Bektaschi-Orden

„Wie Vatikan“: Albanien will muslimischen Kleinststaat errichten

In der albanischen Hauptstadt soll ein neuer Kleinstaat für Mitglieder des schiitischen Sufi-Ordens der Bektaschi entstehen. Was über die Pläne bekannt ist.

Das Weltzentrum der Bektaschi in Tirana. Auf diesem Areal soll ein neuer Staat entstehen.
Das Weltzentrum der Bektaschi in Tirana. Auf diesem Areal soll ein neuer Staat entstehen.Westend61/imago

Der Premierminister Albaniens, Edi Rama, will in der albanischen Hauptstadt Tirana einen souveränen muslimischen Staat errichten. Er soll seinem Plan zufolge in Zukunft den Mitgliedern des schiitischen Sufi-Ordens der Bektaschi als Vatikan-ähnliche Enklave dienen. Das kündigte Rama am Sonntag in einer Rede vor den Vereinten Nationen (UN) in New York an. 

„Unsere Inspiration ist es, die Umwandlung des Bektaschi-Weltzentrums in Tirana in einen souveränen Staat zu unterstützen, ein neues Zentrum der Mäßigung, der Toleranz und der friedlichen Koexistenz“, so der albanische Ministerpräsident in New York. Ein muslimischer Kleinstaat der Bektaschi, so der Premierminister in einem Bericht der New York Times, würde eine klare Botschaft senden: „Lasst nicht zu, dass das Stigma der Muslime definiert, wer Muslime sind.“

Kopftuch und Alkohol: Sufi-Orden der Bektaschi gilt als tolerant

Der Bektaschi-Orden wurde im 13. Jahrhundert im Osmanischen Reich gegründet und gilt als toleranter, mystischer Zweig des Islams, der anderen Religionen und Philosophien offen gegenüber steht. In dem geplanten Kleinstaat würde Alkohol erlaubt sein, Frauen dürften tragen, was sie wollen, und es gebe keine Vorschriften für den Lebensstil, hieß es in dem Bericht über die Pläne.

Einige der wichtigsten Führungspersönlichkeiten der Bektaschi hatten sich in Albanien niedergelassen, nachdem der Gründungsvater der modernen Türkei, Mustafa Kemal Atatürk, sie in der Türkei verbot. Die Bektaschi gelten heute als die viertgrößte religiöse Gemeinschaft in Albanien nach den sunnitischen Muslimen, den orthodoxen Christen und den Katholiken. Sie machen nach einer Schätzung des albanischen Zensus von 2023 zehn Prozent der muslimischen Bevölkerung des Landes aus. International gibt es keine offiziellen Zahlen über die Glaubensanhänger.

Der Bektaschi-Orden in Tirana lobte die Pläne. „Die Souveränität des Bektaschi-Ordens ist ein wichtiger Schritt zur Stärkung der Werte der Inklusion, religiösen Harmonie und des Dialogs in einer zusehends gespaltenen Welt“, erklärte der Orden. „Alle Entscheidungen werden mit Liebe und Freundlichkeit getroffen“, kündigte Baba Mondi an, der als Haji Dede Baba als Oberhaupt der Bektaschi bekannt ist.

Haji Baba Mondi umarmt eine Frau. Bektaschi-Frauen tragen üblicherweise kein Kopftuch.
Haji Baba Mondi umarmt eine Frau. Bektaschi-Frauen tragen üblicherweise kein Kopftuch.UIG/imago

Bektaschi-Enklave in Albanien geplant: Was bisher bekannt ist

Die Staatsbürgerschaft des geplanten rund zehn Hektar großen Kleinststaates wird auf Mitglieder des Klerus sowie der staatlichen Verwaltung begrenzt sein. Zur Einordnung: Die geplante Größe entspricht etwa sechs New Yorker Straßenblöcken. Die Regierung der Enklave werde aus den Ordensspitzen gebildet, außerdem werde ein Rat die religiöse und administrative Funktionstüchtigkeit überwachen, hieß es weiter. 

Zum Zeitplan und der Art und Weise, wie der neue Kleinststaat ausgerufen wird, wurden bislang keine näheren Angaben gemacht. Ein Team von Rechtsexperten, darunter auch internationale Juristen, arbeite jedoch derzeit an einem Gesetzesentwurf, der den souveränen Status des neuen Staates innerhalb Albaniens festlegen soll. Anschließend müsse das albanische Parlament zustimmen. Ob und wie viele Länder anschließend den neu errichteten Bektaschi-Kleinstaat anerkennen würden, ist noch nicht abzusehen – aber er würde den Vatikan als kleinsten Staat der Welt ablösen.

„Wir verdienen einen Staat“, sagte Baba Mondi im Bericht der New York Times, „wir sind die einzigen auf der Welt, die die Wahrheit über den Islam sagen und ihn nicht mit der Politik vermischen.“ (mit AFP)