Köln/Berlin-Nachdem Schauspielkollegen die Internetaktion #allesdichtmachen heftig kritisiert hatten, hat sich am Freitag auch WDR-Rundfunkrat Garrelt Duin geäußert. Auf Twitter schrieb Duin: „Jan Josef Liefers und Tukur u.a. verdienen sehr viel Geld bei der ARD, sind deren Aushängeschilder. Auch in der Pandemie durften sie ihrer Arbeit z.B. für den ‚Tatort‘ unter bestem Schutz nachgehen. Durch ihre undifferenzierte Kritik an ‚den Medien‘ und demokratisch legitimierten Entscheidungen von Parlament und Regierung, leisten sie denen Vorschub, die gerade auch den öffentlich-rechtlichen Sendern gerne den Garaus machen wollen.“ Dafür wird Duin jetzt heftig kritisiert.
Aus diesen Gründen fordert Duin Konsequenzen für die Schauspieler. Sie hätten sich als Vertreter der öffentlich-rechtlichen Sender „unmöglich“ gemacht. Die zuständigen Gremien müssten die Zusammenarbeit – „auch aus Solidarität mit denen, die wirklich unter Corona und den Folgen leiden – schnellstens“ beenden. Daraufhin entlud sich ein Shitstorm gegen den SPD-Politiker. Der Tweet wurde mittlerweile gelöscht. „Eine Stunde Shitstorm ist mir persönlich genug“, schrieb Garrelt Duin.
Ok Leute, eine Stunde shitstorm ist mir persönlich genug. Geh dann mal in mich. Ich lösche die letzten Tweets, bin aber sicher, dass es möglich sein wird, eine gute und nachdenkliche Debatte über #allesdichtmachen zu führen; auch ohne Nazi-Vergleiche.
— Garrelt Duin (@GarreltDuin) April 23, 2021
Nadja Uhl, Ulrich Tukur, Wotan Wilke Möhring und Jan Josef Liefers und weitere Schauspieler hatten mit satirischen Statements in kurzen Videos die Corona-Politik der Bundesregierung aufs Korn genommen.
Nora Tschirner: Schauspieler schämen sich womöglich bald für die Aktion
Scharfe Kritik an der #allesdichtmachen-Aktion kam am Freitag auch von der Schauspielerin Nora Tschirner („Keinohrhasen“). „Echt ja, Leude?,“ schrieb sie auf Instagram, wo sie unter dem Nutzer-Namen Normatschernau unterwegs ist. „Kann halt sein, dass man sich ein büschn schämen wird in ein paar Jahren (Wochen?)“, fragte sie und fügte hinzu: „Unfuckingfassbar.“ Sie warf Teilnehmern der Aktion Zynismus vor.
Thank goodness for small mercies.
— Fran (@Alatarielle) April 22, 2021
Wenigstens gibt es ein paar Vernünftige, die sich gegen diesen Schwachsinn stellen. #allenichtganzdicht #NoraTschirner zu Jan Josef Liefers & Volker Bruch pic.twitter.com/1jUPVDKmJR
TV-Moderator Georg Restle: Kritik an #allesdichtmachen ist teilweise plump
Verständnis für die #allesdichtmachen-Aktion äußerte hingegen der öffentlich-rechtliche Moderator Georg Restle, Leiter des Politmagazins „Monitor“. Er schrieb am Freitag auf Twitter: „Die zum Teil wohlfeile Kritik an #allesdichtmachen ist mir zu plump. Nicht jeder, der einen neuen Untertanengeist aufs Korn nimmt, ist ein ‚Querdenker‘ oder ‚nimmt Tausende Tote in Kauf‘. Wir sollten aufhören, uns gegenseitig in Ecken zu treiben, aus denen keiner mehr rauskommt.“
Die zum Teil wohlfeile Kritik an #allesdichtmachen ist mir zu plump. Nicht jeder, der einen neuen Untertanengeist aufs Korn nimmt, ist ein "Querdenker" oder "nimmt Tausende Tote in Kauf". Wir sollten aufhören, uns gegenseitig in Ecken zu treiben, aus denen keiner mehr rauskommt.
