Immobilienmarkt

Wohnungsverband erwartet für Berlin Heizkostensteigerung von „50 Prozent plus X“

Der Verband Berlin-Brandenburgischer Wohnungsunternehmen rät, Rücklagen für Nachzahlungen zu bilden – und will zugleich stärkere Temperaturabsenkungen erlauben.

Heizen kann teuer werden. Der Verband Berlin-Brandenburgischer Wohnungsunternehmen rechnet mit drastisch steigenden Preisen.
Heizen kann teuer werden. Der Verband Berlin-Brandenburgischer Wohnungsunternehmen rechnet mit drastisch steigenden Preisen.dpa/Julian Stratenschulte

Der Verband Berlin-Brandenburgischer Wohnungsunternehmen (BBU) rechnet damit, dass auf Haushalte in Berlin in diesem Jahr Heizkostensteigerungen von „50 Prozent plus X“ zukommen. Das sagte BBU-Chefin Maren Kern am Donnerstag. Allein bei einer Steigerung um 50 Prozent sei im Jahr 2022 für einen Durchschnittshaushalt in einer 60 Quadratmeter großen Wohnung mit Mehrkosten von 360 Euro zu rechnen, sagte sie.

„Das ist ein enormer Preissprung, den auch die steuerpflichtige Einmalzahlung des Bundes in Höhe von 300 Euro nicht auffängt“, so Kern. „Wir empfehlen den Mieterinnen und Mietern deshalb dringend, noch bewusster mit Energie umzugehen sowie eine Rücklage für Nachzahlungen zu bilden oder mit der Bitte um Erhöhung der Heizkostenvorauszahlungen auf ihre Vermieter zuzugehen.“

Die BBU-Mitgliedsunternehmen vermieten 753.000 Wohnungen in Berlin, das sind circa 45 Prozent der Mietwohnungen in der Stadt. Laut BBU haben bei einer Umfrage im Juni fast 85 Prozent der Mitgliedsunternehmen angegeben, dass sich für sie seit Anfang 2022 die Energiepreise erhöht haben. Einzelne Energieversorger hätten die Preise sogar um 100 bis 300 Prozent angehoben, so Kern.

Nur wenige Mieter stimmen freiwilliger Erhöhung der Vorauszahlungen zu

Vor diesem Hintergrund hätten bereits rund 60 Prozent der Berliner BBU-Mitgliedsunternehmen ihren Mietern empfohlen, ihre Vorauszahlungen für Heizung und Warmwasser freiwillig zu erhöhen. Weitere 28 Prozent planten mit Stand Ende Juni, mit einer solchen Empfehlung auf ihre Mieterschaft zuzugehen. Im Moment lägen die Zustimmungsquoten der Mieter aber nur bei 20 Prozent, so Kern.

Die Absenkung der Temperatur auf 17 Grad in der Nacht, die von der börsennotierten Vonovia als Energiesparmaßnahme angekündigt wurde, ist nach Angaben des BBU durch die Rechtsprechung gedeckt. Tagsüber werde in Aufenthaltsräumen in der Heizperiode derzeit eine Temperatur zwischen 20 und 22 Grad verlangt. Wenn es nach dem BBU geht, sollte es rechtliche Änderungen geben. „Der Bundesgesetzgeber muss schnellstens die rechtlichen Voraussetzungen dafür schaffen, dass Vermieter im Notfall von dieser geschuldeten Raumtemperatur abweichen und die Vorlauftemperaturen in den Heizanlagen senken können, ohne dass daraus Mietminderungsansprüche abgeleitet werden könnten“, so BBU-Chefin Kern.

„Damit wäre auch bei einer Gasmangellage sichergestellt, dass die Heiztemperaturen vorübergehend und mit sozialem Augenmaß etwas gesenkt und damit auch mit einer verringerten Gasmenge alle Haushalte versorgt werden können.“ Kern sieht aber auch eine Grenze nach unten. Die Temperatur in den Wohnungen dürfe nicht so stark abgesenkt werden, dass dies zu einer Schimmelpilzbildung führe, sagte sie. Ab 14 bis 16 Grad werde es schwierig, sagte BBU-Sprecher David Eberhart.

