen einer Arbeit nach“, heißt es in Gütersloh. Zur finanziell schwierigen Situation tragen oft ausfallende Unterhaltszahlungen bei. Auch Reformen des Unterhaltsvorschusses oder der Kinderzuschlag habe die belastende Situation für viele Alleinerziehende nicht entscheidend verbessert.
Es brauche mehr Kitaplätze, eine verlässliche Ganztagsbetreuung in der Schule, flexiblere Arbeitszeitmodelle und weitere Anreize für Väter, mehr Verantwortung für ihre Kinder und Care-Arbeit zu übernehmen, fordert die Stiftung.
Die Ampelkoalition ringt seit Langem um die Kindergrundsicherung, mit der bisherige Leistungen für Kinder gebündelt werden sollen: also etwa Kindergeld, Zahlungen aus dem Bürgergeld für Kinder oder der Kinderzuschlag. Im Herbst 2023 hatte das Bundeskabinett einen Entwurf beschlossen, Bundesfamilienministerin Lisa Paus (Grüne) und Finanzminister Christian Lindner (FDP) hatten sich auf zunächst 2,4 Milliarden Euro Mehrkosten geeinigt. Bei steigender Inanspruchnahme könne der Betrag auf jährlich bis zu 6 Milliarden Euro im Jahr 2028 wachsen.
Experten: Kindergrundsicherung reicht nicht
Ob die Kindergrundsicherung aber Anfang 2025 kommt, wie von Paus angestrebt, ist offen. Viele Fragen sind noch ungeklärt, im Bundestag äußern die Koalitionsfraktionen SPD und FDP erhebliche Vorbehalte. Auch Lindner zeigt sich weiter skeptisch.


