Für eine preiswerte Wohnung in Berlin kann es Hunderte Bewerber geben. Wenn sich die Wohnung auch noch in bester Lage befindet, melden sich schon mal tausend Interessenten auf eine Anzeige. Die Wohnungsnot in Berlin wird deshalb immer öfter von Betrügern ausgenutzt. Die Täter verschicken per Whatsapp und SMS dubiose Angebote, um die Gutgläubigkeit der Menschen auszunutzen. Allein im vergangenen Jahr haben sich die Fallzahlen fast verdoppelt.
Philipp S. zum Beispiel bekam vor einigen Tagen eine Whatsapp-Nachricht. Mit Bildern, die eine geräumige Zwei-Etagen-Wohnung mit Terrasse und Eingangshalle zeigen, angeblich in Pankow. „Die Wohnung ist sofort verfügbar, sauber und bereit für kurz- oder langfristige Nutzung“, heißt es in dem Text. „Um sicherzugehen, dass Sie meine Kriterien erfüllen, geben Sie mir bitte folgende Informationen: …“ Der vermeintliche Makler will nun die Personalien wissen, den Beruf und das monatliche Einkommen des Interessenten.
Philipp S. hatte einige Nachfragen an den Absender. Etwa nach dem Link zu den Ebay-Kleinanzeigen, wo die Wohnung angeblich inseriert war. Er konnte auch nicht glauben, dass die Etagenwohnung mit Eingangshalle, Treppe und riesigem Wohnzimmer nur 630 Euro warm kosten sollte.
Als Antwort kam der selbe Text: „Die Wohnung ist sofort verfügbar …“ Philipp S. wurde klar, dass es sich um einen Betrugsversuch handeln musste. Anrufe dieser Zeitung auf der Handynummer des „Anbieters“ landeten immer wieder auf einer Mailbox ohne Ansage.
Betrüger schalten selbst Wohnungsanzeigen oder reagieren auf Interessenten
Der 35-jähriger Berliner hatte auf einem Immobilienportal seine Handynummer hinterlassen, als er sich auf mehrere Anzeigen beworben hatte. „Entweder waren es Fake-Anzeigen, oder die Anbieter haben die Telefonnummer an Adresshändler weitergegeben“, vermutet er.
Damit liegt er nicht falsch. Allein die Berliner Polizei hat es von Jahr zu Jahr mit mehr Fällen dieser Art Leistungsbetrug zu tun. „Die betrügerisch angebotenen Wohnungen existieren entweder überhaupt nicht oder werden angeboten, obwohl sie tatsächlich vermietet sind“, sagt eine Polizeisprecherin. „Dabei hat der Vermieter und Eigentümer meist keine Kenntnis über das Tätigwerden unberechtigter ‚Wohnungsvermittler‘.“
Diese Art des Leistungsbetruges komme seit Jahrzehnten immer wieder vor, so die Sprecherin. Neueren Datums seien betrügerische Angebote mittels Internetforen oder -Mietbörsen oder Whatsapp. In denen werde oftmals auswärtigen Wohnungssuchenden das Vorhandensein von Wohnungen rein virtuell vorgegaukelt.
Hatte die Berliner Polizei vor fünf Jahren noch 321 dieser Fälle zu bearbeiten, so waren es nach Angaben der Sprecherin 2020 schon 678 und im vergangenen Jahr schon 1184 Fälle.
Betrüger wollen vorab Miete und Kaution kassieren
Auch das Landeskriminalamt Niedersachsen warnt vor angeblichen Vermietern, die entweder selbst Wohnungsanzeigen geschaltet haben oder aktiv auf Wohnungsgesuche reagieren. Angeblich sei man im Ausland und würde die Wohnung im gesuchten Umfeld anbieten können, schreiben die Betrüger. Und sie sichern oft eine Abwicklung der Wohnungsvermietung über den Dienst von Airbnb zu, da dieser sicher sei.
Die angebliche Vermieter versendet auch selbst ein Personaldokument, das laut Polizei entweder missbräuchlich benutzt oder eine Fälschung ist, und gibt an: Bevor ein Link zu Airbnb verschickt werde, benötige man weitere Angaben zum zukünftigen Mieter.