BBU hält Kündigungs-Moratorium nicht für notwendig

Ein Kündigungs-Moratorium, wie vom Mieterbund verlangt, hält der BBU nicht für nötig. „Wie schon zu Corona sagen wir: Wohnen bei unseren Mitgliedsunternehmen ist sicher“, so die BBU-Chefin. „Viel sinnvoller als ein pauschales Moratorium wäre, Haushalte in Not gezielt und vor allem zügig finanziell zu unterstützen.“

Zügig nachgedacht werden müsse auch über einen Deckel für die Energiekosten. Möglich sei, beispielsweise die Ausgaben für Heizung und Warmwasser bei 40 Prozent der Kaltmiete zu deckeln. Die Differenz zu den Marktpreisen könnte dann über einen noch zu schaffenden staatlichen Transferfonds gedeckt werden.

Der vom Berliner Senat auf den Weg gebrachte Härtefallfonds mit einem Volumen von zunächst rund 380 Millionen Euro ist aus Sicht des BBU ein erster richtiger Schritt, um einkommensschwächere Haushalte gezielt zu unterstützen. Doch müsste der Fonds „aller Wahrscheinlichkeit nach noch deutlich erhöht“ werden. Denn nur 110 Millionen Euro aus dem Härtefallfonds seien für die Unterstützung von privaten Haushalten vorgesehen. Um die sozial orientierten Wohnungsunternehmen vor Insolvenzen infolge hoher finanzieller Vorleistungen zu schützen, sollte auch für sie ein Hilfsfonds eingerichtet werden.

Der BBU regt zudem eine „konzertierte Aktion“ für die Sicherung der Energieversorgung an. „Handwerk, Versorger und Wohnungswirtschaft sollten sich schnellstens abstimmen, damit beispielsweise die sehr angespannten Handwerkskapazitäten vor allem auf die Optimierung der Heizungsanlagen und Versorgungssysteme fokussiert werden können“, sagte BBU-Chefin Kern. „Das muss oberste Priorität haben, weil hierdurch in der Regel schnell Einsparpotenziale von durchschnittlich 15 Prozent realisiert werden können.“ Durch die Optimierung des Nutzerverhaltens seien weitere circa 15 Prozent Energie-Einsparpotenziale mobilisierbar.

Weniger neue Wohnungen fertiggestellt

Probleme gibt es laut BBU beim Neubau. Im Jahr 2021 sei die Zahl der fertiggestellten Wohnungen der BBU-Mitgliedsunternehmen in Berlin erstmals seit acht Jahren gesunken: auf 5415. Zum Vergleich: Im Jahr zuvor waren noch 6792 Wohnungen fertiggestellt worden. Die Zahl der Wohnungen, deren Bau begonnen wurde, sank laut BBU im vergangenen Jahr zugleich um gut 29 Prozent. Noch besorgniserregender ist laut BBU der Blick auf die Entwicklung der Investitionen. Hier habe es 2021 mit einem Plus von nur noch 1,1 Prozent das niedrigste Wachstum seit 13 Jahren gegeben.

Als Gründe nennt der BBU neben weiter steigenden Baupreisen und den „problematischen Verwaltungsstrukturen“, die die Planungsbedingungen erschwerten, unterbrochene Lieferketten sowie akute Knappheit von Baumaterialien wie Holz oder Stahl – als Folge des Ukraine-Kriegs. Zudem spitze sich der Fachkräftemangel in Handwerk und Bau weiter zu. Zu dieser ohnehin schon extrem schwierigen Gemengelage kämen „jetzt auch noch rasant steigende Zinsen und Finanzierungskosten“. Auf die Wohnungswirtschaft komme ein schweres Sturmtief zu, sagte die BBU-Chefin. Sie mache deswegen ein Fragezeichen, ob das gesetzte Ziel von 20.000 neuen Wohnungen in diesem Jahr zu erreichen sei.

Der Berliner Mieterverein (BMV) beurteilt die Aussagen des BBU kritisch – insbesondere zur Temperaturabsenkung. „Mieterinnen und Mieter haben Anspruch auf Raumtemperaturen in den Wohnräumen von 20 Grad am Tag und von 18 Grad in der Nacht“, erklärte Ulrike Hamann, Mitglied der BMV-Geschäftsführung. Höhere Nebenkostenvorauszahlungen sollten Mieter überprüfen lassen. „Nicht jeder muss zugestimmt werden.“ An den Energiepreisen würden Mieter schwer zu tragen haben, erwartet auch Hamann. „Wir schlagen daher vor, dass Vermieter in den vier schlechtesten Energieklassen einen entsprechenden Anteil an den Heizkosten tragen.“