Künstliche Intelligenz

Albanien erwägt, ganzes Ministerium von KI führen zu lassen

Albanien will Vorreiter in Sachen KI und Digitalisierung sein – und gegen Korruption vorgehen. Nun legt Premierminister Edi Rama einen radikalen Vorschlag auf den Tisch.

Blick über Tirana, Hauptstadt von Albanien
Blick über Tirana, Hauptstadt von AlbanienWerner Lerooy/imago

Albanien setzt vermehrt auf Künstliche Intelligenz in der öffentlichen Verwaltung. Wie Premierminister Edi Rama kürzlich verkündete, werde derzeit darüber nachgedacht, ein komplett durch KI-gesteuertes Ministerium einzuführen. Die Technologie könnte bald zum „effizientesten Mitglied der Regierung“ werden, sagte Premierminister Edi Rama bereits im Juli bei einer Pressekonferenz zum Thema Digitalisierung. „Auf diese Weise gäbe es keine Vetternwirtschaft oder Interessenkonflikte“, argumentierte er.

Lokale Entwickler könnten sogar daran arbeiten, ein KI-Modell für die Wahl eines Ministers zu entwickeln, was dazu führen könnte, dass das Land „das erste Land mit einer gesamten Regierung aus KI-Ministern und einem KI-Premierminister“ wird, fügte Rama hinzu. Obwohl noch keine formellen Schritte unternommen wurden und Ramas Amt noch nicht offiziell zu vergeben ist, sagte der Premierminister, dass die Idee ernsthaft in Betracht gezogen werden sollte.

Ben Blushi, ein ehemaliger Politiker der Regierungspartei sagte gegenüber dem Nachrichtenportal Politico, er glaube, dass KI-gesteuerte Staaten eine reale Möglichkeit seien, die unser Konzept der Demokratie auf den Kopf stellen könnten. „Warum müssen wir zwischen zwei oder mehr menschlichen Optionen wählen, wenn die Dienstleistungen, die wir vom Staat erhalten, auch von KI erbracht werden könnten?“, fragte Blushi. „Gesellschaften werden von KI besser geführt als von uns, weil sie keine Fehler macht, kein Gehalt benötigt, nicht korrumpiert werden kann und nicht aufhört zu arbeiten.“

Albaniens Premierminister Edi Rama
Albaniens Premierminister Edi RamaArmend Nimani/AFP

Kritiker: „KI wird Korruption nur besser verstecken“

Albanien hat seit langem mit Korruption zu kämpfen. Mehrere Politker der Regierungspartei wurden bereits wegen Korruption angeklagt und verurteilt. Auch Oppositionsführer Sali Berisha steht derzeit vor einem Korruptionsprozess, und der ehemalige Premierminister und Präsident Ilir Meta sitzt deshalb bereits im Gefängnis. KI soll nun im Kampf gegen die Korruption eine echte Alternative schaffen – so die Hoffnung.

Doch nicht alle Experten sehen die Vision eines KI-geführten Ministeriums positiv. Oppositionsabgeordnete Jorida Tabaku sagte gegenüber Politico: „Man kann ein manipuliertes System nicht reparieren, indem man es in die Cloud stellt“.

„Wenn dieselben Akteure, die von korrupten Ausschreibungen profitiert haben, auch diejenigen sind, die den Algorithmus programmieren, dann bewegen wir uns nicht in Richtung Zukunft. Wir verankern die Vergangenheit“, so Tabaku. „In einem Land, in dem 80 Prozent des Budgets über öffentliche Aufträge abgewickelt werden – und ein Drittel davon ohne echten Wettbewerb vergeben wird –, wird KI die Korruption nicht beseitigen. Sie wird sie nur besser verstecken“, sagte sie.

KI hilft Albanien bereits beim EU-Beitritt

Das Land setzt bereits in vielen anderen Bereichen verstärkt auf Künstliche Intelligenz und Digitalisierung. Rama kündigte im Juli an, dass er das Land bis 2030 bargeldlos machen und auf rein digitale Zahlungen umstellen möchte. Das Land hat kürzlich auch 95 Prozent aller Bürgerdienste über ein Portal namens e-Albania online gestellt.

Im Jahr 2024 kündigte Albanien zudem an, den Anschlussprozess an die EU maßgeblich von KI unterstützen zu lassen. Nach der formellen Aufnahme der Verhandlungen im Jahr 2022 begann das Land damit, sich an den EU-Acquis anzugleichen, der aus rund einer Viertelmillion Seiten Gesetzen, Vorschriften und Standards besteht.

Mit Ramas deutlichem Sieg bei den Parlamentswahlen 2025, bei denen er mit dem Ziel eines EU-Beitritts bis 2030 antrat, habe der Prozess nun an Fahrt aufgenommen. Die Idee sei, dass KI die „Übersetzung“ übernimmt, um Abweichungen zwischen nationalem Recht und EU-Recht zu identifizieren – zum ersten Mal überhaupt im Prozess eines EU-Beitritts kommt damit KI zum Einsatz.