Die Betrugsmaschen der Täter variieren. Eines der Beispiele nennt das LKA Niedersachsen auf seiner Webseite: So versuchen die Täter mit gefälschten Airbnb-Seiten, vorab Miete und Kaution abzukassieren.
Anbieterprofil und „Bewertungen“ sind gefälscht
Demnach hatte eine Frau über Ebay-Kleinanzeigen eine Wohnungssuche inseriert. Daraufhin meldete sich bei ihr eine angebliche Frau per Mail und behauptete, dass sie eine 62 Quadratmeter große Wohnung zu vermieten habe, an der Danziger Straße in Prenzlauer Berg – für 360 Euro Warmmiete inklusive Nebenkosten. Sie verlangte eine Vorauszahlung für den ersten Monat plus eine Monatsmiete Kaution.
Der Mail wurden mehrere Fotos der angeblichen Wohnung in Berlin beigefügt. „Da ich mich nicht im Land befinde, habe ich mich dafür entschieden, das Apartment über Airbnb zu vermieten“, schrieb sie unter anderem und verlangte, dass sie sich über die Airbnb-Webseite registrieren möge – auf einer gefälschten Seite, deren Webadresse der echten Webseite ähnelt, was gerade auf Handys nicht sofort auffällt. Das Profil der Anbieterin und auch sämtliche „Bewertungen“ der angeblichen Berliner Wohnung waren laut Polizei ebenfalls gefälscht.
Der Zahlungsaufforderung kam die Wohnungsinteressentin nicht nach, weil sie die Webseite in Ruhe prüfte und die Gefahr rechtzeitig erkannte.
Allerdings hatte sich die Frau bereits auf der gefälschten Webseite registriert. Mit diesen Daten können Kriminelle schon viel anfangen: zum Beispiel personalisierte Spam verschicken und personalisierte Mails mit Schadsoftware im Anhang. Ausweiskopien, Verdienstbescheinigungen oder Bankdaten hatte die Frau glücklicherweise nicht eingereicht oder an die Täter per Mail verschickt.
Auch Ausweiskopien, Verdienstbescheinigungen und Bankdaten hatte die Frau nicht eingereicht oder an die Täter per Mail verschickt. Auch solche Daten würden die Täter später für diverse Zwecke missbrauchen, so das LKA.
Eine Google-Rückwärtssuche kann helfen
Eine weitere Betrugsvariante: Die Täter mieten tatsächlich eine Airbnb-Wohnung an und laden die Opfer zur Besichtigung ein. Diese bekommen dann Zugangsdaten und Schlüssel. Im Glauben daran, dass man sich nun die Wohnung vor Ort anschaut, überweisen die Opfer die Vorauszahlung an die Täter und merken nicht, dass sie lediglich in einer Ferienwohnung stehen, die bald an die nächsten Feriengäste vermietet wird.
Ebenso gibt es gefälschte Airbnb-Seiten, bei denen sich das Opfer dann mit den echten zuvor erstellten und übermittelten Daten einloggen kann. Auf der gefälschten Seite wird dann die Zahlung der Sicherheitsleistung eingefordert, die vorab erfolgen soll – ebenfalls auf gefälschten Konten.
Die Polizei weist darauf hin, dass man mithilfe der Google-Rückwärtssuche erkennen kann, wo die Bilder der Wohnung das erste Mal veröffentlicht waren. Oft findet man dann die echte Wohnung, die an ganz anderer Stelle zum Verkauf und zur Vermietung angeboten wird. Und man wird auf diese Weise auch feststellen, dass die Gesichter der angeblichen Menschen, die eine Wohnung „bewertet“ haben, an ganz anderer Stelle im Internet auftauchen.
Wer sind die Täter? „Die Tatverdächtigen sind, wie üblich bei Betrugstaten, unterschiedlichster Herkunft und Alters“, sagt die Berliner Polizeisprecherin. „Eine besondere Schwerpunktbildung oder besondere Tätertypisierungen sind nicht erkennbar.“



