In der 100. Folge ermittelt er wieder, doch abseits des Filmsets findet man Florian Martens an einem Ort, der ihm gleichermaßen vertraut ist: einer klassischen Berliner Eckkneipe. Im Metzer Eck, seinem Stammtisch im Osten der Stadt, spricht der Schauspieler über sein Berlin. Anlässlich des Jubiläums von „Ein starkes Team“ blickt Martens im Interview mit der Berliner Zeitung auf 100 Fälle als Kriminalhauptkommissar Otto Garber zurück, verrät, was seine Figur nach all den Jahren lebendig hält und warum er die Serie trotz einiger Wutausbrüche in jungen Jahren nie ernsthaft verlassen wollte. Ein Gespräch über Direktheit, Drehtage und die Legende, dass seine Krimikarriere in einer langen Nacht in einer Kneipe begann.
Was macht für Sie eine gute Eckkneipe aus – und welche Orte stehen für Ihr Berlin?
Ein Tresen, klare Worte, eine Karte ohne Theater. Ich brauche da kein Sushi oder italienische Speisen. Man trifft Menschen, ohne sich zu verabreden. Den Zigarettenrauch von früher vermisse ich nicht, die Kultur dahinter aber schon. Im Westen sind es für mich Zwiebelfisch und Diener am Savignyplatz, im Osten dieses Haus hier, das Metzer Eck. Und die Oranienburger: mein alter „Meilenstein“ – heute ein veganes Restaurant. Für manche heute ein Gewinn, für mich die Höchststrafe. Es war damals ein Zuhause. Da hat mir der Koch nachts um halb drei noch Buletten gebraten und ich konnte sitzen bleiben, solange ich wollte.
Ihr Berlin heute – ist es besser geworden oder schlechter?
Beides. Die Stadt ist vielfältiger und kulinarisch spannender, zugleich lauter, dichter, ungeduldiger. Und sie baut – so fühlt es sich oft an – vor allem Baustellen. Es werden Baustellen gebaut, sage ich: Absperrung, Umleitung, dann passiert wochenlang nichts Sichtbares. Ich lebe in Pankow und drehe häufig in Zehlendorf und am Wannsee; jede neue Sperrung verlängert die Wege. Natürlich muss gebaut werden, aber vieles wird verschleppt. Diese Mischung aus Eiltempo beim Absperren und Schneckentempo beim Fertigwerden nervt.

Hundert Folgen „Ein starkes Team“. Was hält die Figur lebendig?
Neugier. Otto funktioniert, weil die Leute ihn so sehen wollen, wie sie ihn kennen: direkter Ton, kurze Zündschnur, Herz am richtigen Fleck. Aber sowohl Otto als auch ich sind heute älter und ruhiger. Am Anfang ging mehr Wildwuchs; heute sind die Grenzen enger. Dinge, die früher als kantig durchgingen, wären heute tabu. Otto, meine Figur, hat in den ersten Folgen beim Verhör noch zugeschlagen. Undenkbar heutzutage. Hat Zigaretten beim Vietnamesen unter der Brücke gekauft und den Staatsanwalt Arschloch genannt. Das geht heute alles nicht mehr. Trotzdem bleibt die Figur lebendig; ich spüre das auf der Straße und in Zuschriften.
Sie haben ja bereits vor dem Mauerfall Filme gedreht. Was hat sich am Set seit den Defa-Tagen am stärksten verändert?
Die Zeit. Früher nahm man sie sich: Probe, Licht, noch ein Take, bis es stimmte. Ein Beispiel: Bei meinem letzten Defa-Film standen 14 Drehtage im Vertrag, am Ende wurden es 27. Der Hauptdarsteller hatte 80 statt 53 Drehtage. Heute drehen wir digital. Präziser, ja – aber mit weniger Luft. Auch mit der Situation vor 20 Jahren ist es heute nicht vergleichbar, der Unterschied ist drastisch.

Wie viel Einfluss haben Sie auf Buch und Figur?
Formal entscheidet man von Film zu Film, praktisch ist es oft ein Kompromiss. Wenn ein Buch spät kommt, kann ich nicht 40 Leuten den Job absagen, weil mir eine Wendung nicht schmeckt. Wir arbeiten mit Autoren, die die Figuren „können“. Radikale Brüche sieht der Sender vorsichtig. Ich hätte hier und da Lust auf mehr Risiko, verstehe aber, warum man keine Experimente eingehen will, wenn eine Reihe zuverlässig trägt.
Öffentlich-Rechtliche und Rundfunkbeitrag: Wie blicken Sie auf die Debatte?
Ich frage zuerst: Was wäre die Alternative? Privatfernsehen schaue ich kaum, und mit Reality-Formaten kann ich nichts anfangen. „Big Brother“, Dschungelcamp und dergleichen – das ist nicht meins. Der Rundfunkbeitrag ist für mich gut angelegtes Geld, wenn ich dafür verlässlich informiert werde und gute Filme entstehen. Wichtig ist mir, dass damit Zeit für Stoffentwicklung und genügend Drehtage finanziert werden; das sieht man später auf dem Bildschirm. Und ja, meinetwegen dürfte der Beitrag auch höher sein, wenn genau das gesichert wird. Mir ist Qualität lieber als der schnelle Output.

Die Legende sagt, Ihr Casting habe in einer Kneipe stattgefunden. Können Sie die Szene vollständig erzählen?
Gern. Es war eine lange Nacht, griechische Feier, viel Essen, viel Lärm. Ich stand irgendwann an der Bar und sprach mit einem Mann, ohne zu wissen, wer er war. Am nächsten Tag hat mich gegen 16 Uhr meine Agentin aus dem Schlaf geholt: „Glückwunsch, du hast die Rolle.“ Ich habe gefragt: „Welche Rolle?“ Sie: „Du hattest da ein Gespräch mit einem Regisseur. Der sucht seit Wochen den männlichen Hauptdarsteller für die Krimikomödie ‚Gemischtes Doppel‘.“ Von der Reihe „Ein starkes Team“ selbst war da noch gar nicht die Rede. Ich fragte: „Wie kommen die auf mich?“ Gesucht war ein Typ aus dem Osten – oder jemand, der ihn glaubwürdig spielt. Maja Maranow kannte ich aus „Rivalen der Rennbahn“, und genau sie sollte entscheiden, ob sie sich mich an ihrer Seite vorstellen kann. Also nahm der Regisseur Maja mit. Sie fixierte mich, prüfend, und dachte wohl sinngemäß: „Der Typ gefällt mir, das kann ich mir vorstellen.“ Den Rest hat man mir auf den Leib geschrieben.
Hatten Sie je ernsthaft vor, beim „Starken Team“ aufzuhören?
In den frühen Jahren habe ich im Affekt zwei-, dreimal hingeschmissen – ich war jünger, hatte eine kurze Zündschnur. Am nächsten Tag saßen wir dann zusammen, redeten, und es ging weiter. Das letzte Mal ist sehr lange her. Heute weiß ich, was mir die Reihe gibt – und was ich ihr schulde. Solange die Leute Otto sehen wollen, bleibe ich gern.
