Die EU hat die von Israel angeordnete Evakuierung des Ostteils der Stadt Rafah im südlichen Gazastreifen verurteilt. Der Aufruf der Armee lasse „das Schlimmste befürchten: mehr Krieg und Hunger“, schrieb der EU-Außenbeauftragte Josep Borrell am Montag im Onlinedienst X. „Das ist inakzeptabel. Israel muss auf eine Bodenoffensive verzichten“, fügte er hinzu. Die EU müsse sich zusammen mit der internationalen Gemeinschaft dafür einsetzen, „ein solches Szenario zu verhindern“.
Die israelische Armee rief die Einwohner des östlichen Teils der Stadt an der Grenze zu Ägypten dazu auf, sich in das einige Kilometer nördlich gelegene Al-Mawasi-Lager am Mittelmeer zu begeben. Israels Regierung hatte kürzlich bekräftigt, eine geplante Bodenoffensive in Rafah trotz heftiger internationaler Kritik umsetzen zu wollen.
Die Bundesregierung erneuerte am Montag ihre Warnung, eine solche Offensive werde eine humanitäre Katastrophe auslösen. In dem Gebiet hielten sich mehr als eine Million Menschen auf, sagte eine Sprecherin des Auswärtigen Amtes in Berlin. Sie forderte: „Diese Menschen brauchen Schutz. Sie brauchen natürlich humanitäre Unterstützung. Und die Bundesregierung und auch die Außenministerin haben bereits in Vergangenheit wiederholt gesagt, dass eine groß angelegte Bodenoffensive auf Rafah eine humanitäre Katastrophe wäre, und zwar eine humanitäre Katastrophe mit Ansage.“
Indirekte Verhandlungen Israels mit der islamistischen Terrororganisation Hamas in Kairo über eine neue Feuerpause im Gaza-Krieg und die Freilassung von Geiseln im Gegenzug für palästinensische Häftlinge waren zuvor ohne Ergebnis geblieben.
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Rafah: Verbündete Israels warnten vor Offensive
Israels Verbündete hatten seit Monaten eindringlich vor einer solchen Offensive in Rafah gewarnt, weil sich dort Hunderttausende palästinensischer Binnenflüchtlinge drängen. Israel hält den Einsatz jedoch für unumgänglich, um eine Zerstörung der Kampffähigkeiten der Hamas sicherzustellen. Anderenfalls könne sie nach Kriegsende wiedererstarken.
Die Sprecherin des Auswärtigen Amtes forderte zudem, laufende und schwierige Verhandlungen nicht zu gefährden. „Gleichzeitig erleben wir eine Situation, wo weit über 100 Menschen in Gefangenschaft, in Geiselhaft der Hamas sind, die befreit werden müssen“, sagte sie. Alle Seiten müssten nun „maximale Anstrengungen“ unternehmen. „Denn es muss zu einer Situation kommen, dass sowohl die Menschen in Gaza bestmöglich versorgt werden können mit humanitären Gütern und gleichzeitig die Geiseln befreit werden können“, sagte die Sprecherin.
Zugleich verurteilte sie fortgesetzte Angriffe der Hamas auf Israel aus dem Gazastreifen. Mitglieder des militärischen Arms der Palästinenserorganisation hatten am Sonntag Raketen auf den israelischen Grenzübergang Kerem Schalom, der sich nicht weit von Rafah entfernt befindet, gefeuert und dabei vier israelische Soldaten getötet. Kerem Schalom ist der wichtigste Grenzübergang für die Lieferung von Hilfsgütern aus Israel in den Gazastreifen. Die Armee schloss ihn nach dem Raketenangriff vorübergehend für humanitäre Transporte. Das Militär bombardierte im Anschluss nach eigenen Angaben im Gazastreifen den Ort in der Nähe des Grenzübergangs Rafah zu Ägypten, von dem der Angriff ausgegangen war.
Offensive auf Rafah: Ägypten befürchtet Ansturm von Flüchtlingen
Vor Kampfeinsätzen in Rafah will Israel die Stadt nach eigenen Angaben zunächst evakuieren. Es wird erwartet, dass dies mehrere Wochen dauern könnte. Nach Informationen des Wall Street Journal will Israel seine Bodenoffensive in Rafah in Etappen durchführen. Das Blatt schrieb von zwei bis drei Wochen Evakuierung und sechs Wochen Offensive. Ägypten lehne Pläne für solch eine Offensive entschieden ab und habe diese Position auch mehrfach klargestellt. Die Stadt im Süden gilt als die einzige in dem abgeriegelten Küstenstreifen, die noch vergleichsweise intakt ist.
Kairo befürchtet unter anderem, es könnte bei einem Einsatz Israels in Rafah zu einem Ansturm von Palästinensern über die Grenze kommen. In Rafah liegt der Grenzübergang vom Gazastreifen nach Ägypten, es ist auch ein wichtiges Tor für humanitäre Hilfslieferungen in den abgeriegelten Küstenstreifen. Heftige Kämpfe in Rafah könnten die Lieferungen von Nahrungsmitteln, Medikamenten und Treibstoff weiter erschweren.


