Pflege

Arbeitgeberverband: „Karenzzeit“ für Pflegebedürftige im ersten Jahr geplant

Eine radikale Reform der Pflegeversicherung soll Unternehmen und Beschäftigte finanziell entlasten. Betroffen ist offenbar vor allem das erste Betreuungsjahr.

Die Bundesvereinigung der Deutschen Arbeitgeberverbände (BDA): „Die Pflege ist alles andere als ‚enkelfit‘.“
Die Bundesvereinigung der Deutschen Arbeitgeberverbände (BDA): „Die Pflege ist alles andere als ‚enkelfit‘.“

Die Bundesvereinigung der Deutschen Arbeitgeberverbände (BDA) will eine radikale Reform der Pflegeversicherung durchsetzen, schreibt die Frankfurter Allgemeine Zeitung in ihrer Online-Ausgabe. So sollten Bedürftige im ersten Betreuungsjahr und je nach Pflegegrad „noch keine größeren Leistungsansprüche an die Pflegekassen haben“. Es müsse eine „Karenzzeit“ geben, heißt es in den noch unveröffentlichten Plänen der BDA für eine Pflegereform 2026. Mit Karenzzeiten ließen sich etwa ein Zehntel der Pflegeausgaben sparen, also mehr als sechs Milliarden Euro im Jahr. Dies würde Unternehmen und Beschäftigte als Beitragszahler entlasten.

Damit die Abgaben nicht weiter aus dem Ruder liefen, müsse das System ähnlich wie in der Rentenversicherung auch um einen „Nachhaltigkeitsfaktor“ ergänzt werden, sobald die Zahl und die Leistungsansprüche der Pflegebedürftigen überproportional stark stiegen. Zudem sollen nach dem Willen der BDA versicherungsfremde Leistungen aus dem Bundeshaushalt finanziert werden – und nicht länger aus den Beiträgen.

So sinkt der Eigenanteil der Heimbewohner

Die Bundesländer hingegen sollten „vollumfänglich“ ihren Investitionspflichten für die Pflegeheime nachkommen. Dadurch sänke der Eigenanteil jedes Heimbewohners von durchschnittlich 3000 Euro um fast 500 Euro im Monat. Weitere 133 Euro könne er sparen, würden ihm die Länder die Beteiligung an den Kosten für die Ausbildung der Pflegekräfte abnehmen. Die Pflegekosten ließen sich um drei Milliarden Euro im Jahr senken, wenn die Krankenkassen die Finanzierung der verordneten medizinisch notwendigen Behandlungspflege übernähmen.

Auch der „Entlastungsbetrag“ von 131 Euro im Monat soll laut BDA gestrichen werden. Mit diesem können Pflegebedürftige Dienste im Garten oder Haus bezahlen, darunter Putzen, Kochen, Waschen. Der Zuschuss lade zu Mitnahmeeffekten ein und summiere sich auf 3,4 Milliarden Euro im Jahr. Weiter will die BDA die von den Pflegekassen bezahlten Leistungszuschläge für Heimbewohner zur Begrenzung der Eigenanteile auf solche Personen beschränken, die zwei oder mehr Jahre stationär versorgt werden.

„Bundesgesundheitsministerin Warken hat recht: Die Pflegeversicherung kann nur fortbestehen als Teilkaskoversicherung, mit Umverteilungsfantasien ist das System nicht zu retten“, sagte BDA-Hauptgeschäftsführer Steffen Kampeter gegenüber der FAZ.„Ohne tiefgreifende Reformen drohen drastische Beitragssteigerungen zulasten der jungen Generation, der Betriebe und des Standorts.“ Kampeter weiter: „Auch ein Nachhaltigkeitsmechanismus wie in der Rente muss kommen, um die finanziellen Lasten gerecht zwischen den Generationen zu verteilen.“

Zudem weist die BDA darauf hin, dass die Pflegekassen den stärksten Beitragsanstieg aller Sozialversicherungen verzeichneten. Eine Schieflage, die sich fortzusetzen droht: Aufgrund der Überalterung und eines breiten Begriffs von Pflegebedürftigkeit werde die Zahl der Leistungsbezieher bis 2045 von 5,8 auf 7,2 Millionen Personen steigen. Schon 2035 dürfte der Beitragssatz 4,5 statt derzeit 3,6 Prozent erreichen. Dann drohe eine Belastung aller Sozialversicherungen von 49 Prozent auf das versicherungspflichtige Einkommen, gegenüber heute 42,5 Prozent. Die Pflege sei alles andere als „enkelfit“, schreibt die BDA.