— Georg Restle (@georgrestle) April 23, 2021
Böhmermann: „Station 43 – Sterben“ anschauen!
Satiriker Jan Böhmermann hielt den Mitmachern der Aktion bei Twitter entgegen, das einzige Video, das man sich ansehen solle, „wenn man Probleme mit Corona-Eindämmungsmaßnahmen hat“, sei die ARD-Doku aus der Berliner Charité mit dem Titel „Station 43 – Sterben“. „Die Schauspieler*innen von #allesdichtmachen können sich ihre Ironie gerne mal tief ins Beatmungsgerät schieben“, twitterte Moderator Tobias Schlegl, der auch Notfallsanitäter ist.
Meret Becker distanziert sich von der Aktion – und lässt ihr Video entfernen
Die Schauspielerin Meret Becker („Tatort“) hat sich ebenfalls von der Videoaktion #allesdichtmachen distanziert. Kunst müsse Fragen stellen können, sagte Becker am Freitag in einem Beitrag bei Instagram. „Aber diese Aktion ist nach hinten losgegangen.“ Sie werde ihr eigenes Video runternehmen lassen. „Und ich entschuldige mich dafür, dass das falsch verstanden werden konnte.“
Becker sagte, sie lasse sich impfen, trage Maske, halte Abstand und lasse sich testen, wenn sie mit Menschen in Kontakt trete. Dass die Aktion instrumentalisiert werde von der rechten Seite, sei das Letzte, was sie gewollt habe. „Ich möchte auch nicht mit Aluhütchen oder dergleichen verglichen werden.“ Es sei eine vielleicht zu zynisch gestaltete Kunstaktion gewesen.
Gesundheitsminister Spahn macht Initiatoren ein Gesprächsangebot
Auch Reaktionen aus der Politik ließen nicht lange auf sich warten: Gesundheitsminister Jens Spahn (CDU) machte den Initiatoren der Aktion am Freitag ein Dialogangebot. Er könne sich gut vorstellen, das Gespräch miteinander zu führen, sagte Spahn in Berlin. „Dass es Kritik und Fragen gibt an den Maßnahmen und den Hintergründen, das finde ich nicht nur normal, das finde ich in einer freiheitlichen Demokratie wünschenswert.“
Er habe sich noch nicht selbst alles anschauen können, sagte der Minister. Er fände es aber schade, „wenn der Eindruck da wäre, dass es nicht auch kontroverse, abwägende Diskussionen gibt“. Dies habe im Bundestag stattgefunden. „Es waren ja sehr kontroverse Diskussionen, gesellschaftlich, politisch, in ganz vielen Bereichen.“ Es sei auch nötig, das Vorgehen zu rechtfertigen, zu erläutern und abzuwägen.
Kultursenator Lederer: Zynismus und Hohn sind unangebracht
Berlins Kultursenator Klaus Lederer positionierte sich am Freitag gegen die Internetaktion #allesdichtmachen. „Ich kann gut nachvollziehen, dass es nach 13 Monaten Pandemie schwer fällt, Kraft und Zuversicht zu behalten“, sagte der Linke-Politiker der dpa in Berlin. Er teile manche Kritik „an der Pauschalität der sogenannten Notbremse, die uns Wege verschließt, zu lernen, wie unter Pandemiebedingungen kulturelles Leben ermöglicht werden kann“. Gleichzeitig sagte er: „Wenig Verständnis habe ich für Ignoranz gegenüber den massiven Gefahren und den Folgen, die Covid für unsere Gesellschaft bedeutet. Zynismus und Hohn sind unangebracht“, so Lederer, der aktuell auch der Kulturministerkonferenz der Länder vorsitzt.




